Schäden an Bienenvölkern

Fallbericht u. Umfrage von Dr. Ferdinand Ruzicka
Der österreichische Universitätsdozent und Imker Dr. Ferdinand Ruzicka betreibt seit vielen Jahren Imkerei.

BERICHT

Seit vielen Jahren betreibe ich zuerst in Wien und dann in Engelhartstetten Imkerei. Für Imker habe ich zahlreiche Kurse über Bienenpathologie abgehalten. Seit einigen Jahren habe ich selbst Probleme mit meinen Bienenvölkern, die ich nicht auf eine Krankheit oder eine Vergiftung durch Spritzmittel zurückführen konnte. Imidacloprid und Fipronil sind nicht Ursache dieses Bienensterbens (Maus, Chr., Curé, G., Schmuck, R., 2003.- Safety of imidacloprid seed dressings to honey bees: a comprehensive overview and compilation of the current state of knowledge.- Bulletin of Insectology 56 (1): 51-57.) Die Probleme sind erst aufgetaucht seit in unmittelbarer Umgebung meines Bienenstandes mehrere Sendeanlagen errichtet wurden, wie die Abbildungen zeigen. Dazu wurde ich vor deren Aufstellung als Anrainer nicht befragt.

Bei meinen Bienenvölkern (anfangs ca. 40 Stück) waren eine starke Unruhe und ein stark erhöhter Schwarmtrieb zu beobachten. Als Magazinimker benutze ich einen sogenannten hohen Boden, die Bienen haben in diesem Raum Waben nicht in Fortsetzung der vorgegeben Rähmchen, sondern kreuz und quer dazu weitergebaut.

Es kam zu unerklärlichen Zusammenbrüchen von Bienenvölkern im Sommer.

Im Winter konnte ich beobachten, dass die Bienen trotz Schnee und Minusgraden ausflogen und neben der Beute erfroren. Völker die dieses Verhalten zeigten sind zusammengebrochen, obwohl sie vor der Einwinterung starke, gesunde, weiselrichtige Völker waren.Sie waren ausreichend eingefüttert und auch das Pollenangebot im Herbst war mehr als ausreichend gewesen.

Interessant waren die Reaktionen meines Artikels in der „Bienenwelt“ und meiner Umfrage im „Bienenvater“ . Die Frage nach einem Mobilfunksender wurde von 100% positiv beantwortet. Die Frage nach einer erhöhten Aggressivität wurde von 37,5% positiv beantwortet. Die Frage nach der erhöhten Schwarmneigung wurde von 25% positiv beantwortet und die letzte Frage aber nach unerklärlichen Völkerzusammenbrüchen wurde von 62,5% positiv beantwortet.

„Seit 37 Jahren habe ich Bienen. Vor 5 Jahren (1998) hat mein Nachbar wegen seiner Schulden einen Sendemast errichten lassen. Unser Schlafzimmer ist 50m entfernt. Im Mai 2002 starb meine Frau plötzlich an Herzrhythmusstörungen. Im selben Jahr versuchte ich vergeblich Ableger zu machen. 2003 habe ich alle Völker verloren.“ K.Z. aus Linz,Oktober 2003

In wissenschaftlich durchgeführten Tierversuchen von Altmann und Warnke (1971 bis 1976) wurde der Beweis erbracht, dass niederfrequente elektromagnetische Felder von 50Hz völlig anomale Reaktionen bei Bienen verursachen. Bringt man Bienenvölker in die Nähe von Hochspannungsleitungen, reagieren die Bienen klar gegen ihren sonstigen Instinkt. Sie werden scheinbar grundlos aggressiv und richten ihre Stacheln gegeneinander. Die letzten Überlebenden fallen sogar über ihre eigene Königin her und töten sie.

Prof.Stever von der Universität Koblenz schrieb mir:" Ihren Artikel über Schäden durch Elektrosmog habe ich mit großer Aufmerksamkeit gelesen. Seit einigen Jahren arbeiten Dr.Kuhn (Physiker) und ich an dieser Problematik mit Bienen und haben zu meiner formalwissenschaftlichen Theorie entsprechende explorative Studien durchgeführt.Großangelegte Feldstudien durchzuführen ist uns leider nicht möglich."

Kuhn, J. und H.Stever, 2001 kommen an Hand eines praktischen Versuchs mit gepulsten Mikrowellen zum Schluss: "In einem völlig feldfreien Raum sind (sowohl schädigende als auch evtl. heilende) Wirkungen elektromagnetischer Felder auf deren Umwelt ausgeschlossen. Ziel muss es also sein, einen Raum zu schaffen, in dem das HF-Feld nicht eindringt." Bienen fliegen bei der Nektar-und Pollenernte kilometerweit durch die von den Basisstationen des Mobilfunks bestrahlten Gebiete, auch durch "hot spots", die infolge von Reflexionen und Interferenzen auftreten. Dafür einen strahlungsarmen Raum zu schaffen wäre nur mittels Abschaltung der Basisstationen möglich. Eine Abschirmung der Beuten allein ist zuwenig und schützt lediglich die Brut vor teratogenen Schäden. Die Untersuchung ( Kuhn,J. und H.Stever, 2002) von zwei Völkern die mit einem CB-Funkgerät mit 27Mz und 4W aus unmittelbarer Nähe bestrahlt wurden, ergaben eine höhere Agilität, einen erhöhten Schwarmtrieb und fehlende Wintertraubenbildung. Die Autoren leiten daraus keine negativen Auswirkungen ab. Diese Versuchsanordnung stellt unserer Meinung nach allerdings keine wissenschaftliche Aussage über den Einfluß von gepulsten Mikrowellenfeldern von GSM Basisstionen mit 900MHz und 1800Mhz dar.

Leider kann zum jetzigen Zeitpunkt nach der flächendeckenden Einführung des Mobilfunks mit gepulsten Mikrowellen eine wissenschaftliche Doppel-Blind-Studie nicht mehr durchgeführt werden, es fehlt schlicht die Kontrolle. Die natürliche HF-Strahlung weist eine Leistungsflussdichte von nur 0,000 001µW/m⊃2; auf. Dieser Wert wird überall im Flugbereich der Honigbienen weit überschritten und ist in der Nähe von Sendeanlagen noch um mehrere Zehnerpotenzen höher. Es ist zu hoffen, dass sich die Bienen bald genetisch an die neue Situation anpassen, denn ein Zusammenhang von Völkerverlusten und der Mobilfunktechnik ist sehr wahrscheinlich.

Einen Einfluß könnten unter anderem die im Hinterleib der Honigbiene vorhandenen Magnetosomen haben. Diese gibt es in Bakterien und dienen diesen zur Orientierung im Erdmagnetfeld. Auch bei Fischen, Vögeln und im menschlichen Gehirn wurden derartige Magnetitkristalle nachgewiesen.

Die Sinnesorgane der Honigbienen sind hochentwickelt. Die Honigbienen vermögen es Farben zu sehen. Im Gegensatz zum Menschen hat sich das Spektrum bei ihnen allerdings in Richtung Ultraviolett verschoben. Das bedeutet, sie sehen rot wie schwarz, sind aber in der Lage Ultraviolettlicht zu sehen. Ebenfalls sehr hoch entwickelt ist bei der Honigbiene der Geruchssinn. Darüber hinaus hat sie ein sehr gutes Ortsgedächtnis und die Fähigkeit ihren Stockgenossinnen mit Hilfe der Bienesprache die Lage, Entfernung und Art einer ergiebigen Futterquelle mitzuteilen. Wenn sich die Nahrungsquelle innerhalb eines Umkreises von 80-100m befindet, wird von der Biene ein Rundtanz getanzt. Bei einer weiteren Entfernung der Futterquelle geben die Bienen mithilfe eines Schwänzeltanzes Auskunft. Beim Schwänzeltanz tanzt die heimkehrende Trachtbiene zunächst eine gerade Strecke, dann tanzt sie nach links. Danach folgt wieder eine gerade Strecke und dann tanzt die Trachtbiene nach rechts. Die Entfernung der Futterquelle wird durch die Anzahl der Ausschläge mit dem Hinterleib auf der geraden Strecke angegeben. Dies nennt man Schwänzeln.

Die Duftstoffe, die der Trachtbiene anhaften geben den anderen Bienen Auskunft über die zu beschaffende Nahrung und die anzufliegende Pflanzenart. Die neuesten Untersuchungen an Bienen zeigen, dass diese wahrscheinlich hinten im Hinterleib eine magnetisch beeinflussbare „Region“ besitzen, die Magnetit enthält, sogenannte Magnetosomen. Auf diese Weise können die ausgeflogenen Trachtbienen unter Einfluss des Erdmagnetfeldes nach dem Sonnenstand den Winkel zu den Trachtquellen ermitteln und den Winkel auf die senkrechte Wabenfläche übertragen. Bei Magnetit handelt es sich um ein schwarzes, metallisch glänzendes, undurchsichtiges Mineral mit der Formel Fe3O4. Die Kristalle werden von Magneten angezogen.

EMF veranlassen infolge ihrer zeitlichen und räumlichen Kohärenz , trotz zu geringer Energie und Intensität für eine direkte Zellschädigung das zelluläre Warnsystem darauf zu reagieren. In Selbstverteidigung werden eine Vielzahl biologischer Effekte im Zellstoffwechsel aktiviert.Diese schließen eine Änderung der Aktivitäten von Genen, Hormonen, Enzymen und Proteinen ein, die alle die Zelle in eine Stresssituation führen, um die Zelle gegen Umgebungseinflüsse zu schützen. Der Notfallmechanismus ist für den Fall einer kurzen Exposition gut und schützend. Wiederholt sich aber die Exposition über eine längere Periode, was im allgemeinen bei EMF der Fall ist, kommt es zu einer dauerhaften Alarmsituation. Das kann zu einer Erschöpfung des zellulären Repairsystems führen, eine Situation die am Ende die Produktion einiger der wichtigsten Repairenzyme und Stressproteine unterdrückt und dabei die Fähigkeit dieser Funktionen verringert.Ist aber die Stressproteinproduktion durch die wiederholte Exposition durch ein EMF Feld zu stark erschöpft wird dieser Prozess nicht aktiviert und die Moleküle bleiben unrepariert.Dieses plausible biologische Wirkmodell auf physikalisch - molekularbiologischer Basis, das von mehr als 70 wissenschaftlichen Arbeiten gestützt wird, beschreibe ich näher in meinem online-Artikel Macht Elektrosmog krank? Darüber besteht ein wachsender Konsens in der wissenschaftlichen Gemeinschaft.

Stever et al. haben 2005 in einer Pilotstudie Verhaltensänderungen unter elektromagnetischer Exposition festgestellt. Mehrere Völker Apis mellifera carnica wurden der Strahlung einer DECT Basisstation ( 1880 – 1900 MHz, 250 mW EIRP, gepulst mit 100 Hz, Reichweite 50 m) kontinuierlich ausgesetzt, vergleichbare Völker wurden als Kontrollgruppe am selben Standort untersucht. Für beide Gruppen wurden die Parameter Baufläche, Wabengewicht und Rückkehrverhalten erhoben. Bezogen auf das Rückkehrverhalten war die Anzahl der zurückkehrenden Bienen aus unbestrahlten Völkern deutlich höher, zum anderen war die Rückkehrzeit der wenigen zurückkehrenden Bienen aus bestrahlten Völkern deutlich länger. Zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung kamen mehr als sechs bestrahlte Bienen im Beobachtungszeitraum zurück, mehrfach sogar keine, während bei den unbestrahlten Bienen zu jedem Untersuchungszeitpunkt zurückkehrende Bienen beobachtet werden konnten.

Literatur

Altmann G., Warnke, U.:Einfluß unipolar geladener Luftionen auf die motorische Aktivität der Honigbienen; Apidologie 2 (4), 309-17 (1971).

Altmann G., Warnke, U.:Der Stoffwechsel von Bienen (Apis mellifica L. ) im 50 Hz-Hochspannungsfeld; Zeitschrift für angewandte Entomologie 80 (3), 267-71 (1976).

Balmori, A. : Efectos de las radiaciones electromagnéticas de la telefonia móvil sobre insectos. Ecosistemas, 2006/1, 1-11

Kuhn,J. und H.Stever: Handy-Boom: eine Gefahr für die Imkerei? ADIZ/db/IF 2/2001

Kuhn,J. und H.Stever: Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf Bienenvölker. Deutsches Bienen Journal,4/2002, 19-22

Ruzicka,F.: Schäden durch Elektrosmog. Bienenwelt, 10/2003, 34-35

Stever, H. und J.Kuhn:Elektromagnetische Exposition als Einflussfaktor für Lernprozesse - Ein Einwirkungsmodell der Bildungsinformatik mit Bienen als Bioindikatoren. 15.Intern.Conf. Systems Res., Inform.,Cybern. 28.Juli 2003 in Baden-Baden

Warnke, U.: Neue Ergebnisse der Elektrophysiologie der Bienen; Apidologie 4 (2), 150 (1973).

Warnke, U.: Physikalisch-physiologische Grundlagen zur luftelektrisch bedingten "Wetterfühligkeit" der Honigbiene; Diss., Universität des Saarlandes (1973).

Warnke, U., Paul R.: Bienen unter Hochspannung; Umschau 75 (13), 416 (1976).

Warnke, U.:Die Wirkung von Hochspannungsfeldern auf das Verhalten von Bienensozietäten; Zeitschrift für angewandte Entomologie 82 (1), 88 (1976).



Univ.-Doz. Dr. Ferdinand Ruzicka

Habilitiert für „Medizinische Physik mit besonderer Berücksichtigung der Zytophysik“ (cytophysics) an der Medizinischen Universität Wien

 

Artikel veröffentlicht:
08.03.2006
Autor:
Univ.-Doz. Dr. Ferdinand Ruzicka
Quelle:
Veröffentlicht auf diagnose:funk mit freundlicher Genehmigung des Autoren.

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