Funkende Zähler / Smart Meter: Dauersender nicht akzeptieren!

Interview mit Jörn Gutbier, Vorsitzender von diagnose:funk
Wöchentlich wird diagnose:funk angefragt, ob der Einbau von digitalen Zählern für Wasser, Strom, Gas und Rauchmelder Pflicht ist. Sorgen machen sich die Menschen um die Strahlenbelastung und den Missbrauch von Daten, die mit diesen Zählern gesammelt werden können. Jörn Gutbier hat sich auf diese Fragen spezialisiert. Mit ihm haben wir für die nächste Ausgabe unseres Magazins kompakt ein Interview dazu geführt.
Jörn Gutbier, diagnose:funk

Kompakt: Weiß man, wie hoch die Strahlenbelastung durch die Zähler ist? In welcher Frequenz und mit welcher Leistungsflussdichte senden sie in der Regel?

Jörn Gutbier: In der Regel arbeiten die funkenden Verbrauchszähler mit den lizenzfreien Frequenzen im 860 MHz-Band. Die Abstrahlleistung beträgt zwischen 10 und maximal 25 Milliwatt. Zum Vergleich: die Standardleistung eines DECT-Telefon oder WLAN-Routers beträgt maximal 100 mW. Im Abstand von ca. 1 m zu einem Funkzähler werden ca. 1.000 µW/m² gemessen. Entscheidend ist bei den Funkzählersystemen die Sendehäufigkeit. Die Sendehäufigkeit ist je nach Systemanbieter extrem unterschiedlich. Das geht von alle 2 Minuten ein Signal bis zu einmal alle 24 Stunden.

Kompakt: Muss man auch hinnehmen, dass solche Zähler dauernd, z.B. jede Minute, Daten per Funk übertragen? Muss die Firma die Konfiguration mitteilen?

Jörn Gutbier: Was wir erleben ist, dass die meisten Firmen sich sehr schwer damit tun, von Anfang an transparent darzustellen, wie genau ihre Gerätesysteme arbeiten. Der Gesetzgeber forderte mit dem Gebäudeenergiegesetz von 2020 und der seit Anfang 2022 geltenden Heizkostenverordnung eine sog. Fernauslesbarkeit von Verbrauchszählersystemen. Das soll alles billiger und einfacher machen und der Endkunde hätte damit den Anspruch, mindestens monatlich über seine Verbräuche informiert zu werden. Das heißt, eine Übertragung der abrechnungsrelevanten Daten bräuchte, bzw. dürfte nach Datenschutzgrundverordnung auch nur einmal im Monat erfolgen.

Kompakt: Warum wird das nicht gemacht?

Jörn Gutbier: Das ist nicht nachvollziehbar. Ganz dumm wird es dann, wenn ein Systemanbieter wie die Firma Minol mit ihrem System connect ein eigentlich relativ strahlungsarmes System anbietet - die Einzelverbrauchszähler in der Wohnung senden demnach nur einmal am Tag ein sehr kurzes Signal auf Basis der LoRaWAN-Technik an einen Sammler, das sogenannte Gateway. Das Gateway wiederum aber funkt vielfach stärker als jedes dauerstrahlende DECT-Telefon oder WLAN und doppelt so stark wir ein Mobilfunkgerät mit LTE-Verbindung maximal leisten kann. In einem aktuellen Fall - und das scheint gemäß der Firmenunterlagen wohl der Standard zu sein - sendet das Gateway mit der Leistung von 500 Milliwatt in jeder Minute ca. 10 bis 15 Sekunden lang ein Funksignal. Und das macht es anscheinend 365 Tage im Jahr. Auch wenn die Firma Minol weiterhin darauf pocht, die gesammelten Zählerdaten nur zweimal im Monat zu übersenden - was wir aber nicht überprüfen können - ist der Gateway quasi kontinuierlich funkaktiv - was für ein Unsinn.

Das Gateway stammt von der Firma Zenner, welche auch zur "familiengeführten Unternehmensgruppe Minol-Zenner" gehört. Es wäre also ein Leichtes, hier ein vollständig funkarmes System anzubieten. Seit Januar 2023 bis aktuell verweigert die Minol-Unternehmenszentrale in Leinfelden-Echterdingen dazu aber jede weitere Kommunikation. Schlechte Presse ist anscheinend egal. Darüberhinaus informieren die Minol-Vertreter in den uns bekannten Fällen ihre Kunden entweder völlig unzureichend und sogar wissentlich falsch über diesen Sachverhalt. Ganz zu schweigen von den irreführenden Grafiken in deren Sachinformationen, die das ´dauerfunkende`Gateway gar nicht erst erwähnen und falsche Angaben zur Sendeleistung moderner LTE-Smartphones machen. Das mit 500 mW´dauersendende` Gateway im Hausflur neben den Kinderzimmern der umliegenden Wohnungen grenzt an Körperverletzung.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass die Systeme der anderen Hersteller am Markt nicht anders agieren. Die drei von uns untersuchten Systeme weiterer Marktführer sind noch viel dümmer als die von Minol, weil hier die installierten Verbrauchszähler in einer Wohnung in viel kürzeren Abständen funken (Qundis) oder viermal im Monat während 10 Stunden am Tag quasi dauergefunkt wird (ISTA). Der Fehler liegt im System - die Hersteller dürfen das, die Standardisierungen lassen es zu und leider hat anscheinend kein Verantwortlicher bei diesen Firmen hierfür einen Blick. Das wiederum liegt wohl im wesentlich daran, dass über die Thematik Funk und dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt von den verantwortlichen Ministerien gezielt desinformiert wird. Es wäre so einfach, hier ein funktechnisch akzeptabels System umzusetzen und Minol ist dicht dran, versagt aber auf den letzten Metern.*

Kompakt: Ist man verpflichtet, den Einbau von digitalen Zählern zu akzeptieren? Kann man gegen den Einbau juristisch vorgehen?

Jörn Gutbier: Im Bereich der Kaltwasserzähler diskutieren wir ja gleiches. Hier agiert in der Regel ein lokaler Monopolist - der Wasserversorger, und kann vorschreiben, welche Art von Zähler er benutzt. In der juristischen Auseinandersetzung stehen wir aktuell an dem Punkt, dass Landesgerichte Klagen gegen der Dauerfunkerei dieser Geräte, auch aus datenschutzrechtlichen Gründen, ablehnend gegenüberstehen. Gerichte gewichten hier das Scheinargument des Verbraucherschutzes im Sinne der Sicherheit der Wasserversorgung höher und den Klagen wird nicht stattgegeben. Mit den dauernd funkenden Zählern aus allen Haushalten solle es vermeintlich möglich sein, im Bedarfsfall schneller Leckagen im Wasserversorgungssystem finden zu können. In der Praxis spielt dabei aber der Endverbraucher Haushalt faktisch keine Rolle. Im Fall der Verbrauchszähler in den Wohnungen ist dieser juristische Weg noch nicht beschritten worden. Klar ist nur, dass der Vermieter über die Wahl des Systemanbieters entscheidet. Ob diese Systeme dann aber datenschutzkonform aufgebaut sind, darüber ist noch nicht abschließend geurteilt worden.

Kompakt: Kann man Bedingungen stellen, z.B. dass der Zähler nur einmal im Monat zur Abrechnung an die Sammelstelle sendet?

Jörn Gutbier: Wir meinen, dass eine Datenübertragung häufiger als für die abrechnungsrelevanten Zwecke - das heißt also maximal einmal im Monat - nicht vereinbar ist mit der geltenden Datenschutzgrundverordnung. Im Sinne der Interessen der Vermieter ist aber noch nachvollziehbar, die Datenübertragung auf zweimal im Monat zu erhöhen, also am 1. und am 15., um damit jeden Mieterwechsel problemlos abdecken zu können.  Im Fall der Kaltwasserzähler - wovon es immer nur einem pro Haus gibt - reagieren nicht wenige Wasserversorger auf den Widerstand der Endkunden gegen diese quasi Dauerfunker (Sendeintervalle bei 10, 16 oder alle 240 Sekunden) insoweit vernünftig, dass sie auf solche Kunden Rücksicht nehmen und hier funkfreie Zähler einbauen, um die angedrohte juristische Auseinandersetzung erst gar nicht gehen zu müssen.

Kompakt: Und wie ist es bei einem Rauchwarnmelder?

Jörn Gutbier: Es gibt keinen gesetzlichen oder verordnungsrechtlichen Zwang zu funkvernetzten Rauchwarnmeldern. Grundsätzlich entscheidet der Vermieter über das System. Mit den funkvernetzten Rauchmeldern besteht die Möglichkeit, dass die vorgeschriebenen jährlichen Funktionstests, die früher händisch und über Inaugenscheinnahme der Geräte vor Ort stattfanden, heute über Funk erfolgen können. Dabei wird die Funktionsfähigkeit der Geräte über ein Funksignal übermittelt und muss protokolliert werden. Die meisten Geräte am Markt verwenden Funkintervalle von täglich, stündlich bis hin zu alle paar Minuten. Ausreichend wären auch hier Monatsintervalle. Wer weiterhin analoge Rauchwarnmelder oder nur monatlich sendende Geräte haben will, sollte dies rechtzeitig mit seinem Vermieter, der Hausverwaltung, bzw. seiner Wohneigentümergemeinschaft abstimmen. Leider sind uns aktuell keine funkvernetzten Rauchwarnmelder am Markt bekannt, die nur einmal monatlich senden. Aber funkfreie Geräte gibt es sehr wohl noch. Hier kann z.B. mit dem Eigentümer vereinbart werden, selbst über einen zertifizierten Fachbetrieb (i.d.R. ein Elektriker) die Überprüfungen vornehmen zu lassen und das entsprechende Protokoll dann zur Verfügung zu stellen.

Kompakt: Nochmals zusammengefasst: Ein Brief flattert ins Haus, mit der Ankündigung, in vier Wochen wird umgerüstet, was mache ich dann?

Jörn Gutbier: Legen Sie Widerspruch ein und stellen Sie Bedingungen, z.B. dass nur einmal im Monat sowohl vom Ablesegerät als auch vom Gateway (Sammler) gesendet wird. Beziehen Sie dazu den Datenschutzbeauftragten des Landes mit ein und fordern Unterstützung. Je mehr Kunden dies hartnäckig tun, desto größer ist die Chance, dass die Hersteller und Systemanbieter endlich funkarme und datenschutzkonforme Systeme anbieten. Es müssen nur sehr viel mehr Vermieter, Hausverwaltungen und Wohneigentümer(gemeinschaften) danach verlangen. Wehren Sie sich auch öffentlich wahrnehmbar z.B. über Lesebriefe gegen diesen Unsinn. Es ist einerseits technisch und organisatorisch gar nicht erforderlich, dass hier das ganze Jahr über die persönlichen sensiblen Verbrauchszähler Daten in die Welt gefunkt werden und andererseits geht es um Ihre persönlichen Daten, die nur zu abrechnungsrelevanten Zwecken überhaupt erhoben, gespeichert und versandt werden dürfen. Und wenn das bei jemanden noch kein Thema ist, sollte er/sie sich proaktiv um diese Angelegenheit kümmern und nicht erst warten, bis die Monteure vor der Tür stehen. Das kann allen Beteiligten sehr viel Stress ersparen.

Kompakt: Lieber Jörn, danke für diese Auskünfte, die vielen Mietern und Vermietern hoffentlich weiterhelfen werden.

 

Ein Übersichtsartikel zu den verschiedenen Verbrauchszähler-Systemen:

Weitere Auskünfte, auch zu Detailfragen finden Sie auf:

* Das Gateway der Firma Zenner/Minol lässt sich auch an ein LAN-Netzwerk anschließen. Die Steckerbuchse dafür ist vorhanden und laut Datenblatt wechselt das Gerät automatisch von Mobilfunk auf Ethernet (falls verfügbar). Ob dann die quasi Dauerfunkerrei aufhört, ist uns soweit nicht bekannt.

 

Artikel veröffentlicht:
05.02.2024
Autor:
diagnose:funk
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