Systemfehler in der Gesundheits-Vorsorge-Politik

Das für über 1000 sistierte Antennen-Baugesuche entscheidende Bundesgerichtsurteil "Steffisburg" wurde endlich gefällt – mit gerademal 3 Erwägungen zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkantennen (5.5. bis 5.7.). Erwägungen zur Gesundheitsvorsorge fehlen gänzlich. Doch wer ist eigentlich zuständig für eine Senkung der Grenzwerte, tatsächlich das Bundesgericht?

Bild: Martin Zahmd

Die Mobilfunkgrenzwerte stammen aus der Feder von der ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection). Bei Einführung der NISV (Verordnung über den Schutz vor
nichtionisierender Strahlung) im Jahr 1999 dachte man noch, die ICNIRP sei eine Abteilung der UNO, da sie ihr Büro im UNO-Gebäude in Genf hatte. Als im Jahr 2001 aufgedeckt wurde, das diese Organisation ein privater Verein ist, dem hauptsächlich Vertreter der Mobilfunk-Lobby angehören, musste der Verein sein Büro im UNO Gebäude verlassen. Heute ist sein Sitz im
gleichen Gebäude wie der Deutsche Strahlenschutz (Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)), welcher der NIS Abteilung des BAFU entspricht und mit Frau Gunde Ziegelberger auch eine gemeinsame Sekretärin führt.

Dass die Mobilfunkgrenzwerte durch die Betreiber bestimmt werden, sieht man klar an den erst
neulich gesprochenen Änderungen der NISV, die einer Grenzwerterhöhung entsprechen. Dies
obwohl Frau Bundesrätin Sommaruga mehrfach versicherte, es werde keine Erhöhung der
Grenzwerte geben, auch nicht durch die Hintertür.

Demgegenüber hätte der Bundesrat gemäss Umweltschutzgesetz den klaren Auftrag, schädliche
oder lästige Einwirkungen wie Mobilfunkstrahlung zu begrenzen:
In der jüngsten Umfrage aus dem Jahr 2020 der ETH Zürich gaben 10,6% der Befragten an, sie seien elektrosensibel. Für sie ist Mobilfunkstrahlung nicht nur lästig, sondern macht sogar krank. Sollte dieses Ergebnis als Auftrag nicht genügen?

Auszug aus dem USG

Der Vorsorgeauftrag des USG wurde nach langer Zeit endlich bei Tabak und Asbest umgesetzt - die feinen Nadeln bei Asbest oder die mit Teer verklebte Lunge beim Rauchen sind jedoch im
Gegensatz zu den Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung sichtbar. So fordern nun National- und Ständeräte in Bern weitere unabhängige Studien, welche schlüssige Argumente für oder gegen eine Senkung der Grenzwerte liefern soll. Eine Meinungsbildung ohne Studien scheint nicht möglich. Offenbar sind die 10,6% mit Sicherheit Strahlungssensible nicht ausreichend, so dass der Vorsorgeartikel gemäss Umweltschutzgesetz bei Mobilfunk nicht zur Anwendung gelangt.

Das Vorgehen bei in der Schweiz durchgeführten Studien ist jedoch seit den NFP-57 Studien im
Jahr 2011 bekannt. Ein Komitee legte damals gezielt fest, nur einen Teil der Studien zu präsentieren. Die restlichen Ergebnisse der Studien sind bis heute nicht einsehbar, Studien, welche mit Steuergeldern finanziert wurden!
Dabei wurde das Vorgehen von Lobbys vom Schweizer Fernsehen hinlänglich dokumentiert in der Sendung Einstein zum Thema Zucker. Das Prinzip ist einfach: Unerwünschte Studien werden anhand von Gegenstudien als unseriös dargestellt. Zuletzt wird noch der Studienleiter diskreditiert. Gleiches geschah im Mobilfunk beispielsweise bei der Reflexstudie und der Diskreditierung von Prof. Adlkofer in Deutschland. Er musste eine Stiftung gründen, um weiter forschen zu können. Oder in der Schweiz, als Prof. Hässig den Zusammenhang zwischen einer Mobilfunkantenne und 30% blinden Kälbern feststellte. Für eine Vertiefung der Erkenntnisse wurden ihm einfach keine Gelder mehr zugesprochen.

Wenn sowohl Politik als auch Behörden das Vorsorgeprinzip des Umweltschutzgesetzes beim
Mobilfunk ausser Acht lassen und auch die Gerichte ihm keine Achtung verschaffen - wo bleibt da die Vorsorge?

                Schädlichkeitsbeweis statt Vorsorge – ein Systemfehler!

Die Mobilfunkbetreiber können ungehindert ihre Antennenparks ausbauen und erhalten neue
Frequenzen zugesprochen – gesundheitliche Auswirkungen im Vorfeld müssen nicht abgeklärt
werden. Das war bei 2G bis 5G so und wird voraussichtlich auch bei den zukünftigen Millimeter-Wellen so sein.
Politik wie Gerichte sehen ungerührt zu.

Artikel veröffentlicht:
19.05.2023
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