Ravensburg will Schutzzonen vor 5G-Strahlung für Elektrosensible

Ein zweischneidiges Schwert: 5G ja-aber mit Schutzzonen?
Das ist einmalig in Deutschland. Während die meisten Kommunen den Mobilfunkbetreibern freie Hand geben und den Bürgerinitiativen vorgaukeln, die Kommunen hätten bei der Gestaltung der digitalen Infrastruktur keine Rechte, geht Ravensburg einen anderen Weg.
Stadt RavensburgQuelle: TI Ravensburg - bodensee.de

Die Stadt legt ihre Vorstellungen fest. Und das nach einer Bürgerbeteiligung. Das beweist: die Kommunen können regulierend in die Mobilfunkversorgung eingreifen, so wie das diagnose:funk im Ratgeber "Kommunale Handlungsfelder" beschreibt. Was in Ravensburg herausgekommen ist, ist ein zweischneidiges Schwert. diagnose:funk vertritt: Ohne Technikfolgenabschätzung darf 5G nicht eingeführt werden. Das wird in der Ravensburger Strategie nicht berücksichtigt. Gleichzeitig wird aber festgelegt:

  1. Wissenschaftliche Begleitung zur Verwirklichung einer Strahlenminimierung
  2. Schutzzonen für elektrosensible Personen
  3. Begleitende Forschung zur Auswirkung der Strahlenbelastung auf die Gesundheit
  4. Erarbeitung eines neuen Mobilfunkkonzeptes

Dass Schutzzonen festgelegt werden, ist bemerkenswert. Denn damit werden Risiken anerkannt. Schutzzonen könnten z.B. Parks, Krankenhäuser, Kindergärten, Abteile in Bussen und Bahnen, Bibliotheken u.a. sein (1). Und wie uns mitgeteilt wurde, soll von kompetenten Institutionen eine medizinische Begleitung erfolgen. Man könnte aber auch kritisch anmerken: die Bevölkerung wird krank gemacht, und für die Geschädigten werden Ghettos errichtet. Ist das eine Mitmachfalle, ein nur noch "kritisch begleiten" auf dem Weg zur überwachten SmartCity oder ein gangbarer Weg? In der Digitalisierungsstrategie der Stadt Ravensburg heißt es:

"Die Stadt Ravensburg plant, sich als Modellkommune für den 5G Standard zu bewerben. Dies soll dadurch erfolgen, dass sie städtische Infrastruktur (öffentliche Gebäude, Straßenlaternen, weitere Liegenschaften und Objekte) in ausreichender Zahl zur Verfügung stellt. Mit dieser proaktiven Vorgehensweise sollen folgende strategischen Ziele erreicht werden:

  • 1. Die Stadt Ravensburg ist nicht "Getriebener" sondern "Gestalter" einer neuen technologischen Entwicklung.
  • 2. Es wird eine flächige Abdeckung auch in den "ländlichen Bereichen" von Ravensburg erreicht.
  • 3. Mittels einer wissenschaftlichen Begleitung soll bereits bei der Planung die "zusätzliche Strahlenbelastung" minimiert werden. Dies scheint aus heutiger Sicht durch ein flächendeckendes Angebot von neuer strahlungsarmer 5G-Infrastruktur am besten möglich. In einem zweiten Schritt sollen durch Messungen die Änderungen der Strahlenbelastung im zeitlichen Verlauf erfasst werden. Durch den Rückbau weniger zentraler, alter strahlungsintensiver Sendeanlagen (insb. 2 und 3G) bei gleichzeitigem Aufbau vieler kleiner dezentraler 5G-Sendeanlagen kann eine flächendeckende Strahlungsbelastung reduziert werden. Der Funk-Traffic wird mit den neuen dezentralen Anlagen quasi „unter die Erde in das Glasfasernetz gebracht“.
  • 4. Für elektrosensible Personen sollen Schutzzonen / -räume geschaffen werden.
  • 5. Mittels einer wissenschaftlichen Begleitung sollen die Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen untersucht werden.
  • 6. Mittels einer wissenschaftlichen Begleitung sollen auch soziologische Veränderungen untersucht werden.

Im Zuge dieser Maßnahmen wird ein neues Mobilfunkkonzept erarbeitet. Das bestehende Handlungskonzept Mobilfunk mit Beschluss vom 23.04.2012 wird nicht weitergeführt. Der flächige Ausbau eines 5G-Netzes bedingt eines weiteren Ausbaus des Glasfasernetzes, siehe nachfolgend: Strategieplan für Glasfaserausbau."

Zitat aus: Punkt 4 Digitalisierungsstrategie der Stadt Ravensburg, DS 2019/038, Anlage 12MB https://session.ravensburg.de/bi/to0040.php?__ksinr=11103

Anmerkung:

(1) Solche Schutzzonen fordert auch die Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz, Dr. Inge Paulini. Sie sagte am 25.2.2019 in der 3sat-Sendung nano:

  • „Die Personengruppen, die wir besonders im Fokus haben, die besonders schützenswert sind – sind Kinder, Säuglinge, Kranke, alte Menschen. Der Ausbau der 5G-Netze sollte auf jeden Fall so erfolgen, dass sensible Orte, Orte, wo diese Menschen sich aufhalten - Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser – dass die erst mal ausgenommen werden.“ (siehe 3sat-Video ab Minute 2:20)

In den Kommunen leben Kinder, Säuglinge, Kranke und Alte nicht nur in Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern. Wenn die Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz also fordert, dass sie nicht der 5G-Strahlung ausgesetzt werden dürfen, dann muss sie für diesen Schutz auch eine konsequente Umsetzung einfordern. Also müssen unsere gesamten Städte und Dörfer vor dem massiven 5G-Aufbau geschützt werden.

© Getty Images/iStockphoto

Bevor wir uns ein endgültiges Urteil bilden, werden wir uns mit den Bürgerinitiativen in Ravensburg beraten.

diagnose:funk hat 8 Forderungen aufgestellt, die ein Konzept bilden und an denen diese Strategie überprüft und bewertet werden sollte:

1. Die Breitbandnetze (Glasfaser) als Eigenwirtschaftsbetrieb müssen als Teil der Daseinsvorsorge von den Kommunen betrieben werden. Keine Vergabe von Infrastrukturprojekten an ein Monopol. Glasfasernetze bilden die Grundlage zur Umsetzung einer strahlungsarmen Mobilfunkversorgung.

2. Die Trennung der Indoor- und Outdoorversorgung zum Schutz der Wohnung vor Strahlung muss Grundlage jeder Mobilfunkplanung sein. Neue Technik muss nachweisbar zu weniger Elektrosmog führen. Kleinzellennetze sind nur dann sinnvoll, wenn sie zu einer deutlichen Senkung der Strahlenbelastung führen.

3. Technikfolgenabschätzung ist Pflicht. Sie muss durch eine industrie- und regierungsunabhängige Kommission unter Beteiligung bürgerschaftlicher Interessenverbände erfolgen. Ohne Bewertung der Forschungsergebnisse über die Wirkungen der 5G-Frequenzen auf Mensch, Tier und Natur darf 5G nicht eingeführt werden.

4. Beweislastumkehr: Industrie und Staat müssen die Unschädlichkeit von 5G belegen.

5. Ein Netz für alle: Es braucht nur ein Mobilfunknetz für alle Betreiber und Nutzer, wie bei Strom, Gas und im Straßenbau. Verpflichtendes Roaming für alle Mobilfunkbetreiber muss umgesetzt werden.

6. Umweltschutz ist Pflicht, die Kommune muss über den Netzausbau ein Gutachten zum ökologischen Fußabdruck vorlegen.

7. Das Recht, analog leben zu können, ohne digitale Überwachung ist ein Grundrecht. Die Datenerfassung darf nur mit ausdrücklicher Zustimmung jedes Bürgers erfolgen. Von Jugendlichen unter 16 Jahren dürfen keine Daten erfasst werden.

8. Erhalt und Schaffung von funkfreien Gebieten für elektrohypersensible Menschen.

 

 

 

Artikel veröffentlicht:
17.04.2019
Autor:
diagnose:funk

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