Die ATHEM-3 Studie verleiht den "vergessenen" Naila-Befunden aus 2004 neue Aktualität. Erstmals wird in einer Feldstudie ein biologischer Mechanismus direkt am Menschen beschrieben, der die Befunde der Naila-Studie und weiterer Berichte plausibel macht. Mit dem Studienleiter Prof. Wilhelm Mosgöller (Med.Uni Wien) führten wir ein Interview über die gefundenen Genomschäden, die nach jahrelanger Exposition mit geringen radiofrequenten elektromagnetischen Feldern als Chromosomenschäden auftraten, die in der Medizin als Risikoindikatoren gelten.
Herr Professor Mosgöller, Sie hatten die Projektleitung der ATHEM-3 Studie (Gulati et al. 2024). In ihr wurde untersucht, ob und wie hochfrequente elektromagnetische Strahlung von Mobilfunkmasten auf Menschen wirkt. In Deutschland wurde seit der Naila Studie (2004) nicht weitergeforscht. Was genau untersuchten Sie? Und was genau ist der Bezug zur Naila Studie?
Bei uns ging es methodisch gesehen nicht um Epidemiologie wie bei Naila, sondern wir haben in die Studie gesunde Personen aus einer Wohnregion aufgenommen und verglichen, je nachdem, ob sie entweder kaum exponiert sind oder alternativ relativ hohe Immissionen in Ihren Wohnungen hatten. Entscheidend für die Teilnahme war, dass die Bewohner zumindest 5 Jahre an dem untersuchten Wohnort gewohnt hatten. Bedeutsam ist, dass die Effekte, die wir nach jahrelanger Exposition feststellten, bei Expositionen um den Faktor 100 unter den aktuell erlaubten Werten entstanden (Anm. diagnose:funk: Gemeint sind die ICNIRP-Grenzwerte, s. Tabelle 2, S. 3 der Studie).
Welche Strahlungsquellen und anderen Umwelteinflüsse wurden bei der Untersuchung berücksichtigt?
Es war uns wichtig, dass wir uns nicht auf die räumliche Nähe zum Mobilfunkmasten beziehen, sondern auf die tatsächlich vorhandenen HF-EMF (Hochfrequente Elektromagnetische Felder) Immissionen. Das sind jene, die von Mobilfunkmasten kommen, aber auch jene, die durch WLAN und Schnurlostelefonen hausgemacht sind. Ein großer Teil der Untersuchungen beschäftigte sich mit Lebensstilfaktoren und Lebenserfahrungen der Teilnehmer. Es ist ja nicht so, dass nur die Exposition zu hochfrequenten Feldern allein ein Risiko darstellt. Uns ging es auch darum, denkbare Einflüsse wie Ernährung, Umwelteinflüsse, berufsbedingte Expositionen, selbst gemachte HF-EMF Expositionen, z.B. WLAN, zu dokumentieren und deren möglichen Einfluss auf die Befunde zu oxidativem Stress, DNA- und Chromosomenschäden zu berücksichtigen.
… und wer wurde untersucht?
Die beste Wissenschaft wäre wertlos, hätten die Bewohner nicht mitgemacht. Sie haben uns ihre Häuser geöffnet und ermöglicht, die vorhandenen hoch und niederfrequenten Felder - hausgemacht und von extern kommend – detailliert zu erfassen.
Auf Basis der in den Häusern vorgefundenen Immissionen ließen sich die Studienteilnehmer zwanglos zwei direkt miteinander vergleichbaren Gruppen zuteilen: (1) Überdurchschnittlich hoch mit HF-EMF exponiert, (2) kaum oder niedrig exponiert. Die freiwilligen Teilnehmer stellten Blutproben zur Verfügung. Die Proben-Untersuchungen wurden unter mehrfach verblindeten Bedingungen durchgeführt, das heißt, keine der biologischen Analysen konnte durch die denkbare Erwartungshaltung der Untersucher beeinflusst werden. Während des gesamten Projektes wurden keine zusätzlichen EMF-Immissionen erzeugt. Es wurden ausschließlich Immissionen ausgewertet, die im Alltag unserer Teilnehmer vorkommen.