Hierfür wurden die Daten von 4,7 Millionen Einwohnern der Schweiz ausgewertet. In dieser Population wurden die Todesfälle der Jahre 2000 bis 2005 untersucht. Man untersuchte die Todesursachen von Einwohnern, die 5, 10 und 15 Jahre lang näher als 50 Meter neben einer 220 bis 380 Kilovolt-Hochspannungsleitung lebten, und verglich diese mit den Todesursachen von Personen, die über 600 Meter weit entfernt von einer Hochspannungsleitung wohnten. Neben anderen neurodegenerativen Erkrankungen wurden 9200 Todesfälle durch Alzheimer in die Studie eingeschlossen. Davon traten 20 Fälle bei Personen auf, die weniger als 50 Meter von einer Hochspannungsleitung entfernt lebten.
Es fällt auf, dass das Risiko mit der Wohndauer anstieg. Die Wissenschafter fanden bei der Auswertung eine Dosis-Reaktions-Beziehung zwischen der Alzheimer- Krankheit und der Lebensdauer in der Nähe einer Hochspannungsleitung: Personen, die 5 Jahre lang weniger als 50 m entfernt von einer Hochspannungsleitung wohnten, hatten ein 1,5-fach höheres Risiko an der Alzheimer- Krankheit zu sterben, als Personen, die über 600m weit entfernt wohnten. Lebten sie 10 Jahre lang näher als 50m an den Leitungen, stieg das Risiko auf das 1,78-fache. Nach 15 Jahren war das Risiko doppelt so hoch. Ebenso fand man eine Dosis-Reaktions-Beziehung zwischen der Alzheimer-Krankheit und der Nähe zur Leitung.
Keine Zusammenhänge scheinen zwischen den 50 Hz-Magnetfeldern und multipler Sklerose, Parkinson und amyotropher Lateralsklerose zu bestehen.
Das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern erhärtete bereits in einer früheren Studie, dass Personen, die im Beruf starken magnetischen Feldern ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko tragen, an Alzheimer zu erkranken (Röösli et al. 2007, s.u.). Mit dieser neuen Studie handelt es sich um die weltweit erste Studie, die sich im Wohnumfeld mit dem Zusammenhang von elektromagnetischen Feldern und neurodegenerativen Erkrankungen beschäftigt. Das Dokument wurde im American Journal of Epidemiologie veröffentlicht (siehe Quellen-Link).
Der Zusammenhang zwischen Kinderleukämie und Hochspannungsleitungen wird mittlerweile in der Fachwelt akzeptiert, es gibt jedoch immer häufiger auch Hinweise auf andere Erkrankungen. Der Zusammenhang zu neurodegenerativen Erkrankungen wird mit dieser Studie erneut erhärtet.
Das britische Nachrichtenmagazin UK NEWS publizierte bereits ein erstes Interview mit einem der weltweit führenden Experten für gesundheitliche Auswirkungen von Hochspannungsleitungen, Prof. Denis Henshaw von der Universität Bristol. Henshaw schätzt, dass 150’000 Briten innerhalb der kritischen Zone von 50m von Hochspannungsanlagen leben.
Er sagte gegenüber der UK NEWS explizit, es sei nun an der Zeit, Hochspannungsmasten in dichtbesiedelten Gebieten abzubrechen und die Kabel in den Boden zu verlegen. Der Manager des britischen Netzwerkes NATIONAL GRID widerspach in der UK NEWS jedoch, da das Verlegen von Hochspannungskabeln unter die Erde angeblich sechs bis siebzehn mal teurer wäre, zudem erdverlegte Kabel wegen der Gefahr bei Grabungen verletzt werden könnten und auch der Unterhalt schwieriger sei. Gemäss Informationen, die der Diagnose-Funk vorliegen, betragen die realen Kosten für unterirdische gasisolierte Leitungen im normalen Gelände lediglich das Vierfache von jenen der Freileitungen.
Der Schweizer Co-Autor der Studie, Dr. Martin Röösli, weist jedoch darauf hin, dass in der Schweiz nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung weniger als 50 Meter von Hochspannungsleitungen entfernt wohnt, weshalb nur bei einem kleinen Teil aller Alzheimer-Erkrankungen solche Installationen eine Rolle spielen würden. Dieser Schein trügt jedoch: Auch kleinere Installationen wie Transformatoren an Hauswänden können bei ausreichender Nähe sehr hohe Felder erzeugen. Läuft man mit eingeschaltetem Messgerät durch ein Wohngebiet, so wundert man sich des öfteren über die allgegenwärtige Präsenz elektromagnetischer Felder im heutigen Alltag, nicht zuletzt auch von hochfrequenten Quellen, wie Mobilfunkantennen.
Auch Professor Egger warnt vor dem Schlafen in nächster Nähe von am Stromnetz betriebenen Weckern oder dem Leben entlang elektrifizierter Bahnlinien, was ebenfalls ein Risiko für Demenz in sich berge. Sein Fazit: „Alles, was angeschlossen und die ganze Zeit in Betrieb ist, ist eine Strahlungsquelle dieser Art.“ Betrachtet man all die elektromagnetischen Belastungen, die es fernab von Hochspannungsleitungen gibt, so dürfte das reale Risiko solch einer Leitung, bezogen auf eine unbelastete Bevölkerung, wesentlich höher sein.
Referenz:
Huss A., Spoerri A., Egger M., Röösli M. for the Swiss National Cohort Study: Residence near power lines and mortality from neurodegenerative diseases: Longitudinal study of the Swiss population. American Journal of Epidemiology, epub ahead of print, DOE:10.1093/aje/kwn297
Weitere Quellen: Huss et al. 2008 (s.u.), UK News vom 11.11.2008,
Universität Bern vom 06.11.2008 und Medizinauskunft.de vom 13.11.2008.