2.1 Vielfältige Risiken - ein Überblick

Kurzfristige Bestrahlungsrisiken

Die kurzfristigen biologischen Wirkungen von Mobilfunkstrahlung zeigen sich für viele Kinder und Jugendliche vor allem in folgenden sog. Befindlichkeitsstörungen, die auch unter dem Begriff Mikrowellensyndrom bekannt sind:

  • zunehmende und anhaltende Kopfschmerzen (inkl. Migräne), schnelle Erschöpfung;
  • (Ein-) Schlafstörungen, zeitlich verkürzte Tiefschlafphasen, Tagesmüdigkeit;
  • Lernstörungen: vor allem (Kurzzeit-) Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen;
  • Verhaltensauffälligkeiten: Reizbarkeit, Gereiztheit, innere Unruhe und Nervosität, zunehmendes Auftreten von ADHS, depressive Tendenzen;
  • Herz-Kreislauf-Störungen (Herzrasen) (Havas 2010) [3]; Schwindel und Ohrgeräusche, zum Teil auch Hör- und Sehstörungen.

Die Befindlichkeitsstörungen werden unter dem Einfluss aller Mobilfunkquellen beobachtet, u. a. in der Nähe von Basisstationen, bei Schnurlostelefonen (DECT-Standard), insbesondere auch bei aktiven WLAN-Sendern. Sie treten nach Inbetriebnahme eines Senders für manche sofort, für andere erst nach Tagen, Wochen oder Monaten auf. Viele Betroffene waren vorher beschwerdefrei. Die Erfahrung vieler Eltern und Lehrenden bestätigt die Zunahme dieser Symptome bei immer mehr Kindern in den letzten Jahren.

Wie sehr diese Risiken tatsächlich bereits Realität geworden sind, belegen vor allem auch die Jahresstatistiken der Krankenkassen: Bei Schülerinnen und Schülern zeigen sich diese Wirkungen vor allem in Kopfschmerzen, die in den letzten Jahren dramatisch angestiegen sind (Barmer Arztreport 2017) [4], Fendrich et al 2007 [5], Redmayne et al 2013) [6], sowie in kognitiven Beeinträchtigungen: Insbesondere sind Konzentration und Gedächtnis betroffen.

Erfahrungsgemäß verschwinden die Symptome nach einer Erholungsphase (von mindestens 2 Stunden) in einer weitgehend strahlungsfreien Umgebung, oft aber erst dann, wenn die Strahlenbelastung dauerhaft aufhört oder zumindest stark reduziert wird – eine wichtige Präventionsmaßnahme! In den ersten Jahren nach Auftreten der Beschwerden helfen symptomatische Therapien (Tabletten) nur mangelhaft. Wer dauerhaft bestrahlt wird, sodass der Körper keine Erholungsphasen bekommt, lebt mit einem hohen Risiko, im Laufe der Jahre schwerwiegende Erkrankungen zu entwickeln.

Langfristige Bestrahlungsrisiken

Die langfristigen biologischen Wirkungen bei Kindern bestehen u. a. in Entwicklungsstörungen, neurologischen Störungen, z. B. Kopfschmerzen und Migräne, ggf. in Elektrohypersensibilität oder in Überempfindlichkeiten gegen Stoffe aus der Umwelt, in negativen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit, sowie in einer erhöhten Krebsgefahr:

Wir wissen heute, dass für Kinder und Jugendliche, die vor dem 20. Lebensjahr beginnen, ein Mobiltelefon zu benutzen, ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines bösartigen Hirntumors in ihrem späteren Leben besteht. Je jünger ein Kind ist und je länger es ein Handy benutzt, umso stärker steigt das Risiko für einen Tumor – bis zum 4,4-fachen – an (Hardell 2008 [7], Hardell 2013 [8]).

Seit Einführung der mobilen Kommunikation 1993 steigt in Deutschland die Zahl der jährlich an Krebs erkrankten Kinder (bis 15 Jahre) kontinuierlich an (um ca. 25% zwischen 1993 – Jahr der Einführung von DECT-Schnurlostelefonen – und 2012, Robert Koch Institut 2013) [9], in anderen Ländern zeigen sich noch dramatischere Entwicklungen: Eine Auswertung der US-Krebsstatistik von Gittleman et al. 2015 [10] zeigte bei Kindern und Jugendlichen signifikante Anstiege der Erkrankungen an bestimmten Krebsarten:

„Die Fälle von gutartigen Tumoren des zentralen Nervensystems haben jedoch deutlich zugenommen. Zum Vergleich kam es bei Jugendlichen zu einer Zunahme von bösartigen und gutartigen Tumoren des Zentralnervensystems. Bei Kindern kam es zu einer Zunahme von akuter myeloischer Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphomen, sowie bösartigen Tumoren des Zentralnervensystems.“ (Gittleman et al. 2015 [10], S. 111)

Auch wenn diese Fakten nicht beweisen, dass Mobilfunkstrahlung die alleinige Ursache dieser Entwicklung ist, so wird immer deutlicher, dass ihr Anteil daran nicht zu unterschätzen ist:

Bereits im Mai 2011 hatte die International Agency for Research on Cancer (IARC) [11], eine Teilorganisation der WHO, Mobilfunk in die Kategorie 2B „potenziell krebserregend“ („possible carcinogens“) eingestuft. Dazu gehören alle Arten hochfrequenter Strahlung, eingeschlossen Emissionen von Basisstationen, Radio/TV-Sendeanlagen, Radar, WLAN, Smart Meter usw. Die Forschungsergebnisse von Hardell, sowie die neueren Erkenntnisse u. a. der NTP-Studie [18], die Mobilfunkstrahlung als eindeutig krebserregend für Ratten nachgewiesen hat, haben bereits erneute Überlegungen darüber ausgelöst, ob Mobilfunkstrahlung nicht in die höhere Stufe 2A „wahrscheinlich krebserregend“ einzuordnen ist.

Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren haben viel kürzere Latenzzeiten (ca. 15–20 Jahre) als bei Erwachsenen, die bis zu 40 Jahre betragen können. Das durch Mobilfunkstrahlung erhöhte Risiko für Krebs bei Kindern und Jugendlichen kann demnach fatale Auswirkungen für ihre mittlere Lebensphase haben (vgl. Kapitel 2.6).

Mittelfristige Verhaltensrisiken

Mit der Verbreitung der Smartphones seit 2007 ist übermäßige Internetnutzung bis hin zu suchtähnlichem Verhalten ein hohes Risiko für immer mehr Kinder und Jugendliche geworden. Soziale Netze und Messenger-Dienste, sowie interaktive Online-Spiele, absorbieren zunehmend die Aufmerksamkeit und damit die Zeit der Kinder und Jugendlichen. Viele von ihnen erleben bereits Kommunikationsstress. Eine ständige Beachtung des Smartphone führt schnell zu Multitasking und dadurch zu einer abnehmenden Konzentrationsfähigkeit. Nicht selten kommt es zu einer Vernachlässigung der täglichen Aufgaben, Lernprozesse und wichtige Erfahrungen außerhalb der digitalen Welt werden so erschwert. Auch Befindlichkeitsstörungen wie Unruhe, Nervosität, Kopfschmerzen und Schlafstörungen treten immer häufiger auf, nicht zuletzt durch die andauernde Strahlenbelastung der digitalen Endgeräte. Als Folge kann es immer schwieriger werden, befriedigende und stabile Sozialkontakte in der analogen Welt aufzubauen und zu pflegen.

Mittlerweile beobachten Forscher in Europa und Amerika eine starke Zunahme von Kurzsichtigkeit [12] bei Kindern. In Asien benötigen bereits fast alle Schulabsolventen eine Brille. Der Grund für die Sehprobleme: Kinder, die zu häufig und zu lange vor digitalen Geräten sitzen, haben ein doppelt so hohes Risiko, kurzsichtig zu werden, wie Kinder, die sich viel im Freien aufhalten.

Weitere Risiken der Bewegungsarmut zeigen sich in erhöhter Bereitschaft zu Übergewicht und Fettleibigkeit, sowie in Haltungsschäden: Bereits der ständige Blick der „Head-down Generation“ auf das Smartphone kann zu Nackenverspannungen und zu einer Verkrümmung der Wirbelsäule führen.

Jüngere Kinder unter 12 Jahren, die immer mehr Zeit an Bildschirmgeräten verbringen, sind insbesondere gefährdet, wie die aktuelle BLIKK-Medienstudie von 2017 [13] zeigt: Häufiger Medienkonsum kann zur Hemmung in der Sprachentwicklung, zu Aufmerksamkeitsschwäche, Konzentrations- und Schlafstörungen, Hyperaktivität, Aggressivität bis hin zu Lese- und Rechtschreibstörungen führen. Je kleiner das Kind, desto größer der mögliche Schaden.

Die vielseitigen negativen Beobachtungen und Erkenntnisse weisen eindringlich auf die Notwendigkeit hin, die Nutzung digitaler Medien vor allem für Kinder unter 12 Jahren zeitlich klar zu begrenzen.

Für eine ausführliche Diskussion dieser und weiterer Aspekte verweisen wir auf das unten stehende Buch "Gesund aufwachsen in der digitalen Medienwelt - Eine Orientierungshilfe für Eltern und alle, die Kinder und Jugendliche begleiten", das bei diagnose:media erschienen ist.

Format: DIN B5Seitenanzahl: 156 Veröffentlicht am: 30.10.2018 Bestellnr.: 111Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:media

Gesund aufwachsen in der digitalen Medienwelt

Orientierungshilfe für Eltern und alle, die Kinder und Jugendliche begleiten.
Autor:
Autorenteam diagnose:media
Inhalt:
Viele Beobachtungen und Studien von Experten zeigen, dass der zu frühe Kontakt von Kindern und Jugendlichen mit den neuen Medien mit erheblichen Risiken für ihre Entwicklung und ihre Gesundheit verbunden ist. Wir wissen heute: Erst wenn das Kind seine biologisch notwendigen Entwicklungsschritte in den verschiedenen Lebensabschnitten gut bewältigt hat, kann es die Fähigkeit zu einem kompetenten und selbstbestimmten Medienumgang entwickeln. Das Buch nimmt die übergeordnete Fragestellung auf, was Kinder bzw. Jugendliche für ihre gesunde Entwicklung in verschiedenen Entwicklungsphasen brauchen. Der pädagogische Standpunkt der Autoren versucht eine Balance aufzuzeigen zwischen den Wünschen der Kinder und Jugendlichen und den Einschränkungen, die als Vorsorgemaßnahmen zur Abwendung von Gefahren erforderlich sind.
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