BEEFI-Studie (III): Der lange Weg zur BEEFI-Insektenstudie

Bereits 1999 wurden von BfS/ICNIRP und WHO Studien zu Insekten und elektromagnetischen Feldern gefordert
Die Metaanalyse von Thill, Cammaerts & Balmori weist das Schädigungspotenzial von EMF auf Insekten nach. Der Verdacht, dass EMF Insekten schädigen, besteht schon lange. Erste Studien gab es in den 1970er Jahren von Dr. Ulrich Warnke. Seit den 1990er Jahren wird gefordert, dass dem angesichts der Bedeutung der Insekten nachgegangen wird. Dies geschah jedoch nur schleppend. Doch die Datenlage hat sich verbessert. Die BEEFI-Studie kommt zu dem Ergebnis: Das Schädigungspotenzial ist nachgewiesen. Den langen Weg dazu skizzieren wir nach.
Titel: Bundesamt für Strahlenschutz

>>> EXTRA-Homepage und VIDEO mit allen Informationen zur BEEFI-Studie und Download der Studie in 3 Sprachen: www.insekten-schuetzen.info und www.protect-insects.info.

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Schon im Jahr 1999 wurden auf dem Symposium „Effects of elektromagnetic fields on the living environment“ der ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection), der WHO und des deutschen Bundesamtes für Strahlenschutz Studien zu Auswirkungen auf Tiere und Insekten angemahnt:

 

„Zu den spezifischen Themen, die behandelt werden müssen, gehören

  • EMF-Exposition von Tieren, Pflanzen und Meeresorganismen
  • Orientierungs- und Migrationswirkungen auf Vögel und Meeresorganismen,
  • Verhaltensänderungen bei Insekten“ (Tagungsband, S. 8).

Doch das blieb ohne Konsequenzen. Die Forschungslage, die es bis dahin zu Wirkungen des geomagnetischen Feldes, von Radar und weiterer elektromagnetischer Felder verschiedener Frequenzen auf Tiere gab, z. B. von Wiltschko (Vögel) und Warnke (Bienen), wurde nicht systematisch ausgewertet. Studien, die in den beginnenden 2000er Jahren erschienen, wurden von den Behörden heruntergespielt, eigene Forschungsprojekte nicht in Auftrag gegeben.

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Der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) erkannte früh die Risiken von EMF für Insekten

BUND Positionspapier 46 / 2008

Die Relevanz wurde immer größer, denn durch den Ausbau der Mobilfunk-Infrastruktur kam es erstmals zu einer flächendeckenden Befeldung. Auf negative Folgen für Tiere wies der BUND im Jahr 2008 in seinem Positionspapier 46 hin und schrieb:

  • „Schon in den 70er Jahren konnte festgestellt werden, dass Bienen unter dem Einfluss niederfrequenter Felder (10 bis 20 KHz) Stressreaktionen und ein stark reduziertes Rückfindevermögen zeigen. 2005 wurde in einer Pilotstudie zur Wirkung elektromagnetischer Strahlung auf Bienen festgestellt, dass Heimfindevermögen und Wabenbau empfindlich gestört wurden.“ (S. 19)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialauschuss fordert vehement Studien

Flagge der EU

24 Jahre nach dem BfS-Symposium mahnte der EWSA (Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss) am 13.07.2023 nochmals Studien an:

  • „Der Ausschuss fordert eine EU-Studie, die genaue Daten über die Auswirkungen der von Telekommunikationsantennen ausgehenden elektromagnetischen Strahlung auf wildlebende Bestäuber in ihren natürlichen Lebensräumen und über die notwendigen politischen Maßnahmen zur Gewährleistung eines wirksamen Bestäuberschutzes liefern soll“ (Amtsblatt der EU, Ausgabe C 349 vom 29.9.2023, Seite 174, Kapitel 1.8, https://kurzelinks.de/j8xh).

Aus der Wissenschaft kommen mehr und mehr besorgte Stimmen

Titel: Goulson / Verlag Hanser

Der englische Biologe Prof. Dave Goulson schreibt 2021 in seinem Buch „Stumme Erde“:

  • „Es scheint plausibel, dass solche Felder starke Verhaltensänderungen (bei Insekten) auslösen können … Die meiste Sorge bereitet mir der Umstand, dass auf diesem Gebiet so wenig geforscht wird.Wir haben eine Folge globaler Telekommunikationsnetze eingeführt, in einem riesigen, nicht replizierten Experiment, in dem quasi jedes Lebewesen auf diesem Planeten einer rasch steigenden Dosis hochfrequenter Strahlung ausgesetzt ist, obwohl uns die Konsequenzen noch gar nicht hundertprozentig klar sind“ (S. 221/223).

Auf dem Sciencebrunch 36 der Schweizer FSM-Stiftung der Mobilfunkindustrie referierte im November 2023 eine Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Daniel Erni (Universität Duisburg-Essen) zum Thema "Wo werden mm-Wellen im Gewebe absorbiert? Forschungsansätze für eine virtuelle Mikrodosimetrie der Haut". Sie untersuchten auch die Auswirkungen von mm-Wellen, wie sie bei 5G und 6G zur Anwendung kommen werden, auf Bienen. Bei ihren Ergebnisse kommen sie zu dem Schluss:

  • "Insekten sind unsere Freunde. Was wäre ein geeignetes Expositionsmaß? SAR? Es gibt neue interessante Fragestellungen und einen entsprechend großen Forschungsbedarf."

Auf ihrer Präsentation sind in Schaubildern die Einwirkungen von EMF auf Bienen in Computersimulationen dargestellt. 

Neue EMF-(Rot) und Magnetsinn (Blau)-Studien: Die Datenlage hat sich seit 2010 stark verbessert

Grafik: BEEFI-Studie Thill et al.

Die Datenlage hat sich inzwischen verbessert. Seit ca. 2010 nahm die Anzahl durchgeführter Studien zu, wie die Grafik aus der BEEFI-Studie zeigt.

Es gibt inzwischen viele Studien, die darauf hinweisen, dass EMF negative Auswirkungen auf Insekten haben. Sie sind in der Metaanalyse von Thill, Cammaerts & Balmori (2023) dokumentiert. Das Gesamtergebnis: nicht-thermische biologische Wirkungen von EMF im Labor wurden eindeutig nachgewiesen. Diese Effekte würden sich auf die Fortpflanzungsfähigkeit, das Verhalten, die DNA und die Gesundheit der Insekten auswirken. Die Laborergebnisse, die Schädigungen nachweisen, lassen sich zwar nicht 1:1 auf die Feldwirkungen übertragen, aber:

  • „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die im Labor gezeigten Effekte auch unter realen Bedingungen auftreten“ (S. 8 BEEFI-Studie).

Die BEEFI-Studie dokumentiert neue Feldstudien, die dies bestätigen. Die Studie der Arbeitsgruppe Treder et al. (2023) an der Uni Hohenheim berichtet über ein gestörtes Heimfindeverhalten von Bienen, Molina-Montenegro et al. (2023) von sinkender Bestäubungsleistung und Nyirenda et al. (2022) und  Adelaja et al. (2021) von abnehmender Abundanz (Dichte) von Insekten in Relation zur Nähe der EMF-Quelle (Hochspannungsleitung, Mobilfunkmast).

Die BEEFI-Studie ist die bislang umfangreichste Aus- und Bewertung der Studienlage zu EMF und Insekten.

Studie von Thill, Cammaerts & Balmori (2023)

Im Feld sind Insekten nicht nur EMF ausgesetzt, sondern weiteren schädigenden Einflüssen, so dass durch Kombinationswirkungen von einer noch stärkeren Schädigung ausgegangen werden muss. Thill et al. resümieren:

„Auf der Grundlage einer Bewertung der Gesamtsituation der Studien über Insekten muss vor einem unbedachten Ausbau weiterer Mobilfunkinfrastruktur gewarnt werden, da schädliche Auswirkungen auf Insektenpopulationen zu erwarten sind, insbesondere wenn Wechselwirkungen mit anderen Noxen berücksichtigt werden (u.a. Hochspannungsleitungen und künstliche Beleuchtung). Dies könnte zu einem weiteren Rückgang der bereits schwindenden Bestäuberpopulationen führen und würde somit Kosten für die Menschheit mit sich bringen“ (S. 11).

Der Stand der Forschung erfordert die Anwendung des Vorsorgeprinzips beim Mobilfunkausbau. Abzuwarten, bis alle Detailfragen geklärt sind, wäre unverantwortlich. Die Erkenntnisse über die Gefährdung von Insekten durch elektromagnetische Felder sind nicht mehr nur ungewiss, sondern nähern sich den Beweisen. So heißt es im Review von Mulot et al. (2022), erstellt für die Schweizer Regierung:

  • „Anthropogene NIS (nicht-ionisierende Strahlung) stellen eine potenzielle Bedrohung für Arthropodenpopulationen dar, da sie den Selektionswert (Fitness), die Fortpflanzung und das Verhalten von Individuen beeinträchtigen.“ (S. 41)
  • „NIS wirken eindeutig subletal auf Arthropoden, sowohl auf der Ebene der Zellen als auch des Organismus.“ (S. 43)

Die Auswirkungen von EMF auf das Insektensterben sind ein komplexes Thema, denn das Insektensterben hat viele Ursachen, u.a. den Verlust von Lebensraum, den Klimawandel, den Einsatz von Pestiziden und Veränderungen in der Landnutzung. EMF spielen eine Rolle bei diesem Problem. Weitere Forschung und Untersuchungen sind erforderlich, auch um Wechselwirkungen mit anderen Faktoren herauszufinden. Mit der BEEFI-Studie liegt nun ein ausführlicher Forschungsüberblick vor, der nachweist, dass elektromagnetische Felder Insekten (wie auch Vögeln) zur Orientierung dienen, aber technisch erzeugte Felder sich negativ auf ihre Orientierung und den Organismus insgesamt auswirken.

Dr. Herbert Zucchi, em. Professor für Zoologie und Tierökologie (HS Osnabrück), schrieb den Autoren der BEEFI-Studie: „Ich habe sie jetzt gelesen und bin sehr angetan davon. Darf ich sie weiterverbreiten?“

Und Dr. Ulrich Warnke, ein Pionier der Bienenforschung, sagt im Interview mit diagnose:funk: „Diese Metastudie wurde nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt und deshalb müssen die Ergebnisse – Insektendezimierung auch durch technisch erzeugten Mobil- und Kommunikationsfunk – in den politischen Überlegungen zwingend berücksichtigt werden“ (Kompakt 1-2024).

diagnose:funk fordert von der Politik den Erhalt und den Ausbau von funkfreien Schutzzonen für Insekten. Das bedeutet:

  • Beschränkung der Mobilfunkstrahlung auf max. 100 µW/m². Dies leitet sich aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen der BEEFI-Studie und aus der Festsetzung von Grenzwerten ab. Empfang ist außen und meistens innen weiterhin möglich.
  • In Naturschutzgebieten dürfen keine Mobilfunksendemasten neu gebaut oder weiter betrieben werden.
  • Die Wechselwirkungen zwischen elektromagnetischen Feldern und anderen Umweltschadstoffen müssen untersucht werden.
  • Weitere Feldstudien müssen finanziert und durchgeführt werden: Wie werden Insektenpopulationen bereits durch die derzeitige Infrastruktur (Mobilfunk, Hochspannung) beeinflusst?

 

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Artikel veröffentlicht:
19.03.2024
Autor:
diagnose:funk
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