Der neue Mobilfunkpakt - Aufforderung zur Selbstentmachtung
Am 8. Juni 2020 wurde ein neuer „Mobilfunkpakt“ beschlossen. In der „Vereinbarung über den Informationsaustausch und die Beteiligung der Kommunen beim Ausbau der Mobilfunknetze zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden und den vier deutschen Mobilfunkunternehmen“ steht:
„Kern dieser Übereinkunft ist der rasche und gesundheitsverträgliche Ausbau der Mobilfunktechnik auf Grundlage der jeweils aktuellen technischen Standards. Durch eine umfassende Information der Kommunen und ihrer Bürgerinnen und Bürger sowie durch enge Kooperation und offene Kommunikation mit der jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaft sollen darüber hinaus die örtlichen Belange Berücksichtigung finden, um einen möglichst konfliktfreien Infrastrukturausbau zu ermöglichen. Unbeschadet dessen, erkennen beide Seiten an, dass es unvermeidlich ist, dass der erforderliche Mobilfunkausbau im Ortsbild wahrnehmbar ist. Darüber hinaus erfordert der weitere Ausbau der mobilen Infrastruktur zusätzliche Standorte aller vier Unternehmen.“
- Wichtig ist, dass eine Vereinbarung zwischen kommunalen Spitzenverbänden und Unternehmen der Privatwirtschaft die Rechte Dritter, also von Kommunen und Einzelpersonen, nicht aushebeln kann.
Spitzenverbände-Vereinbarung nur eine Empfehlung
Es handelt sich um eine Handlungsempfehlung, die den Kommunen durch die daran beteiligten Akteure zur Verfügung gestellt werden soll. Eine freiwillige Vereinbarung ist eine untergesetzliche Vereinbarung, deren Bedingungen für die beteiligten Parteien nicht rechtlich bindend sind. Sie ist weder in der Lage eine verordnungsrechtliche Anforderung, wie zum Beispiel den § 7a der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung, der eine Brücke zwischen Immissionsschutzrecht und dem öffentlichen Baurecht schlägt, zu ersetzen, noch ist diese in der Lage, ein höchstrichterliches Urteil zu den Handlungsoptionen der Kommune auszuhebeln. Der Mobilfunkpakt empfiehlt nicht nur den freiwilligen Verzicht auf das erst wieder 2012 letztinstanzlich erstrittene Recht der Kommunen bei der Standortwahl steuernd in den Mobilfunkausbau einzugreifen, sondern erklärt auch den Suchkreis der Betreiber als unantastbar.
Clearingstelle
Die kommunalen Spitzenverbände des Bundes und die deutschen Mobilfunkbetreiber haben eine sog. Clearingstelle für Kommunen eingerichtet. Sie befindet darüber, ob die nach der Mobilfunkvereinbarung vorgesehene Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Netzbetreiber eingehalten wurde. Mehr nicht. Wie die Erfahrung zeigt, agiert die Clearingstelle als Erfüllungsgehilfe, um Standortplanungen der Betreiber zu legitimieren. So erklärte der Leiter der Clearingstelle zuletzt in einem Interview mit dem IZMF, der Lobbyzentrale der Mobilfunkunternehmen, dass Kommunen „gar keinen Einfluss auf die Genehmigung einer Mobilfunkanlage“ hätten.
- Aus einem konkreten Verfahren von 2020 stammt zudem der Satz:
„Nach Würdigung dieses Sachverhaltes komme ich zu dem Ergebnis, dass ein durch die unterbliebene Anzeige des konkreten Standorts der Mobilfunkanlage ggfls. entstandener Formfehler jedenfalls durch die Nachholung des Beteiligungsprozesses im Zuge der Unterbreitung des Alternativvorschlages im Schreiben vom (...) geheilt wäre.“
Das Verfahren im Rahmen eines „Clearings“ verhält sich ähnlich wie eine Dienstaufsichtsbeschwerde: formlos, fristlos, fruchtlos.
Die Konsequenz:
Dieser Mobilfunkpakt ist eine Sackgasse. Er ist eine Aufforderung zur Selbstentmachtung, das sollten die Kommunen durchschauen.
- Die Kommunen können und müssen die Standortauswahl aktiv und steuernd selbst in die Hand nehmen. Dazu haben sie juristisch gesicherte Möglichkeiten.
Wozu sollte sich eine Kommune freiwillig selbst entmachten?
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