Prof. Dariusz Leszczynski: ICNIRP gibt Sicherheitsrichtlinien zu 5G heraus, die für die Telekommunikationsindustrie überlebenswichtig sind.

Lobbysystem ICNIRP und Bundesamt für Strahlenschutz - Teil II
Prof. Dariusz Leszczynski, ehemaliger Leiter des Radiation Biology Laboratory von STUK, der finnischen Strahlenschutzbehörde und Mitglied vieler internationaler Kommissionen, nimmt Stellung zu den Grenzwertfestlegungen und Aussagen der ICNIRP zur Sicherheit von 5G.

Im Interview von diagnose:funk mit Prof. Franz Adlkofer wird aufgezeigt, wie ein deutscher Wissenschaftler von Politik und Mobilfunkindustrie offensichtlich benutzt wird, um Fortschritte in der Forschung zu blockieren und Forschungsergebnisse aus der Welt zu schaffen, weil sie ihren Interessen im Weg stehen.[1]  Dabei mag es sich noch um einen Einzelfall handeln, auch wenn er symptomatisch dafür steht, wie Politik und Mobilfunkindustrie die Öffentlichkeit in Sachen Strahlenschutz hinters Licht führen. Prof. Dariusz Leszczynskis Bericht über die Meinungsmacht der ICNIRP (International Commission on Non​-Ionizing Radiation Protection) geht weit darüber hinaus.[2] Er enttarnt ein System der institutionellen Korruption zum Nachteil der Bevölkerung, das weltweit wirksam ist. "Das eigentliche Problem liegt dabei jedoch nicht bei der Mobilfunkindustrie, für die wie für andere Industrien auch die Gewinnmaximierung Vorrang hat. Es liegt bei der Politik, die wohl aus Unbedarftheit gepaart mit Opportunismus dabei ist, Verrat an den Wählern zu begehen " (Prof. Franz Adlkofer).

[1] https://www.diagnose-funk.org/1664

[2] Zur Seite von Darius Leszczynski >>>

Prof. Dariusz Leszczynski auf der Tagung der Kompetenzinitiative, Oktober 2019Bild: kompetenzinitiative.com

Erdrückende Meinungsmacht der ICNIRP[1] dank Unterstützung durch GSMA[2], MWF[3] und Telekommunikationsunternehmen: WHO und Regierungsbehörden wie ARPANSA[4], BfS[5], TNO[6], STUK[7] u.a. kuschen vor dieser Macht und verbreiten Fehlinformationen über die Sicherheitsforschung von 5G-Millimeterwellen

Dariusz Leszczynski

Die ICNIRP hat 2020 aktualisierte Sicherheitsrichtlinien für die EMF-Exposition[8] herausgegeben, die als einzige Ursache von gesundheitlichen Auswirkungen die thermische Wirkung der Strahlenexposition berücksichtigen. Nach Meinung der ICNIRP reicht die Vermeidung von thermischen Effekten – bei Einhaltung der gegenwärtig angewandten Sicherheitsgrenzen – aus, um den Schutz der Gesundheit der Nutzer zu gewährleisten.

Es gibt jedoch eine lange Liste von experimentell beobachteten biologischen Effekten, die bei Tieren oder Zellen, die im Labor gezüchtet werden, durch Strahlenbelastungen hervorgerufen werden, die weit unter den aktuellen, von der ICNIRP festgelegten Grenzwerten liegen. Diese Wirkungen sollte es eigentlich nicht geben. Wenn nicht alle die Wissenschaftler, die diese Effekte beobachtet haben, Halluzinationen unterliegen, muss etwas an der Meinung der ICNIRP falsch sein. Die beobachteten biologischen Wirkungen könnten nämlich, wenn sie beim Menschen auftreten, gesundheit­liche Störungen zur Folge haben.

Die Sicherheitsrichtlinien basieren nicht nur auf der Vorstellung, dass durch EMF-Expositionen in lebender Materie lediglich thermische Effekte induziert werden, sondern berücksichtigen darüber hinaus auch nur kurzfristige Expositionen. Sie liefern keine Informationen darüber, ob sie auch bei kontinuierlichen und lang anhaltenden Expositionen (von Monaten bis zu Jahrzehnten) schützen. Während zu den Wirkungen, die sofort, während oder kurz nach der Exposition auftreten, publizierte Forschungsergebnisse vorliegen, gibt es für langfristige, chronische Expositionen in Wirklichkeit kaum Forschung.

  • Woher weiß die ICNIRP, was sicher ist, wenn es keine Forschung gibt?

Von den ICNIRP-Sicherheitsrichtlinien wird angenommen, dass sie alle Nutzer schützen, unabhängig von Alter und Gesundheitszustand. Das bedeutet, dass der wachsende und sich entwickelnde Körper eines Kleinkindes oder der kränkelnde Körper eines alten Menschen, der an einer möglicherweise tödlichen Krankheit leidet, in gleichem Maße geschützt sind wie der Körper eines jungen und gesunden Erwachsenen. Aus ethischen Gründen ist das Experimentieren am Menschen begrenzt. Die biologischen Effekte und die gesundheitlichen Auswirkungen, die in epidemiologischen Studien nachgewiesen wurden, sind die einzigen Befunde, die auf Langzeiteffekte von HF-EMF-Expositionen am Menschen hinweisen. Das bedeutet, dass es eigentlich keine wissenschaftliche Beweise gibt, die sicherstellen, dass die ICNIRP-Sicherheitsrichtlinien für alle Personen gelten, unabhängig von ihrem Alter oder ihrem gesundheitlichen Zustand und auch unabhängig davon, wie lange und wie häufig von ihnen RF-EMF-emittierende Geräte benutzt wurden.

  • Woher weiß die ICNIRP, welche Grenzwerte sicher sind, wenn es dafür keine Forschung gibt?

In aller Regel wird der ICNIRP-Bewertung von Forschern widersprochen, die nicht mit dieser Organisation in Verbindung stehen.[9] Doch interessanter ist, dass ICNIRP-Mitglieder, wenn sie in verschiedenen anderen nationalen wissenschaftlichen Kommissionen mitwirken, zu Schlussfolgerungen kommen können, die der ICNIRP-Meinung widersprechen.[10]

Der gegenwärtig laufende Ausbau der neuen Generation der drahtlosen Kommunikation, 5G, hat die Debatte über die Stichhaltigkeit der von ICNIRP herausgegebenen Sicherheitsrichtlinien noch einmal angefacht.

Das Neue an der 5G-Mobilfunkkommunikation ist die Verwendung von Millimeterwellen mit Frequenzen von über 20 GHz bis zu 300 GHz. Millimeterwellen können zwar große Datenmengen übertragen, es gibt aber Probleme bei der Reichweite und der Durchdringungsfähigkeit. Deshalb müssen die Abstände zwischen den Basisstationen gering sein (ungefähr eine kleine Basisstation an jedem zweiten Laternenpfahl). Zusätzlich braucht man Basisstationen innerhalb von Gebäuden. Das bedeutet, dass in einigen Jahren, wenn 5G voll ausgebaut sein wird, die Umwelt mit Millimeterwellen gesättigt sein wird.

  • ICNIRP versichert, dass ihre Richtlinien die Nutzer schützen werden, egal wie. Aber woher weiß die ICNIRP das?

Die Forschung über Millimeterwellen und Gesundheit ist bisher sehr begrenzt. Mehrere kürzlich publizierte Übersichten haben nach der Suche in verschiedenen Datenbanken nur eine sehr geringe Anzahl von Studien gefunden, die sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen von Millimeterwellen beschäftigen. Der weitaus größte Teil der publizierten wissenschaftlichen Forschung befasst sich mit der Strahlungs­dosimetrie und nicht mit biologischen und gesundheitlichen Auswirkungen:

  • Simkó und Mattson publizierten 2019 eine Übersicht von nur 97 experimentellen Studien[11]
  • Leszczynski publizierte 2020 eine Übersicht von nur 99 experimentellen Studien[12]
  • Karipidis et al. publizierten 2021 eine Übersicht von nur 107 experimentellen Studien[13]

Der überwiegende Teil betrifft kleine in vitro oder Tierstudien, die für die Aus­arbeitung von Richtlinien zum Schutz der öffentlichen Gesundheit praktisch nutzlos sind.

  • Woher weiß die ICNIRP, dass die Sicherheitsrichtlinien ihren Zweck erfüllen, wenn der Vorsitzende der ICNIRP, Rodney Croft, in seiner Stellungnahme  zugibt - es gibt keine Forschung, aber... wir, die ICNIRP, brauchen keine Forschung.

ICNIRP gibt Sicherheitsrichtlinien heraus, die für die Telekommunikationsindustrie überlebenswichtig sind. Jeder der behauptet, dass es keinen Einfluss von und keine Interaktion zwischen beiden gibt, darf getrost als naiv bezeichnet werden.

Schlussfolgerung

  • Es gibt keine ausreichende Forschung zu 5G-Millimeterwellen, um zu behaupten, dass die ICNIRP-Sicherheitsrichtlinien wissenschaftlich fundiert sind und die Sicherheit aller Nutzer bei jahrzehntelanger Exposition gewährleisten.

Dariusz Leszczynski

Quellen:

[1] International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection e.V.

[2] Groupe Special Mobile Association = weltweite Industrievereinigung der Mobilfunk-Anbieter

[3] Mobile & Wireless Forum = internationaler Verband der Mobilfunk-Gerätehesteller

[4] Australian Radiation Protection and Nuclear Safety Agency

[5] Bundesamt für Strahlenschutz Deutschland

[6] Nederlandse Organisatie voor toegepast-natuurwetenschappelijk onderzoek

[7] Säteilyturvakeskuksen = Radiation and Nuclear Safety Authority Finland

[8] https://www.icnirp.org/en/activities/news/news-article/rf-guidelines-2020-published.html

[9] https://betweenrockandhardplace.wordpress.com/2021/03/15/this-is-big-news-from-usa-yet-another-expert-considers-rf-as-probably-carcinogenic/

[10] https://betweenrockandhardplace.wordpress.com/2021/02/18/clear-indication-that-icnirp-review-of-science-is-skewed-and-should-be-independently-validated/

[11] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31540320/

[12] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32829319/

[13] https://www.nature.com/articles/s41370-021-00297-6

Übersetzung: Pandora-Stiftung

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Vortrag von Prof. Dariusz Leszczynski auf der Tagung der Kompetenzinitiative 2019

Video der Anhörung im US-Senat 2009

 

Artikel veröffentlicht:
04.04.2021
Autor:
Prof. Dariusz Leszczynski / pandora-Stiftung
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