KOMPAKT: 710 Studien, die biologische Effekte der nichtionisierenden Strahlung nachweisen, stehen jetzt auf der diagnose:funk Datenbank EMFData, 529 davon rezensiert. Warum diese aufwändige Arbeit?
PETER HENSINGER: Wir haben uns als ein Standbein unserer Arbeit von Anfang an auf die Auswertung der Studienlage konzentriert. Vodafone-Chef Haas sagte mal im Interview: „Es gibt keinerlei wissenschaftlich fundierte Studien, die auch nur irgendeine Gesundheitsgefährdung sehen.“ Und das Bundesamt für Strahlenschutz pflichtet ihm bei mit der Behauptung, unterhalb der Grenzwerte gäbe es keinerlei Nachweise von Gesundheitsrisiken. Würde das zutreffen, wäre diagnose:funk überflüssig und unsere Kritik grundlose Angstmacherei. Die Ergebnisse der Studien legitimieren unsere Arbeit, und die Nachweise nahmen von Jahr zu Jahr zu.
KOMPAKT: Wie sichert ihr ab, dass eure Interpretationen glaubhaft sind? Im diagnose:funk Vorstand sind zwar auch Wissenschaftler, aber keine Zellbiologen!
PETER HENSINGER: Der Soziologe Ulrich Beck macht in seinem Standardwerk „Weltrisikogesellschaft“ eine Kernaussage. In der kapitalistischen Gesellschaft habe nur noch der aufgeklärte Bürger ein Interesse an der Wahrheit, weil er anders als viele Experten nicht mit der Industrie verbandelt und von Karriereinteressen beeinflusst sei. Den Staat bezeichnet Beck als „Legitimationsorgan“ von Industrieinteressen. Die Demokratie zeichne sich aber gerade dadurch aus, dass NGOs und Bürgerinitiativen Fehlentwicklungen fundiert kritisieren. Der Motor der Erkenntnis seien meist Aktive, die sich für die Gesundheit und die Umwelt einsetzen. Und dabei werden sie zum Glück von Wissenschaftlern unterstützt, die keine Interessenkonflikte haben. So war es auch bei uns. In unserer Stuttgarter Bürgerinitiative war vor 20 Jahren ein Biophysiker, der die Studienlage kannte, sogar dazu forschte und mir u.a. den Weg zu einem Selbststudium in Zellbiologie zeigte. Ergebnis war damals die Broschüre „Zellen im Strahlenstress“.