Ralf Lankau / Uwe Büsching: Wirtschaftsinteressen vor Kindeswohl?

Scharfe Kritik an der Position der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ)
Deutschland gegen den Rest der Welt! Während ein Land nach dem anderen zum Schutz der Kinder Smartphone- und Socialmediaverbote ausspricht, bauen deutsche Behörden Schutzwälle gegen diese Verbote, mit immer neuen Konstruktionen von Rechtfertigungen. Cui Bono? Das fragen der Medienwissenschaftler Prof. Ralf Lankau und der Kinderarzt Dr. Uwe Büsching.
Prof. Dr. phil. Ralf LankauBild: D. Curticapean

Wirtschaftsinteressen vor Kindeswohl?

 

UN-Kinderrechtskonvention 1989 und „Recht auf digitale Teilhabe“ 2021 – Aufforderung an die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ), sich dem Verbot kommerzieller, sozial nur genannter Dienste und privater digitaler Endgeräte (Smartphones) in Schulen anzuschließen.

Von Ralf Lankau und Uwe Büsching (Kurzfassung)
 

 

Australien hat im November 2024 ein Gesetz verabschiedet, das kommerzielle „Social-Media“-Anwendungen erst ab 16 Jahren gestattet. Die australische Regierung begründet das Verbot mit den massiven, negativen Folgen für die physische und psychische Gesundheit, das Selbstwertgefühl und die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Damit steht Australien nicht allein. Immer mehr Länder reagieren mit Alters- und Zugangsbeschränkungen und Verboten bestimmter Designtechniken, InApp-Käufen u.v.m.

Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) spricht sich jedoch gegen ein Social-Media-Verbot aus – ohne auf die Begründung der australischen Regierung oder ähnliche Entscheidungen anderer Länder einzugehen. Junge Menschen hätten laut den allgemeinen Bemerkung Nr. 25 (2021) zu der UN-Kinderrechtskonvention über die Rechte der Kinder im digitalen Umfeld ein Recht auf „digitale Teilhabe“. Das verkennt, dass sich das World Wide Web durch wenige IT-Monopole und die heute dominierende Plattform- bzw. Datenökonomie seit 2021 zu einem nicht für möglich gehaltenen marktradikalen Überwachungskapitalismus entwickelt hat, der dringend der Kontrolle und Einschränkung durch demokratische Institutionen bedarf. Daher fordern wir die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) auf:

  • Schutz Minderjähriger im Netz. Nehmen Sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse und politischen Entscheidungen von immer mehr Nachbarländern zur Kenntnis, die zum Schutz von Kindern und Jugendlichen kommerzielle Internetdienste einschränken oder verbieten. Diese Dienste sind nicht sozial!
  • Frühdigitalisierung bedeutet Frühkonditionierung. Folgen des zu frühen Heranführens und „Aufwachsen in einer digitalen Welt“ sind eklatanten Defizite in der physischen, psychischen, kognitiven und sozialen Entwicklung. Kinder werden genötigt, Bewegtbildern passiv zu konsumieren, am Bildschirm zu arbeiten und zu lernen und mit Avataren zu interagieren.
  • Smartphoneverbot. Schließen Sie sich dem Verbot privater Endgeräte (Smartphones, Tablets, Smartwatches etc.) an Schulen an oder besser noch: Setzen Sie sich für Kinder und Jugendmedienschutz ein, setzen sie sich an die Spitze der Bewegung, die regulären und ablenkungsfreien Unterricht fordert.
  • Verbot von Dark Patterns. Schützen Sie Kinder und Jugendliche vor manipulativen Designtechniken (dark patterns, Art.13. Nordic Declaration) und verbieten Sie generell das Sammeln und Auswerten von Daten Minderjähriger (Verbot des Profiling für digitale Zwillinge).
  • Verbindliche Alterszugangskontrollen. Fordern Sie analog zu Australien von den Plattformbetreibern zuverlässige Alterszugangsbeschränkungen und die Transparenz der Inhalte und Auswahlkriterien für Angebote an Minderjährige.
  • Presserecht und pädagogische Begleitung. Fordern Sie, dass die Plattform-Betreiber für dort publizierten Inhalte verantwortlich gemacht werden wie in jeder anderen Medienform und setzen Sie sich für begleitende Bildungsmaßnahmen ein, um eine altersgerechte Medienmündigkeit zu vermitteln.

Der ganze Text als Website-Beitrag: Wirtschaftsinteressen vor Kindeswohl?

Der Text (14 Seiten) als PDF:  Lankau/Büsching: Socialmedia- und Smartphone- Verbot

Ansprechpartner

Prof. Dr. Ralf Lankau, HS Offenburg (eMail: die-paedagogische-Wende@futur-iii.de)
Dr. med. Uwe Büsching, Bielefeld (eMail: ubbbs@gmx.de)

 

Podcast mit Dr. Uwe Büsching | 16.07.2024

Konsum von Bildschirmmedien: Wie viel ist zu viel – und warum?

Dr. Uwe Büsching, privat

Ist die Nutzung von Bildschirmmedien ein Thema in der Kinder- und Jugendarztpraxis? Wer ist überhaupt in der Verantwortung, sich des Themas anzunehmen? Welche Schäden entstehen durch übermäßigen Medienkonsum, welche Studien gibt es, wer bietet Hilfe an? Darüber haben wir mit dem Kinder- und Jugendarzt Dr. Uwe Büsching gesprochen. Er ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kinder und Jugend, ein Teil der Stiftung ist die „Medienwerkstatt“.

 

Dr. Büsching geht auf die Vorbildfunktion der Eltern ein und spricht sich für eine bessere Information aus. In der Kinder- und Jugendarztpraxis verhinderten oft Zeitmangel, fehlende Ressourcen und mangelnde Abrechenbarkeit, dass die Mediennutzung ausreichend behandelt wird.

Seit 2023 gibt es die S2k-Leitlinie zur Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in Kindheit und Jugend, die eine regulierte Nutzung von Bildschirmmedien in den Mittelpunkt stellt. Die Leitlinien soll als Informationsquelle für Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte dienen, zudem gibt es eine Elternversion. Auch über die Leitlinie wird in dieser Folge von O-Ton Pädiatrie ausführlich gesprochen. (Text: O-Ton Pädiatrie)

Weiterführende Links:

Leitlinie „Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs“: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/027-075
Stiftung Kind und Jugend: www.stiftung-kind-und-jugend.de/der-vorstand/
Empfehlungen für Eltern zum Bildschirmmediengebrauch: https://www.kinderaerzte-im-netz.de/mediathek/empfehlungen-zum-bildschirmmediengebrauch/

Publikation zum Thema

Januar 2022Format: A4Seitenanzahl: 12 Veröffentlicht am: 18.01.2022 Bestellnr.: 247Sprache: deutschHerausgeber: diagnose:funk

Wie die Telekommunikationsindustrie die Politik im Griff hat


Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
diagnose:funk legt in diesem Brennpunkt eine Recherche zur Lobbyarbeit der Mobilfunkindustrie und BITKOM-Branche zur Digitalisierung vor, basierend auf der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE „Beziehungen von Telekommunikationsunternehmen zur Bundesregierung“ (Bundestagsdrucksache 18/9620, 13.09.2016). Sechs Grafiken verbildlichen die Verflechtungen. Politisch eingeordnet wird diese Analyse auf Grund eigener Erfahrungen mit Besuchen bei Bundestagsabgeordneten und dem neuen Buch „Lobbyland. Wie die Wirtschaft unsere Demokratie kauft“ (2021) des ehemaligen Dortmunder SPD-Abgeordneten Marco Bülow über seine 18-jährigen Erfahrungen im Bundestag und weiteren Literaturrecherchen.
diagnose:funk
Stand: 08.10.2024Format: DIN A4Seitenanzahl: 37 Veröffentlicht am: 29.08.2024 Sprache: deutschHerausgeber: diagnose:funk

Überblick Nr. 7: Kinder und digitale Medien – Eine pädagogische Herausforderung!


Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Überblick Nr. 7 dokumentiert, warum eine zu frühe und unregulierte Nutzung des Smartphones und anderer digitaler Medien zu negativen Auswirkungen führen kann. Schwerpunktmäßig werden Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie und Neurobiologie behandelt. Es werden Lösungsmöglichkeiten für Eltern, Erziehende und die Politik aufgezeigt, um Kinder und Jugendliche vor einer Smartphonesucht zu bewahren.
Artikel veröffentlicht:
30.12.2024
Autor:
Prof. Ralf Lankau / Dr. Uwe Büsching
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