Studie des Schweizer Bundesamtes für Umwelt hält den Zusammenhang von Mobilfunk und Insektensterben für wahrscheinlich

Forschungsüberblick „Wirkung von nichtionisierender Strahlung auf Arthropoden“
Mobilfunkstrahlung ist am Insektensterben mit großer Wahrscheinlichkeit beteiligt, weist die Studie der Uni Neuchatel (Schweiz) nach. Die Strahlung hat Auswirkungen auf Fortbewegung, Fortpflanzung, Nahrungssuche, Orientierung, DNA-Schädigung, Zellstress und Verhalten.
Montage:diagnose:funk

Im Auftrag des Schweizer Bundesamtes für Umwelt (BAFU) wurde an der Universität Neuchatel der Forschungsüberblick „Wirkung von nichtionisierender Strahlung (im Folgenden: NIS) auf Arthropoden“ erarbeitet:

Mulot M., Kroeber T., Gossner M., Fröhlich J. (2022). Wirkung von nichtionisierender Strahlung (NIS) auf Arthropoden, Bericht im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), Neuenburg, Juli 2022 

 


Mobilfunk kommuniziert über nicht-ionisierende Strahlung (im folgenden: NIS). Dieser Studienüberblick über die Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung auf Insekten ist zwar nicht in einer Fachzeitschrift peer-reviewed publiziert, hat aber auf Grund seiner Wissenschaftlichkeit eine hohe Aussagekraft.

Der Bericht arbeitet die Studienlage auf und spiegelt auch eine Verunsicherung wieder. Im Labor gibt es nahezu konsistente Hinweise auf Schädigungen von Insekten, doch es gibt noch zu wenig Feldstudien, die das verifizieren. Deshalb warnen die Wissenschaftler:

  • „An dieser Stelle sei daran erinnert, dass der fehlende Nachweis einer Wirkung nicht gleichbedeutend mit dem Nachweis einer fehlenden Wirkung ist und dass weitere Feldstudien durchgeführt werden sollten.“ (S. 40)

Die verharmlosende Praxis deutscher Behörden dagegen ist, auf Grund dieses Nicht-Wissens Entwarnung zu geben (siehe dazu unseren Brennpunkt). Das Nicht-Wissen ist in der Regel auf ein mangelndes Erkenntnisinteresse zurückzuführen. Das Wissen, das bereits vorhanden und in dieser Arbeit von Mulot et al. dokumentiert ist, macht die Anwendung des Vorsorgeprinzips und die sofortige Durchführung weiterer Forschung notwendig, denn das Insektensterben beschleunigt alle Umweltkatastrophen. Insekten sind ein Kettenglied in der Biodiversität, nicht nur für die Bestäubung, sondern auch als Nahrung für andere Tierarten, insbesondere Vögel.

Klare Hinweise auf Schädigungen der Fortpflanzung, Körperfunktionen, Verhalten und Flugfähigkeit

In der Gesamtschau aus Studien, die verlässliche Aussagen machen und Studien, die weniger verlässlich sind, ziehen die Autoren ein eindeutiges Fazit:

  • „NIS-Wirkungen wurden mit einer akzeptablen Verlässlichkeit (mindestens mittel) für Fortbewegung, Fortpflanzung, Nahrungssuche, Orientierung, DNA-Schädigung, Zellstress, Verhalten und verschiedene Körperfunktionen für Frequenzen bis 6 GHz ermittelt. Von 0 bis 100 kHz gibt es eine hohe Verlässlichkeit für negative Wirkungen von NIS auf Fortpflanzung, Körperfunktionen, Verhalten und Flugfähigkeit. Von 100 kHz bis 6 GHz gibt es eine hohe Verlässlichkeit für negative Wirkungen von NIS auf die Fortpflanzung und in Form von DNA-Schädigungen. Für eine Wirkung von NIS auf Arthropoden oberhalb von 6 GHz liegen keinerlei Arbeiten mit hoher oder mittlerer Verlässlichkeit vor. Die niedrige Verlässlichkeit für eine bestimmte Wirkung und einen bestimmten Frequenzbereich wird auf den Mangel an verfügbaren Studien von guter Qualität zurückgeführt.“ (S. 36)

Betont wird, dass diese Schädigungen „unterhalb der regulatorischen Schwellenwerte“(S.36), also der ICNIRP-Grenzwerte, eintreten. Die Autoren schreiben:

  • „Unsere Übersicht zeigt klar, dass Evidenz für die Wirkung von NIS auf Arthropoden bis zu 6 GHz bei gutem Verlässlichkeitsgrad auf Fortpflanzung, Fortbewegung, Verhalten, Nahrungssuche und DNA-Schädigung vorliegt. Wichtig: Die meisten dieser Wirkungen wurden bei Intensitäten gemessen und beobachtet, die unterhalb der von der ICNIRP festgelegten regulatorischen Schwellenwerte liegen. Auch wenn die Qualität einzelner Studien oft nicht ausreicht, um solide Schlussfolgerungen zu einer bestimmten Wirkung zu ziehen, führt das Vorliegen übereinstimmender Ergebnisse aus verschiedenen Studien von unterschiedlichen Forschungsgruppen mit unterschiedlichen Protokollen zu einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass solche Wirkungen auch unter realen Bedingungen eintreten.“ (S. 37/38)

Wirkmechanismen der Schädigung

Als Wirkmechanismen der Schädigung werden Oxidativer Zellstress (S. 33) und eine Störung der spannungsgesteuerten Calciumkanäle (VGCC) (S. 38) angeführt. Die Brisanz der negativen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung kommt in der Schlusseinschätzungen zum Ausdruck:

  • „Anthropogene NIS stellen eine potenzielle Bedrohung für Arthropodenpopulationen dar, da sie den Selektionswert (Fitness), die Fortpflanzung und das Verhalten von Individuen beeinträchtigen. Auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass NIS auf regionaler Ebene zum Aussterben einer Art führt, könnte NIS den Artenreichtum und damit die Grösse der Populationen beeinflussen und sie anfälliger für das Aussterben machen. Dies gilt umso mehr, da Wechselwirkungen oder synergetische Effekte mit anderen Faktoren wie Pestiziden und Habitattrennung möglich sind [117] und zum lokalen Aussterben bereits bedrohter Populationen beitragen können.“ (S. 41)

Die Lücken in der Forschung scheinen innerhalb der Arbeitsgruppe der Uni Neuchatel zu Unsicherheiten in der Gesamteinschätzung des Anteils an der Schädigung und der Folgen zu führen:

  • „Sollten sich die Wirkungen von NIS als gross und weit verbreitet erweisen, müssten wir mit einem Verlust an Biodiversität und einer Störung der Ökosysteme rechnen. Allerdings hindern uns der oft niedrige Evidenzgrad und das dürftige Wissen über die Wirkung von NIS daran, weitere Schlussfolgerungen zu ziehen." (S. 43)

Dennoch schließen die Autoren mit einer eindeutigen Aussage:

  • "NIS wirken eindeutig subletal auf Arthropoden, sowohl auf der Ebene der Zellen als auch des Organismus.“ (S. 43)
diagnose:funk Publikationen

Literatur von diagnose:funk zum Thema (s.u. Publikationen)

Konsequenz: Keine Mobilfunkmasten in Naturschutz- und Landwirtschaftsgebieten!

Dieser Studie kommt der Verdienst zu, dass sie das Narrativ, Mobilfunkstrahlung könne Organismen und auch Insekten wegen seiner niedrigen Energie nicht schädigen, faktenbasiert widerlegt. Es liegen so viele verlässliche Ergebnisse vor, dass nicht mehr ausgeschlossen werden kann, dass NIS ein Faktor ist, der am Insektensterben beteiligt ist. Die Erkenntnisse aus der Studie von Mulot et al. sind nicht neu, sie wurden bereits in den Reviews von Thill (2020), Balmori (2022) und Levitt et al. (2022) formuliert, aber jetzt liegen sie in einer Regierungsstudie vor. Das ist eine Aufforderung an alle Umweltverbände, insbesondere BUND und NABU, ihre Zurückhaltung zu diesem Thema endlich zu beenden. Alain Thill zieht in seinem Review „Biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Insekten“ folgende Konsequenzen:

  • „Bis sich die Wahrheit herauskristallisiert hat, sollte die Entwicklung des Ausbaus (der Mobilfunkinfrastruktur, d:f) genauestens beobachtet werden, und sofort mit toxikologischen Versuchen begonnen werden, um etwaige schädliche Auswirkungen schnell zu erkennen und zu quantifizieren, damit realistische schützende Richtlinien erlassen werden können. Vor dem Hintergrund des rapiden Rückgangs der Insekten und des weiteren Ausbaus hochfrequenter elektromagnetischer Feldquellen besteht nicht nur weiterer, dringender Forschungsbedarf, insbesondere auch für die Wechselwirkungen mit anderen schädigenden Noxen wie Pestiziden. Bei der Planung des Mobilfunkausbaus müssen jetzt schon Lebensräume der Insekten vor EMF-Belastung geschützt werden. Dieser Autor beruft sich hierbei auf das sogenannte Vorsorge-Prinzip, das in Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankert ist.“

Publikation zum Thema

umwelt-medizin-gesellschaft 3/2020Format: A4Seitenanzahl: 28 Veröffentlicht am: 14.09.2020 Sprache: DeutschHerausgeber: AKUT Luxemburg

Biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Insekten

Beilage in umwelt-medizin-gesellschaft 3-2020
Autor:
Alain Thill
Inhalt:
Weltweit nehmen die Insekten mit alarmierender Geschwindigkeit ab. Es ist bekannt, dass hierbei, neben anderen Ursachen insbesondere die Verwendung von Pestiziden und die moderne landwirtschaftliche Praxis eine große Rolle spielen. Dieses systematische Review wertet die Studienlage zu den toxischen Wirkungen elektromagnetischer Felder (EMF) auf Insekten aus. 72 der 83 analysierten Studien fanden einen Effekt. Als negative Wirkungen wurden in Studien beschrieben: Einschränkungen des Orientierungssinns, reduzierte Fortpflanzungsfähigkeit und Fruchtbarkeit, Lethargie, Veränderungen der Flugdynamik, Misserfolg in der Nahrungssuche, reduzierte Reaktionsgeschwindigkeiten, Fluchtverhalten, Störung der circadianen Rhythmik, Blockierung der Atmungskette und Schädigung der Mitochondrien, Fehlaktivierungen im Immunsystem, erhöhte Anzahl von DNA-Strangbrüchen. Im Ergebnis zeigt sich, dass EMF einen ernstzunehmenden Einfluss auf die Vitalität von Insektenpopulationen haben könnten. Festgestellt wurde in einigen Experimenten, dass trotz geringen Belastungen durch Sendeanlagen nach mehreren Monaten schädliche Auswirkungen eintraten. Feldstärken bereits 100-fach unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte könnten schon Auswirkungen haben. Bei der Planung des Mobilfunkausbaus müssen jetzt schon Lebensräume der Insekten vor EMF-Belastung geschützt werden.
Format: DIN A4Seitenanzahl: 12 Veröffentlicht am: 27.11.2020 Bestellnr.: 242Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk

Heftige Debatte um die Insektenstudie

Klarstellung zum Review "Biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Insekten"
Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Dieser Brennpunkt nimmt Stellung zu den vielen Reaktionen zu dem Review „Biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Insekten“ (2020) von Alain Thill vor. Darin wird die weltweite Studienlage zur Wirkung elektromagnetischer Felder (EMF) auf Insekten dargestellt. Der Review kommt zu dem Ergebnis, „dass elektromagnetische Felder einen ernstzunehmenden Einfluss auf die Vitalität von Insektenpopulationen haben könnten“. Der Review wurde von der Luxemburger Umweltorganisation AKUT herausgegeben und in der Zeitschrift umwelt-medizin-gesellschaft veröffentlicht. Über die Studie wurde nicht nur deutschlandweit, sondern auch darüber hinaus berichtet. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sowie die österreichischen und deutschen Mobilfunkbetreiber kritisierten in Stellungnahmen den Review als unwissenschaftlich, seine Schlussfolgerungen seien nicht durch die Studienlage gedeckt. Dass von politisch hoher Stelle, also dem Bundesamt für Strahlenschutz, Stellung bezogen wird, bestätigt die Bedeutung dieses Reviews. Auch einige Journalisten kritisierten den Review. Doch sind die Kritiken berechtigt? Auf all diese Reaktionen gehen wir ausführlich in diesem Brennpunkt ein.
Heft 1; 1. AuflageFormat: A4Seitenanzahl: 48 Veröffentlicht am: 01.11.2007 Bestellnr.: 701Sprache: deutschHerausgeber: Kompetenzinitiative e.V.

Bienen, Vögel und Menschen

Die Zerstörung der Natur durch ‚Elektrosmog‘
Autor:
Ulrich Warnke
Inhalt:
In der hier vorgelegten Schrift zeigt Ulrich Warnke, wie Menschen und Tiere elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder seit Millionen von Jahren für ihre biologische Information und Organisation nutzen. Er kann von da aus aber auch verständlich machen, dass die wachsende Flut technisch erzeugter elektromagnetischer Felder den biophysikalischen Haushalt des Lebens störend und zerstörerisch überlagert.
2020-3Format: DIN A4Seitenanzahl: 40 Veröffentlicht am: 10.09.2020 Herausgeber: diagnose:funk

kompakt 2020 - 3

Thema: Mobilfunk ist auch für Insekten schädlich
Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
15 Antworten zum 5G-Ausbau / Medienratgeber in 21 Sprachen erschienen/ 10 Jahre diagnose:funk/ Unsere neuen Mitarbeiter/ Unsere tägliche Presseschau / Leserbriefe schreiben / Die Digital-Pandemie / INSEKTEN: Metastudie biologische Wirkungen von EMF / Interview mit Dr. Ulrich Warnke / Schorndorf beschließt Mobilfunkvorsorge/ Kundgebung in Köln / Hawaii beschließt Moratorium / Grenoble lehnt 5G ab/ Flattich (A) sagt Nein zu 5G! / ElektrosmogReport 2/2020/ Pearce-Studie zu Mobilfunkmasten/ Prof. Karl Hecht antwortet / Funkende Verbrauchszähler/ 5G-wem nutzt es wirklich? / Mobilfunkgipfel der Bundesregierung / 5G-Digitalisierung der Streitkräfte / Die NVA-Studie: Mikrowellen und Funker
Format: A4Seitenanzahl: 12 Veröffentlicht am: 23.07.2015 Bestellnr.: 722Sprache: DeutschHerausgeber: Kompetenzinitiative e.V.

Die Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf Tiere

Ein Forschungsbericht
Autor:
Dr. rer. nat. Ulrich Warnke
Inhalt:
Aus dem Vorwort: "Der hier vorgelegte Forschungsbericht zur Schädigung der Tiere wurde ursprünglich für die Positionsbestimmung des BUND Für zukunftsfähige Funktechnologien. Begründungen und Forderungen zur Begrenzung der Gefahren und Risiken durch hochfrequente elektromagnetische Felder (2008) geschrieben. Die Ergebnisse der ausgedehnten wissenschaftlichen Recherchen konnten darin naturgemäß nur stark verkürzt aufgenommen werden. Dass wir den Forschungsbericht nun auch in einer umfänglicheren Gestalt zugänglich machen, versteht sich aber auch als Antwort auf ein verharmlosendes Papier des Bundesamtes für Strahlenschutz vom 15. 10. 2008: Stellungnahme zur Frage möglicher Wirkungen hochfrequenter und niederfrequenter elektromagnetischer Felder auf Tiere und Pflanzen. (...)"
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