Lichtblick 2020: Proteste zeigen Wirkung

Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz erklärt den denkenden Bürger zum Problem.
Argumentationsnotstand beim BfS: 83 % der Bevölkerung sind beunruhigt in Bezug auf die Strahlung von Mobilfunkmasten. Kommt jetzt der Abschied vom letzten Rest sachgerechter Aufklärung und die Risikoentsorgung durch Infotainment und Marketing?

Die Bundesregierung hat in ihren Meseberger Beschlüssen (Nov. 2019) eine Mobilfunkstrategie beschlossen, u.a. mit dem Ziel der schnelleren Durchsetzung von 5G [1]. Die Kernpunkte:

  • Der Staat will selbst Mobilfunk-Standorte errichten, wenn sie für Betreiber unwirtschaftlich sind.
  • Es geht dabei auch um Daten und Wirtschaftswachstum. Das ZDF schreibt in einer Pressemitteilung: ""Vor uns liegt viel Arbeit", sagte Kanzlerin Angela Merkel. "Die Digitalisierung wird unsere Gesellschaft dramatisch verändern, sie tut es heute schon." Dabei gelte insbesondere im digitalen Verkehr mit Behörden, dass der Bürger seine Datenhoheit behält und selbst entscheidet, welche Daten er hier weitergeben will und welche nicht. Daten seien das "neue Öl", sagte Merkel. Sie seien ein Rohstoff, aus denen neue Geschäftsprodukte entstehen könnten."
  • Besorgt über den wachsenden Widerstand angesichts der Gesundheitsgefahren der Mobilfunkstrahlung, insbesondere zu 5G, will die Regierung eine Informationskampagne für mehr Akzeptanz starten. Ein Ziel: die Planungsverfahren beim Ausbau der Mobilfunk-Infrastruktur sollen schneller werden, und nicht mehr durch Initiativen und Gemeinderäte beeinflusst werden.

Diese Reaktion auf den 5G-Widerstand merkt man bereits. Verstärkt kommen in der Presse Artikel, in denen Risiken heruntergespielt werden. Dabei arbeiten offensichtlich die Bundesregierung, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), die ICNIRP und Stiftungen des Bundes zusammen.

Titelblatt der BfS-StudieQuelle: bfs.de

Studie des BfS: Mehrheit der Bürger über Risiken der Strahlung besorgt

Die Regierung scheint auch aufgeschreckt zu sein durch die Ergebnisse einer Untersuchung des Bundesamtes für Strahlenschutz "Was denkt Deutschland über Strahlung?"[2], die zeigt, dass dieser Legitimationszirkel zur Normalisierung von Gefahren und die sogenannte "Risikokommunikation" bisher wenig Wirkung hatte. Das für das BfS ernüchternde Ergebnis:

 

 

  • Bundesweit sind 51 Prozent der Bevölkerung über die Risiken beunruhigt, im Süden Deutschlands sogar 58%, nur noch 37 Prozent vertrauen darauf, dass staatliche Institutionen des Strahlenschutzes sie schützen (Götte 2019: 9,33). Schauen wir genauer hin, zeigt sich, dass 83 % der Bevölkerung beunruhigt sind wegen der Strahlung von Mobilfunkmasten (wenig besorgt 31,6 %, eher 30,2 %, sehr 21,2 %) und nur 15,6 % geben an, „gar nicht“ beunruhigt zu sein (ebda S.34).

Die Studie dokumentiert den Argumentationsnotstand des auf Risikoentsorgung ausgerichteten BfS, weil "die eigenhändige Beschäftigung mit Strahlung nicht für diese Beruhigung sorgt, sondern diese Personen im Gegenteil mehr Sorgen haben"(ebda. S. 28). Der denkende Bürger, der sich selbst mit dem Thema befasst, wird zum Problemfall! Wird er durch das BfS auf die anscheinend beruhigende Studienlage hingewiesen, wird das Gegenteil erreicht! Denn dann, so die Untersuchung, "füttern gefundene Informationen, die ja aus sehr heterogenen Quellen stammen können, die Sorgen" (ebda. S.29). Die Verbraucherschutzarbeit durch diagnose:funk, andere mobilfunkkritische Organisationen und der vielen Bürgerinitiativen scheint Wirkung zu zeigen. Das ist doch ein Lichtblick! Hilflos schlägt die Untersuchung vor, dass die Arbeit des BfS statt sachlicher Argumentation in "Richtung Infotainment" gehen und "klassische Marketingstrategien" eingesetzt werden sollen (ebda S.54)! Das kann man so verstehen: Statt Strahlenschutz PR-Kampagnen zur Risikoentsorgung! Unisono betonten die Präsidentin des BfS Dr. Inge Paulini und Prof. Alexander Lerchl im Deutschlandfunk am 02.01.2020, dass eine Schutzpolitik sich erübrige, weil die Strahlung im Normalbetrieb nicht gesundheitsschädlich sein könne. Widerspruch zu dieser Position kam in der aufschlussreichen Sendung von Prof. Wilfried Kühling (BUND).  

Quellen:

[1] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/kabinett-beschliesst-mobilfunkpaket-und-entlastung-bei-betriebsrenten-100.html

Mobilfunkstrategie der Bundesregierung:https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/DG/Eckpunkte-Mobilfunkstrategie.pdf?__blob=publicationFile

Langfassung: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/DG/Digitales/Mobilfunkstrategie.pdf?__blob=publicationFile

[2] Götte S, Ludewig Y (2019): Was denkt Deutschland über Strahlung? Umfrage 2019, Abschlussbericht; Hrsg. Bundesamt für Strahlenschutz, Ressortforschungsberichte zum Strahlenschutz, Vorhaben 3619S72204

https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-2019110720000/3/BfS_2019_3619S72204a.pdf

https://www.bfs.de/SharedDocs/Downloads/BfS/DE/berichte/handreichung-strahlenbewusstseinsstudie.html

Publikation zum Thema

November 2022Format: A5Seitenanzahl: 90 Veröffentlicht am: 01.11.2022 Bestellnr.: 102Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk | Titelfoto: contrastwerkstatt - stock.adobe.com

Mobilfunk, 5G-Risiken, Alternativen

Einführung in die Auseinandersetzungen um eine strahlende Technologie
Autor:
Jörn Gutbier & Peter Hensinger
Inhalt:
Viele Menschen setzen sich durch den Protest gegen 5G zum ersten Mal mit den Risiken der Mobilfunkstrahlung auseinander. Jetzt gibt es mit diesem Ratgeber eine Broschüre, die alles Wissenswerte darstellt. Für jeden, der aktiv ist eine Pflichtlektüre. Ist diese Technologie gesundheitsschädlich? Sollten wir Vorsorge betreiben? Wie könnte diese aussehen? Gibt es Alternativen? Der vorliegende Ratgeber will diese Fragen beantworten und bietet mit vielen Quellenangaben die Grundlage, sich selbständig weiter zu informieren. Leseprobe zum Download.
Artikel veröffentlicht:
02.01.2020
Autor:
diagnose:funk
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