Italien: Erhöhung der Grenzwerte für die 5G-Anlagen: bereits beschlossen, kann von Land und Gemeinden gekippt werden

Verbraucherzentrale Südtirol stellt Musterbrief zu Ablehnung ins Netz / Verband der Umweltärzte schreibt Protestbrief
Verbraucherzentrale Südtirol

Bozen, 01.03.2024. Im Rahmen des neuen Gesetzes zur Regelung des Wettbewerbs hat die Regierung Meloni ein Geschenk für die Mobilfunkbetreiber versteckt: die Grenzwerte für den Mobilfunk werden erhöht, die Ausweitung von 5G kann ohne zusätzliche Anlagen erfolgen. Der Bürger und seine Umwelt, aber auch Tiere und Pflanzen sind noch mehr gefährdet.

Die Verbraucherzentrale informiert in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk der Bürgerwelle und der Vereinigung der Umweltärzte ISDE darüber, dass Ende 2023 gesetzlich vorgesehen wurde, ab dem 30. April 2024 die Grenzwerte für den Mobilfunk zu erhöhen. Seit 20 Jahren gelten in Italien die 6 Volt/Meter als Grenzwerte für eine Exposition über 4 Stunden. Anfänglich galt dies für ein Intervall von 6 Minuten, später sorgte die Regierung Monti dafür, dass statt 6 Minuten ganze 24 Studen für die Berechnung des Strahlungsdurchschnitts hergenommen wurden – bereits damals eine starke Verwässerung des gesetzlcih geregelten Strahlenschutzes.

Nun sieht ein Gesetz vor („Legge concorrenza“), dass die Messung nach wie vor auf die 24 Stunden bezogen wird, die Grenzwerte aber auf 15 Volt / Meter angehoben werden. Eine sehr starke Erhöhung, die zusammen mit den Eigenschaften der 5G-Netze dafür sorgen wird, dass jegliche Kontrollen der Strahlungsintensität der Mobilfunkanlagen ins Nichts führen werden.

Die gesetzliche Regelung sieht allerdings vor, dass bis zum Inkrattreten der neuen Regelung eine Frist von 120 Tagen gilt, d.h. am 30. April 2024, wo Gemeinden und Regionen ihre Stimme erheben können.

Aus diesem Grunde empfiehlt die Verbraucherzentrale Südtirol in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk der Bürgerwelle und der Vereinigung der Umweltärzte ISDE den eigenen Bürgermeister, bzw. den Gemeinderat anzuschreiben, damit diese bei dem gesamtstaatlichen Gemeindeverband ANCI intervenieren und ihre Bedenken bezüglich einer Erhöhung der Grenzwerte äussern.

Dazu wurde ein Schreiben vorbereitet, das einfach übernommen, unterschrieben und an die Gemeinde eingereicht werden kann. Das Schreiben steht weiter unten im Text zum Download zur Verfügung oder kann bei jeder Geschäftsstelle der Verbraucherzentrale bezogen werden.

Kontakt und Unterlagen über: infoconsum@verbraucherzentrale.it

Hier finden Sie die Mitteilung der Umweltärztevereinigung ISDE und das Schreiben:

2024 ISDE posizione aument limiti EMF.pdf

Schreiben Bürgermeister_15 VM.rtf

Quelle: https://www.consumer.bz.it/de/erhoehung-der-grenzwerte-fuer-die-5g-anlagen-bereits-beschlossen-kann-von-land-und-gemeinden

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Erklärung des Verbandes ISDE der italienischen Umweltärzte zur beabsichtigten Grenzwerterhöhung

ISDE

Parlament erhöht Expositionsgrenzwerte für elektromagnetischen Felder: ein Gefallen für ausländische Telefonbetreiber und gegen die öffentliche Gesundheit

9. Januar 2024

Unannehmbare Erhöhung. Die Regierung und die italienischen Regionen müssen die aktuellen Werte, die dem Vorsorgeprinzip entsprechen, beibehalten

Der Italienische Verband der Ärzte für die Umwelt (ISDE), der wichtigste italienische Verband von Ärzten, die sich mit den Zusammenhängen zwischen Umweltfaktoren und der menschlichen Gesundheit befassen, äußert seine Besorgnis über die Annahme des Artikels 10 der DDL Concorrenza, der die Erhöhung der Exposition gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) von 6 auf 15 V/m (Volt/Meter) vorsieht.

Die derzeitige Gesetzgebung legt die Sicherheitsschwelle auf 6 V/m fest, ein Grenzwert, der ein Kompromiss zwischen dem Vorsorgeprinzip und den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Betreiber ist (Anm.df: In Deutschland ist der Grenzwert 61 V/m). Dieser Wert erfüllt jedoch nicht völlig das Vorsorgeprinzip, insbesondere im Hinblick auf sensible Personen, wie ältere Menschen, Kranke, schwangere Mütter und Kinder, Herzschrittmacherträgern und elektrosensiblen Personen (d. h. Personen mit einer besonderen Empfindlichkeit gegenüber elektromagnetischen Feldern).

  • „Als Ärzte und Wissenschaftler möchten wir die Regierung und alle institutionellen Gremien auffordern, sich mit dem Thema zu befassen. Wir fordern institutionelle Foren und die Länder-Regionen-Konferenz auf, die derzeit geltenden Sicherheitsswerte für elektromagnetische Felder beizubehalten, d.h. 6 V/m.  Gleichzeitig fordern wir, dass die Messung dieses Wertes, die derzeit im 24-Stunden-Durchschnitt erfolgt, wieder als 6-Minuten-Durchschnitt während der Stunden mit dem stärksten Telefonverkehrs erfolgt“,

erklären Fiorella Belpoggi, Fausto Bersani und Maria Grazia Petronio, Mitglieder des wissenschaftlichen Ausschusses des ISDE, und weisen u.a. hin auf den jüngsten Bericht des EU-Ausschusses für die Zukunft der Wissenschaft und Technologie (EPRS, Forschungsdienst des Europäischen Parlaments, Referat Technikfolgenabschätzung, STOA PE 690.012- Juni 2021), der derzeit die einzige systematische Übersichtsarbeit ist:

  • „Der STOA-Bericht besagt, dass elektromagnetische Felder, die durch Funkfrequenzen erzeugt werden, wahrscheinlich krebserregend sind und wahrscheinlich schädliche Auswirkungen auf die Fortpflanzung und menschliche Entwicklung haben.“

Der Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern und dem Auftreten von Tumoren des zentralen und peripheren Nervensystems wird durch eine große Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen bestätigt. Krebspathologien sind nicht die einzigen nachteiligen Auswirkungen, die mit der Exposition gegenüber EMF in Verbindung gebracht werden. Umfassende Übersichten wurden über verschiedene gesundheitliche Auswirkungen und insbesondere über reproduktive, neurologische und metabolische Wirkungen veröffentlicht (1,2 ). Hinsichtlich der reproduktiven Aspekte erschien kürzlich eine Studie über vier Geburtskohorten, die die Auswirkung der Nutzung von Mobiltelefonen während der Schwangerschaft  bei Frauen in der mittleren Expositionskategorie in einem niedrigeren Schwangerschaftsalter beschreibt (3). 

Einige Auswirkungen auf die Spermienqualität (Fragmentierung der Spermien-DNA) wurden bei Probanden beobachtet, der Gruppe mit einer höheren Häufigkeit der Mobiltelefonbenutzung (4). Was die neurologischen Auswirkungen anbelangt, so wurden Verhaltensprobleme und die Konzentrationsfähigkeit bei Jugendlichen im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber EMF-RF durch die Nutzung von Mobiltelefonen und anderen drahtlosen Geräten untersucht; eine Studie von 2016 fand keine Zusammenhang (5), während eine andere Studie feststellte, dass Kinder, die in Gebieten mit hoher EMF-RF-Belastung leben, möglicherweise nachteilige Auswirkungen haben können (6).

Andere Studien deuten auf Auswirkungen psychiatrischer Natur hin, wie Depressionen oder Schlafstörungen durch exzessive Handynutzung bei Jugendlichen (7) und das  Risiko von neurologischen Auswirkungen sowie Sucht- und Verhaltensproblemen bei Kindern und Jugendlichen. Die Gefahr von Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen ist alarmierend und gibt Anlass zu Besorgnis (9).

Das ISDE hatte bereits in einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass es dass keinen technischen Grund gibt, die Umweltgrenzwerte von HF-EMF für die Bevölkerung zu erhöhen.

Der Wirtschaftsbericht  “Legge annuale per il mercato e la concorrenza 2022” ist widersprüchlich. Einerseits enthält  er den Vorschlag, die Grenzwerte zu erhöhen, andererseits aber auch den Verweis auf ein Dokument  des Ministeriums für Umwelt und Energiesicherheit aus dem Jahr 2019, dass "...es derzeit nicht notwendig ist, die derzeitigen Emissionsgrenzwerte anzuheben". In Anbetracht der Tatsache, dass alle in Italien tätigen Telefongesellschaften aus dem Ausland stammen, gibt es nicht einmal eine günstige wirtschaftliche Rendite für den Staat, sondern gefährdet die Gesundheit der italienischen Bürger.

  • "Wir möchten laut und deutlich wiederholen, dass es kein Hindernis für die Technologieentwicklung von 5G durch den bisher geltenden Sicherheitswert von 6 V/m gibt, und die Anhebung der Grenzwerte in Italien für die Nutzer keine Notwendigkeit darstellt",

erklären Belpoggi, Bersani und Petronio weiter -

  • "das führe lediglich zu starken wirtschaftlichen Einsparungen für die Unternehmen. Das ist die Realität: Gesundheit steht nicht an erster Stelle, sondern kommt zuletzt! Wir sind vielmehr besorgt über das Gesundheitsrisiko, das die Anhebung der Grenzwerte und damit der Expositionen mit sich bringt. Wir bekräftigen schließlich, dass aus Sicht des Gesundheitsrisikos derzeit niemand in der Lage ist, einen Grenzwert anzugeben, unter dem mit Sicherheit kein Risiko besteht. Selbst kleine Risiken können zu einem großen Problem für die öffentliche Gesundheit werden, denn die Betroffenen sind Millionen von Menschen in Italien und Milliarden von Menschen weltweit. Es ist notwendig und vernünftig, für den "niedrigstmöglichen" Grenzwert (den bestehenden Grenzwert von 6 V/m) in technologische Lösungen zu investieren, die niedrige Emissionen garantieren, und auch in Studien und in die Überwachung ihrer Einhaltung."

Referenzen

  • Di Ciaula A. Towards 5G communication systems: Are there healimplications? Int J Hyg Environ Health. 2018 Apr;221(3):367-375.
  • Russell CL.5 G wireless telecommunications expansion: Public health andenvironmental implications. Environ Res. 2018 Aug; 165:484-495.
  • Tsarna E, Reedijk M, Birks LE et al. Associations of Maternal Cell-Phone UseDuring Pregnancy With Pregnancy Duration and Fetal Growth in 4 BirthCohorts. Am J Epidemiol 2019;188(7):1270-80.
  • Rago R, Salacone P, Caponecchia L, et al. The semen quality of the mobilephone users. J Endocrinol Invest 2013;36(11):970-4.
  •  Roser K, Schoeni A, Röösli M. Mobile phone use, behavioural problems and concentration capacity in adolescents: A prospective study. Int J Hyg EnvironHealth 2016; 219(8):759-69.
  • Calvente I, Pérez-Lobato R, Núñez MI, et al. Does exposure to environmental radiofrequency electromagnetic fields cause cognitive and behavioral effect in 10-year-old boys? Bioelectromagnetics 2016;37(1):25-36.
  • Tamura H,Nishida T,Tsuji A,Sakakibara H. Association between Excessive Use of Mobile Phone and Insomnia and Depression among Japanese Adolescents. Int J Environ Res Public Health 2017;14(7). Int J Environ Res Public Health. 2019 Sep 13;16(18).
  •  Hardell L. Effects of Mobile Phones on Children’s and Adolescents’ Health: A   Commentary. Child Dev 2018;89(1):137-40.
  •  Lin JC. Incongruities in recently revised radiofrequency exposure guidelines and standards. Environ Res. 2023 Apr 1;222:115369. doi: 10.1016/j.envres.2023.115369. Epub 2023 Jan 25. PMID: 36706903

Übersetzung: diagnose:funk, es gilt der italienische Originaltext

Quelle: 2024 ISDE posizione aument limiti EMF.pdf

Artikel veröffentlicht:
03.03.2024
Autor:
Verbraucherzentrale Südtirol
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