Smart City: Digitalisierung und sozial-ökologische Transformation gemeinsam angehen

Vier Umweltgruppen stellen Fragen an den Gemeinderat zur Smart City Stuttgart
Nach zwei Vorträgen von diagnose:funk Vorstand Peter Hensinger gemeinsam mit Stadtrat Hannes Rockenbauch bei Stuttgarter Verbänden zur Smart City beschlossen vier Stuttgarter Umweltgruppen, an alle Stadträtinnen und Stadträte einen Brief zu schicken. In der Diskussion bei den Vorträgen wurde klar: die Smart City wird durchgewunken, ohne über ihre Folgen zu beraten. Digitalisierung ist Fortschritt-darüber braucht man offensichtlich nicht nachzudenken. Mit dem Brief wollen die Umweltgruppen eine Diskussion initiieren. Die sollte eigentlich in jeder Stadt stattfinden.
Stuttgarter Umweltgruppen

Sehr geehrte Stadträtinnen,                                                              25.10.2023
sehr geehrte Stadträte,
sehr geehrte Damen und Herren,

der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart hat beschlossen, ein Amt für Digitalisierung mit 400 Angestellten aufzubauen [i]. Darin kommt zum Ausdruck: die Digitalisierung scheint eines der wichtigsten Projekte zu sein.

1. Die erste Problematik, die nach unserer Kenntnis bisher von keiner Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat thematisiert wird, steht in der Smart City Charta der Bundesregierung [ii], die die Stadt Stuttgart mit formuliert hat:

  • „… Niemand soll zur Nutzung digitaler Strukturen gezwungen werden. Kommunen müssen ihren Einwohnerinnen und Einwohnern und Unternehmen ermöglichen, auch auf nicht-digitalem Wege mit ihnen zu kommunizieren, und daher zusätzlich analoge Strukturen anbieten. Die Lebenswirklichkeit in Städten, Kreisen und Gemeinden wird in hohem Maße von Haltungen und Geschäftsbedingungen von Unternehmen geprägt. Kommunen sollten auf Unternehmen einwirken, zu Teilhabe, Integration und Inklusion in der Gesellschaft beizutragen, indem sie ihren Kunden ermöglichen, auch auf nicht-digitalem Wege mit ihnen zu kommunizieren. …“ (Auszug aus Kapitel 2.2 Digitale Teilhabe, Integration und Inklusion sichern, S. 11)

und

  • „… Es ist darauf zu achten, dass keine neuen Machtstrukturen entstehen, die sich demokratischer Kontrolle entziehen und eine Gefahr für die Grundrechte, die Sicherheit und Privatsphäre jedes Einzelnen darstellen. Algorithmen dürfen weder demokratisch gewählte Gremien noch die Verantwort­lichkeit natürlicher oder juristischer Personen ablösen. Die Kriterien automatisierter Verwaltungsent­scheidungen sind offenzulegen. …“ (Auszug Kapitel 3.2 Daten verantwortungsvoll generieren, Datenhoheit behalten,S. 12)

Wir bitten um eine Antwort auf folgende Fragen:

  • Wie werden die sensiblen Daten der EinwohnerInnen und die Privatsphäre geschützt?
  • Wird das Recht auf ein analoges Leben ohne Smartphone und der analoge Bürgerservice für StuttgarterInnen weiter garantiert?

2. Die zweite Problematik: Der Datenverkehr wird durch diese Maßnahmen, die in allen deutschen Städten derzeit stattfinden, explodieren, und damit auch der Energie-, Ressourcen- und CO2-Verbrauch. Ein klassischer Rebound-Effekt wird sich einstellen. Das kann die Klimaneutralitätsziele der Stadt konterkarieren.

Wir bitten um eine Antwort auf folgende Fragen:

  • Wurde in der Planung der Energie-, Ressourcen- und CO2 - Verbrauch bereits quantifiziert?
  • Wird ein Bericht über den Energie- und Ressourcenverbrauch der geplanten Smart City an den Gemeinderat erstellt?

3. Die dritte Problematik: Um den Datenverkehr auch mobil zu erfassen, ist abzusehen, dass die Dichte der Mobilfunksendeanlagen und WLAN-Hot-Spots zunehmen wird, z.B. werden Bürger ihre Anfragen über Smartphones stellen, das Internet der Dinge und das geplante autonome Fahren sind vernetzt über Mobilfunk. Inzwischen ist durch den Technikfolgenbericht Mobilfunk an den deutschen Bundestag [iii] und einen zweiten an das EU-Parlament [iv] bestätigt, dass Gesundheitsrisiken von der Mobilfunkstrahlung ausgehen.

Wir bitten um eine Antwort auf folgende Fragen:

  • Wird die Strahlungsproblematik bei der Planung berücksichtigt?
  • Werden Konzepte zur einer strahlungsminimierten Infrastruktur und Indoor-Alternativen wie optische Übertragungstechnologien bei der Planung berücksichtigt?

Mit freundlichen Grüßen

gez. Michael Fuchs, Kommunale Stadtwerke e.V.      

gez. Manfred Niess, Klima- und Umweltbündnis Stuttgart KUS               

gez. Jürgen Gesierich, Landesnaturschutzverband B.-W. e.V., Sprecher LNV-AK Stuttgart, AG kommunale Daseinsfürsorge                          

gez. Annette Groth, Naturfreunde Stuttgart e.V., Stadtteilgruppe Sillenbuch-Ostfildern

Quellen

[i]      Stuttgarter Zeitung, 17.02.2022: Stuttgart baut neues Amt auf - Thomas Bönig ist der Kopf der Digitalisierung https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-baut-neues-amt-auf-thomas-boenig-kopf-der-digitalisierung.b6827f4d-a2e7-4bda-a3e8-305d3cc25b9a.html

[ii]     Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bonn und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), Herausgeber, Stand Mai 2017: Smart City Charta. Digitale Transformation in den Kommunen nachhaltig gestalten https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/EN/themen/building-housing/city-housing/smart-city-charter-short.pdf?__blob=publicationFile&v=1
sowie
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), Herausgeber, Stand Mai 2021: Smart City Charta. Digitale Transformation in den Kommunen nachhaltig gestalten https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/downloads/Webs/BMWSB/DE/veroeffentlichungen/wohnen/smart-city-charta-2021.pdf;jsessionid=1BDFE551A8333DBDF36B02372392B504.2_cid504?__blob=publicationFile&v=2

[iii]    BT-Drucksache 20/5646 vom 14.02.2023: Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgen­abschätzung (18. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung (TA) Mögliche gesundheitliche Auswirkungen verschiedener Frequenzbereiche elektromagnetischer Felder (HF-EMF) https://dserver.bundestag.de/btd/20/056/2005646.pdf

[iv]    STUDIE Lenkungsgruppe zur Zukunft von Wissenschaft und Technologie, EPRS | Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, Referat Wissenschaftliche Vorausschau (STOA), PE 690.012 – Juni 2021: Gesundheitliche Auswirkungen von 5G https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2021/690012/EPRS_STU(2021)690012_DE.pdf

Artikel veröffentlicht:
13.11.2023
Autor:
Stuttgarter Umweltgruppen
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