SÖS-Newsletter: Die vierfache KiTastrophe in Stuttgart

Stuttgart Ökologisch Sozial lehnt Tablets für Kitas ab
Mit der "Digitalen Bildung", 2017 als Reform von der Bundesregierung beschlossen, wollte sich die Industrie das Geschäftsfeld Schule erschließen. Mit den Tablets kam WLAN an die Kindertagesstätten und Schulen, und damit eine zweifache Gefährdung der Kinder, durch die psycho-sozialen Schädigungen durch die Bildschirmnutzung und die Strahlenbelastung durch die digitalen Geräte. Um die Kinder davor zu schützen, braucht es die Debatte vor Ort, in den Kommunen. Beispielhaft ist die Auseinandersetzung, die die Mobilfunkbürgerinitiative zusammen mit dem parteifreien Bündnis Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) im Stuttgarter Gemeinderat führt, wie auch öffentlich im SÖS-Newsletter vom 20.2.2024.
Bild: Alexandr Prodvalny-unsplash

Liebe FreundInnen eines sozialen und ökologischen Stuttgarts,

Tausende Eltern warten auf einen Kita-Platz in Stuttgart. Aber nicht nur das. Die Stadt Stuttgart will die pädagogische Orientierung in den KiTas ändern, mit einem medienpädagogischen Konzept, das in eine zweite Katastrophe mit Ansage führen wird. Es sieht vor, dass Tablet PCs als Lehr- und Spielgeräte in städtischen Kitas eingeführt werden sollen. Ein Gutachten bekannter Experten an die Stadt kritisiert dies heftig, unsere Gemeinderatsfraktion hat eine kritische Anfrage gestellt.

Der Pisa-Schock sitzt tief - Ursache in der Vorschulerziehung

Die Grundfertigkeiten wie Zuhören, Rechnen, Lesen, Schreiben beherrschen immer weniger Kinder. Die Ergebnisse der jüngsten Pisa-Studie sind für das deutsche Bildungssystem, vor allem aber für die Zukunft der jungen Menschen verheerend. Die Medien berichten jetzt auch zunehmend über die Rolle der Digitalisierung dabei: „Nach Pisa-Schock. Schul-Debatte in NRW – „Tablets im Unterricht machen Kinder dümmer““ (Kölner Stadt-Anzeiger, 26.01.24). „Immer mehr Kindern fehlen die Worte. Ein Grund ist, dass Kinder mehr Zeit an Bildschirmen verbringen!“ (Stuttgarter Zeitung, 26.01.24). Der Berliner Tagesspiegel titelt ganzseitig: „Soziale Medien. Verkümmern die Gehirne unserer Kinder?“ (15.02.24). Die Antwort der Neurobiologin: Ja,das Stirnhirn verändere sich strukturell, negativ. Die Defizite würden schon vor der Schule verursacht.

Und jetzt trotzdem noch Tablets an Stuttgarter Kitas und in die Grundschulen?! Es geht um die Frage: Ist das gut für die soziale Entwicklung, das Denken und Lernen?

Ja, sagt die Stadt Stuttgart und hat 30 Millionen Euro für die Digitalisierung von Erziehungseinrichtungen bereitgestellt.

Nein, sagen deutsche Fachverbände, weil sich die Smartphone- und Tabletnutzung negativ auf das sich entwickelnde Kind auswirkt. Die neue Leitlinie Bildschirmmedien, herausgegeben von 11 deutschen Fachverbänden, u.a. der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), warnt vor den Folgen. Das medizinische und psychische Schädigungspotential einer „dysregulierten Nutzung von Bildschirmmedien für Kinder und Jugendliche“ sei enorm. Die Leitlinie wertet die Begleitforschung aus und analysiert als Hauptrisiken: Übergewicht, Schlafstörungen, Augenerkrankungen, Entwicklungsstörungen, Bindungsstörungen, Verhaltensstörungen, Internetsucht, Mobbing und sexuelle Belästigung, Glücksspiel, Strahlungsbelastung sowie prä- und postnatale Auswirkungen der Nutzung während der Schwangerschaft.

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Seventyfour AdobeStock

Herzliche Einladung zur Veranstaltung

Smartphone: Spielzeug, Schul-, Lern-und Lebensbegleiter. Verdeckt die Faszination die Risiken?

Vortrag und Gespräch mit Peter Hensinger, M.A., Pädagoge und Matthias von Hermann, M.A., Elternbeirat

Montag 26.2.2014. 19.30 Uhr, Forum 3, Gymnasiumstraße 21, 70173 Stuttgart

>>> Vortrag und PPT-Folien stehen unter Downloads zum Herunterladen!

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40 Medienexperten fordern Stopp der Digitalisierung an Schulen, denn „Smartphones machen Schüler dümmer.“ Bild: DAK-istock

Nein sagen Staaten, die schon vor 10 Jahren digitalisierten, wie Schweden, Finnland, die Niederlande und Dänemark. Sie machen die Digitalisierung der Vor- und Grundschulen rückgängig. In Dänemark, wo über 70% der KiTas digitalisiert sind, entschuldigte sich der sozialdemokratische Bildungsminister Mattias Tesfaye, man habe mit der Digitalisierung den Kindern massiv geschadet. Man habe sie zu "Versuchskaninchen in einem digitalen Experiment" gemacht, "dessen Ausmaß und Folgen wir nicht überblicken können". Das Klassenzimmer sei nun mal keine "Erweiterung des Jugendzimmers, in dem gestreamt, gespielt und geshoppt wird". Die Schulen hätten sich den großen Tech-Konzernen zu lange unterworfen, man sei als Gesellschaft zu "verliebt" gewesen in die Wunder der Digitalwelt.““ Die Schulen müssten "das Klassenzimmer als Bildungsraum zurückerobern".

Doris Hensinger, Bild:Privat

Der neue Pisa-Schock  – Ergebnis bildungspolitischer Ignoranz

Zu dieser Problematik schrieb SÖS-Gemeinderatskandidatin Doris Hensinger, 34 Jahre Lehrerin am Wagenburg-Gymnasium, einen Leserbrief an die Stuttgarter Zeitung, der am 18.12.2023 abgedruckt wurde:

Nach 34 Jahren Berufspraxis als Lehrerin kann ich sagen: die Pisa-Ergebnisse, das Abstürzen der Lernleistungen, sind eine hausgemachte Katastrophe. Die für die Intelligenzentwicklung entscheidenden Fächer wie Deutsch, Sport, Kunst und Musik wurden reduziert. Die Schule, wie sie heute aufgestellt ist, kann nicht mehr kompensieren, was Schüler heute an deutlich mehr Defiziten als früher mitbringen. Der renommierte Schulpädagoge Prof. Klaus Zierer (Hattie-Studie) schlussfolgert in seiner Metastudie:

  • „Je länger sich Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeit mit ihren Smartphones beschäftigen und je mehr Zeit sie in sozialen Medien verbringen, desto geringer ist die schulische Lernleistung.“

Mit der Smartphonenutzung kamen Bewegungsarmut und Stubenhockerei, Vorlesen durch die Eltern und eigenes Lesen gingen zurück, das miteinander Sprechen wird bei vielen ersetzt durch virtuelle Facebook-, Instagram- und WhatsApp-Kommunikation. Pisa 2023 zeigt das Ergebnis. 40 Experten fordern in einem Moratorium den Stopp der Digitalisierung. Denn Kern der Pädagogik ist die motivierende Lehrer-Schüler-Beziehung, nicht der von Algorithmen gesteuerte Frontalunterricht in Potenz: die Bildschirm-Schüler-Beziehung, von der nur die IT-Konzerne profitieren.“ (Ende Leserbrief)

K K K - Krabeln, Klettern, Kommunizieren - brauchen Kinder, um gesund aufzuwachsen!Bild: Anna Samoylova-unsplash

Städtische Kurskorrektur notwendig

Die Tablet-Einführung darf nicht als Kompensation des ErzieherInnen- und LehrerInnenmangels herhalten. Die Stadt Stuttgart muss auf die pädagogische Wissenschaft hören. Im Gutachten von fünf Experten an die Stadt werden Alternativen vorgeschlagen, wie Kinder heute die Grundfertigkeiten in der Sinnesentwicklung und den Grundkompetenzen entwickeln, damit sie nicht vom Smartphone und den Tech-Konzernen abhängig werden und in der digitalisierten Welt selbstbestimmt leben können.

Zu wenig KiTaplätze, eine falsche pädagogische Ausrichtung, damit nicht genug. Im verabschiedeten Haushalt beschloss das sogenannte Haushaltsbündnis (Grüne, SPD, PULS) zum Dritten, dass die Großstadtzulage für ErzieherInnen von 150 Euro verrechnet wird und sie nur 50 Euro davon bekommen. Zum Vierten wurden die Zuschüsse für Spielplätze auch noch zusammengekürzt. Aber 30 Millionen für die Digitalisierung und Tablets sind da! Was diese Stadtverwaltung und Gemeinderatsmehrheit Eltern und Kindern zumutet, ist nicht akzeptabel. SÖS und unsere FrAKTION im Gemeinderat haben ALTERNATIVEN VORGESCHLAGEN!

Ein komplexes Thema, weitere Informationen dazu:

Stuttgart: Gemeinderatsfraktion stellt Kita-Digitalisierung in Frage:

https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail&newsid=2018

>>> Zum Download des Gutachtens an das Stuttgarter Jugendamt

Dänemark macht Digitale Bildung rückgängig - Minister entschuldigt sich für gescheitertes Experiment „Wir haben uns zu lange den großen Tech-Konzernen unterworfen!“:

https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail&newsid=2052

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Aus dem Programm von SÖS zur Bildung:

Als Fundament für eine gesunde, geistige, emotionale und körperliche Entwicklung unserer Kinder fordern wir analoge Angebote wie z. B. Naturerfahrungen, Sprechen und Sprachförderung, Zeichnen, Handschrift, Musik, Singen, Theater-und Rollenspiele, Sport und Bewegungsspiele.

Praktische Medienarbeit in Kitas und Schulen muss umfassend und kindgerecht sein. Der übermäßige Konsum von digitalen Endgeräten wie Tablets und Handys ist für die kindliche Entwicklung schädlich. Deswegen ist deren Einsatz bereits in Kitas nicht empfehlenswert. Die Ersetzung von Erzieher*innen durch Lernroboter lehnen wir ab, ebenso wie Fernunterricht, um Lehrerpersonal einzusparen. Die persönliche Lehrer-Schüler-Beziehung und der soziale Klassenverbund sind Fundamente guter Erziehung.

In der Grundschule sollten digitale Medien nur eine untergeordnete Rolle spielen. Statt breitem Einsatz digitaler Endgeräte als Lehrmittel fordern wir den Aufbau eines breiten Aufklärungsangebots über deren Nutzen und Risiken für Eltern. Statt jährlich zweistellige Millionenbeträge in die Wiederbeschaffung digitaler Endgeräte zu stecken, fordern wir, dass unsere Schulen endlich saniert und mit Proberäumen, Werkstätten und Sportstätten ausgestattet werden.

Ausführlich auf https://s-oe-s.de/positionen/bildung/

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