Landkreis Ebersberg (Bayern): Informationsabend zum neuen Mobilfunkstandard 5G und zur Digitalisierung
Zum Informationsabend „Chancen und Risiken der digitalen Transformation“ hatte Landrat Robert Niedergesäß am 05.10.2020 eingeladen. Zwei Regierungsvertreter standen für Entwarnung und Wachstumsförderung, zwei „ehrenamtliche Aufklärer“ präsentierten medizinwissenschaftliche und ökologische Argumente gegen immer mehr Datenaustausch per Funk.
Über 50 Teilnehmer, darunter Schulleiterinnen, Bürgermeister, Gemeinderätinnen und Behördenvertreter, sind der Einladung gefolgt. Corona-bedingt mit viel Abstand im großen Ebersberger Sparkassensaal. Der Moderator des Abends, Diplominformatiker Ludwig Karg, sorgte zunächst für ein gemeinsames Grundverständnis elektromagnetischer Wellen, die als Mobilfunkstrahlung immer mehr Menschen Sorgen bereiten - trotz der Entwarnung der Ministerien und Gesundheitsbehörden.
Deren Vertreter, zum einen Dr. Bernhard Brenner vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmitteltechnik (LGL), erwartet trotz des zusätzlichen 5G-Netzes durch flächendeckend bessere Netzabdeckung insgesamt eine Entlastung. Die „Versorgung mit modernen Mobilfunkstationen ermöglicht Reduktion von Feldstärken an den Endgeräten“. Brenner sieht Sinn und Verantwortung für eine Strahlungsminimierung beim Konsumenten funkbasierter Services gut aufgehoben. Nur hier könne man massiv auf die physikalisch messbare Dosis Einfluss nehmen. Basisstationen fielen dagegen kaum ins Gewicht, auch nicht aufgerüstete alte oder neue 5G-Sender.
Zum anderen Dr. Klaus Potthast vom bayerischen Wirtschaftsministerium, der sich sicher war, die Grenzwerte seien verlässlich. Da können wir „ein gutes Gewissen haben“, schließlich wären diese nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern auch nachvollziehbar kontrolliert vereinbart worden. Ein totaler Ausschluss jeglicher Risiken wäre niemals mehrheitsfähig. Auch die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol am Steuer: eine Kompromisslösung, Ergebnis eines gesellschaftlichen Diskurses. Um überhaupt noch wettbewerbsfähig zu sein und „morgen noch Arbeitsplätze“ zu haben, könnten wir uns dem Fortschritt der Digitalisierung - auch mobil mit 5G – gar nicht entziehen, „weil alle anderen Länder es auch machen.“
Dabei sei 5G gar nicht, wie häufig behauptet, der entscheidende Schritt für „autonom fahrende Autos“ und allein damit bereits unabdingbar für den Standort Deutschland, erläuterte der Vorsitzende von diagnose:funk, Dipl.-Ing. Jörn Gutbier. Mit dem Fokus auf Glasfaserausbau und klaren Vorgaben wie „Ein Netz für alle“ und „Trennung von Innen- und Außenversorgung“ möchte Gutbier mit einem kleinen Bruchteil der Sendeleistung Mobilfunk wieder zu dem machen, wofür er mal erfunden wurde: Für mobiles Kommunizieren draußen, nicht als höchst ineffizienter Festnetzersatz. 98 Prozent des Datenvolumens laufe in Innenräumen - sogar bei Smartphones 80 Prozent. Mit einer „Umarmungsstrategie“ würden hier in Bayern Bürgermeister „desinformiert“, dass kommunale Mitsprache weder sinnvoll noch zulässig sei. Höchstrichterliche Rechtsprechung habe dagegen die Planungshoheit der Kommune bestätigt.
Dipl.-Geograph Jürgen Merks, Umweltreferent des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), nahm den unermesslichen Rohstoffhunger und den exponentiell wachsenden Energieverbrauch des mobilen Internets in den Fokus. Damit aber würden jegliche Klimaschutzziele bei der geplant wachsenden Datenmenge obsolet; zum Teil über die alle Effizienzvorteile überkompensierenden Steigerungen der Gesamtleistung der Mobilfunksender und WLAN-Router, vor allem aber durch den immensen Stromverbrauch in den Rechenzentren und Datenspeichern. Er forderte von der Politik eine „Suffizienzstrategie“, weil der unersättliche „Datenhunger“ der Wirtschaft immer mehr Energie und Rohstoffe für die Hardware verschlinge.
Am Ende des nicht ganz unerwartet kontroversen Informations- und Diskussionsabends dankte Landrat Robert Niedergesäß allen Beteiligten sowie der Initiatorin des Themenabends Trudi Christof (diagnose:funk e.V. Bayern), die ihn von der Bedeutung einer fairen Erörterung des schwierigen Themas überzeugt hatte - gerade auch für Gemeinden und Schulen. Mobiles Internet und Digitalisierung werde die Kommunen nicht nur technisch herausfordern, sondern auch als Mitgestalter „eines gesellschaftlichen Prozesses“ - mit nicht unbedingt für alle positivem Ausgang.