Die aufgenommene Handystrahlung wird insbesondere bei Kindern unterschätzt. Der SAR-Wert wird nach einem von der Mobilfunk-Industrie konzipierten Zulassungsverfahren ermittelt, bei dem die Körpermaße von 10% der Rekruten der US-Armee im Jahr 1989 als Maße für eine Modellpuppe verwendet wurden. Diese Rekruten waren durchschnittlich 1,88 m groß und wogen 100 kg. Dieses SAM-Zulassungsverfahren ("Specific Anthropomorphic Mannequin" (SAM) = "spezifische menschenähnliche Puppe") unterschätzt die tatsächliche Aufnahme von Handystrahlung so stark, dass jeder Handynutzer, der ein Handy in seiner Hosentasche trägt, eine weit über dem SAR- Richtwert liegende Strahlendosis aufnimmt. Auch wer sein Handy nicht in der Hosentasche trägt, sondern es zum Telefonieren an den Kopf hält, ist nicht besser dran.
SAR-Wert für Handys: Keine Sicherheit
Illustration: Hochwertige Farbwiedergabe der Bildgebungsstudien von OP Gandhi et al. (1996) Tiefe der Strahlungsabsorption bei einem 5-jährigen Kind, einem 10-jährigen Kind und einem Erwachsenen von einem GSM-Handy mit einer Frequenz von 900 MHz. Die Farbskala rechts zeigt den SAR-Wert in Watt pro Kilogramm.
Die Studie weist nach, dass bei 97% der Bevölkerung die zugelassene Strahlendosis überschritten wird. Die Strahlenbelastung kann bei Kindern am Kopf bis zum Dreifachen höher sein, ihre Augen und Knochen um bis zu 10mal mehr als bei Erwachsenen belastet werden. Dadurch ist eine akute Gesundheitsgefährdung gegeben.
Die Forscher appellieren:
„Weil Milliarden junger Kinder und Erwachsener, deren Köpfe kleiner sind als die der SAM-Modellpuppe, heute ausgiebig Handys verwenden und im Verhältnis mehr Handystrahlung aufnehmen, ist es unbedingt erforderlich und dringlich, dass Regierungen auf der ganzen Welt ihre Vorgehensweise bei der Festlegung von Grenzwerten für Mobilfunkstrahlung überarbeiten, um einen ausreichenden Schutz von Kindern zu gewährleisten.“
Der SAR-Wert täuscht eine Sicherheit vor und trägt damit zur sorglosen Handynutzung und zur Schädigung der Verbraucher bei. Als Konsequenz fordern die Forscher die Einführung eines computergestützten Zulassungsverfahrens, das sofort zur Verfügung stünde. Als Testpersonen schlagen sie die „virtuelle Familie“ vor, die aus Erwachsenen, Kindern und Schwangeren besteht.
Diagnose-Funk schließt sich diesen Forderungen an. Diagnose-Funk appelliert an die Regierungen, die Ergebnisse dieser Studie ernst zu nehmen, neue Prüfverfahren anzuordnen und die Bevölkerung über diese Gefahren aufzuklären.
Die Arbeit von Gandhi et al. beschreibt auch die Geschichte des Zulassungsverfahren für Handys durch die Federal Communications Commission (FCC = Amerikanische Bundesbehörde für Telekommunikation) und gibt einen Studienüberblick über die Gesundheitsgefährdung durch die Handystrahlung, die von der WHO als potentiell krebserregend eingestuft wurde.
Mobilfunkindustrie nimmt Schädigung der Kinder in Kauf
Stellt man den Erkenntnissen dieser Studie über die Strahlenbelastung besonders für Kinder die Aussagen der Industrie gegenüber, so wird deutlich, wie skrupellos deren Werbestrategen argumentieren, um ihre Produkte zu verkaufen. Das Informationszentrum Mobilfunk (IZMF), die Lobbyzentrale der deutschen Mobilfunkbetreiber, schreibt:
„Wie lange darf man maximal am Tag mit dem Handy telefonieren? Zeitliche Einschränkungen gibt es nicht, denn die gesetzlich festgelegten Grenzwerte, die auf den Grenzwertempfehlungen der unabhängigen Organisationen ICNIRP und WHO beruhen, gehen von einer Dauereinwirkung durch elektromagnetische Felder aus. Diese Grenzwerte schützen auch Kinder sowie ältere Menschen und kranke Mitbürger selbst bei einer ununterbrochenen Einwirkungsdauer von 24 Stunden am Tag."
(http://www.izmf.de/node/34084, Stand Dezember 2011)
Die ICNIRP-Richtlinien beziehen sich nicht speziell auf Kinder, Kranke und Schwangere, haben keine Langzeitkomponente und berücksichtigen nur thermische, nicht aber athermische Wirkungen:
„Die vorliegenden Richtlinien für die Begrenzung der Exposition wurden nach gründlicher Sichtung aller publizierten wissenschaftlichen Literatur entwickelt … Die Auslösung von Krebs durch langfristige Exposition durch EMF wurde als nicht gesichert angesehen, daher basieren diese Richtlinien auf kurzfristigen, unmittelbaren gesundheitlichen Auswirkungen wie z. B. die Reizung peripherer Nerven und Muskeln, Schocks und Verbrennungen, die durch Berührung leitfahiger Objekte verursacht werden und erhöhte Gewebetemperaturen, die aus der Absorption von Energie während der Exposition durch EMF resultieren." (ICNIRP-Richtlinien, S.48)