Stuttgart, 21.2.2025: Die Umwelt- und Verbraucherorganisation diagnose:funk veröffentlicht in der neuen Ausgabe der Fachzeitschrift ElektrosmogReport eine sorgfältig durchgeführte Studie, die zeigt, dass Mobilfunkstrahlung die lebenswichtige Blut-Hirn-Schranke (BHS) öffnen kann – und das schon bei geringer Strahlungsstärke. Die Folge ist, dass schädliche Stoffe ins Gehirn gelangen, obwohl sie dort nicht hingehören. Die Blut-Hirn-Schranke schützt das Gehirn normalerweise so gut vor körperfremden und unerwünschten Stoffen, dass selbst die meisten Medikamente nicht durch sie hindurchkommen. Die Blut-Hirn-Schranke ist bei allen Landwirbeltieren ausgebildet.
„Es klingt erschreckend – und es ist auch erschreckend: Handystrahlung macht offensichtlich die Blut-Hirn-Schranke durchlässig. Damit wird eine wichtige Schutzfunktion in unserem Gehirn nutzlos“, warnt Jörn Gutbier, Vorsitzender von diagnose:funk. „Welche Hiobsbotschaften über Funkstrahlung muss die Wissenschaft denn noch überbringen, bis die Verantwortlichen in Politik und Ämtern bereit sind, mit uns über die gesundheitsverträgliche Ausgestaltung der mobilen Kommunikation zu sprechen? Wir brauchen neue Technologien wie Licht statt Funk, aber auch neue Standards wie nationales Roaming. Oder interoperable Geräte, die einfach alle Netze von 5G über WLAN bis LiFi und LAN beherrschen – dann wäre deutlich weniger Strahlung nötig. Und wir brauchen viel Aufklärung und klare Verhaltensempfehlungen. Denn wer mobil kommunizieren will, möchte davon nicht krank werden.“
Mögliche Verhaltensempfehlungen sind:
- Der Abstand (zum strahlenden Gerät) ist Dein Freund, also: Handy weg vom Körper, nicht ans Ohr (wegen Gehirn und Hörnerv) und nicht in die Hosentasche (wegen Fruchtbarkeit).
- Zum Telefonieren und Musikhören ein kabelgebundenes Headset nutzen. So praktisch Airpods erscheinen, sie sind gesundheitsschädlich.
- Am Smartphone und Tablet zur Reduzierung der Strahlung die Hintergrunddienste bzw. mobile Daten, Bluetooth und WLAN (so oft wie möglich) ausschalten.
- WLAN-Router mindestens nachts ausschalten, dann herrscht Ruhe im Karton.
- Online-fähige Geräte per Kabel und damit strahlungsfrei mit dem Internet verbinden (geht auch mit Smartphones und Tablets per LAN-Adapter).
Hintergrundinfos zur Studie
Die Studie verwendete 21 weibliche neuseeländische Kaninchen, weil diese ein gängiges Tiermodell für die neurobiologische Forschung darstellen. Die Tiere wurden einmalig 38 Minuten lang (= doppelte durchschnittliche tägliche Gesprächsdauer in der Türkei) mit Hochfrequenzstrahlung von 1.800 MHz bzw. 2.100 MHz bestrahlt. Die Handystrahlung wurde mit 15 dBm = 0,032 Watt sehr niedrig gewählt; die Forscher sprechen von zehnmal niedriger als der „Normalwert“. (Vergleich: Handys strahlen bei 1.800 MHz bzw. 2.100 MHz mit maximal 1 Watt.) Nach der Bestrahlung wurde das Gehirn der Kaninchen daraufhin untersucht, ob farblich markierte schädliche Stoffe (Albumine) durch die Blut-Hirn-Schranke in die Gehirnmasse eindringen konnten. Bei beiden Frequenzen war dies der Fall, bei 2.100 MHz auch statistisch signifikant.
Die Autoren der Studie wollten so „Einblicke in die Auswirkungen auf die Gesundheit des Säugetiergehirns und die potenziellen Risiken im Zusammenhang mit chronischem Handygebrauch gewinnen.“ (S. 2, Einführung, Übersetzung diagnose:funk). Sie weisen darauf hin: „Das Verständnis der Wechselwirkung zwischen Mobilfunkstrahlung und der BHS ist von wesentlicher Bedeutung, da jede Störung der Integrität der BHS tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesundheit und Funktion des Gehirns haben könnte“ (S. 4), insbesondere könnte sie „verschiedene neurologische Störungen verursachen“ (S. 18). Genannt werden Alzheimer, Schlaganfall und Multiple Sklerose (S. 1).
Die vier Autoren der Studie arbeiten an vier verschiedenen türkischen Universitäten als Wissenschaftler, darunter die Istanbul Technical University. Finanziert wurde die Studie von der Türkischen Anstalt für Wissenschaftliche und Technologische Forschung.
Frühere Studien mit ähnlichem Ergebnis (exemplarische Auswahl):
- Salford LG, Eberhardt JL, Persson BR (1993): Permeability of the blood-brain barrier induced by 915 MHz electromagnetic radiation, continuous wave and modulated at 8, 16, 50 and 200 Hz. Bioelectrochemistry and Bioenergetics, 30(1993):293-301
Dies ist die erste Pionierarbeit zum Thema Blut-Hirn-Schranke und Mobilfunkstrahlung, dokumentiert von diagnose:funk. Siehe auch das Video unten. - Salford LG, Brun AE, Eberhardt JL, Malmgren L, Persson BR. Environ Health Perspect (2003): Nerve cell damage in mammalian brain after exposure to microwaves from GSM mobile phones. Environmental Health Perspectives, 111(7):881-883.
- Tang J, Zhang Y, Yang L, Chen Q, Tan L, Zuo S, Feng H, Chen Z, Zhu G (2015): Exposure to 900MHz electromagnetic fields activates the mkp-1/ERK pathway and causes blood-brain barrier damage and cognitive impairment in rats, Brain Research, 1601(2015):92-101.
- Sırav B, Seyhan N (2016): Effects of GSM modulated radio-frequency electromagnetic radiation on permeability of blood-brain barrier in male & female rats. J Chem Neuroanat 75:123-127.
- Gao P, Chen Q, Hu J, Lin Y, Lin J, Guo Q, Guo G (2020): Effect of ultra-wide-band electromagnetic pulses on blood-brain barrier permeability in rats. Mole Med Rep 22(4):2775-2782.
- Grafen K (2022): Albumin als Schlüsselmarker – Wie sich die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke nach Mobilfunkstrahlen-Exposition verändert, DHZ 2022; 17(06):56-59, Review.