In der Schweiz wurde von der Universität Genf und dem Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut Basel (Swiss TPH) im September 2023 eine epidemiologische Studien über die Auswirkungen der Handynutzung auf die Spermien veröffentlicht. Die Forschenden analysierten die Daten von 2886 Männern im Alter zwischen 18 und 22 Jahren, die zwischen 2005 und 2018 für die Armee rekrutiert wurden. Das Hauptergebnis:
- „Diese große bevölkerungsbasierte Studie deutet darauf hin, dass eine höhere Mobiltelefonnutzung mit einer geringeren Spermienkonzentration und einer niedrigeren Gesamtzahl der Spermien (TSC, total sperm count) verbunden ist. Der beobachtete zeitliche Trend eines abnehmenden Zusammenhangs steht im Einklang mit dem Übergang zu neuen Technologien und der entsprechenden Abnahme der Ausgangsleistung von Mobiltelefonen. Prospektive Studien mit verbesserter Expositionsabschätzung sind erforderlich, um zu bestätigen, ob die beobachteten Zusammenhänge kausal sind.“ (Abstract der Studie) [1]
Titel der Studie: Rita Rahban, Alfred Senn, Serge Nef, Martin Rӧӧsli. Association between self-reported mobile phone use and the semen quality of young men, Andrology 2023, Article in press.
Freier Download der Studie: https://www.fertstert.org/article/S0015-0282(23)01875-7/fulltext
21 Prozent weniger Spermien
Männer, die das Mobiltelefon mehr als 20-mal pro Tag benutzten, hatten im Durchschnitt eine signifikant geringere Spermienkonzentration (44,5 Millionen pro Milliliter) als Männer, die ihr Handy nicht mehr als einmal pro Woche verwendeten (56,5 Mio./ml). Das ist ein Rückgang um ein Fünftel (21 Prozent). Die Chance auf eine Schwangerschaft sinkt, wenn die Spermienkonzentration unter 40 Millionen pro Milliliter liegt.
Studien haben gezeigt, dass sich die Spermienkonzentration in den letzten 50 Jahren von durchschnittlich 99 Millionen auf 47 Millionen Spermien pro Milliliter halbiert hat. Man geht davon aus, dass dieses Phänomen auf eine Kombination von Umweltfaktoren (hormonaktive Substanzen, Pestizide, Strahlung) und Verhaltensfaktoren (Ernährung, Alkohol, Stress, Rauchen) zurückzuführen ist.
Wirkmechanismus nicht untersucht
Die Schweizer Studie ist eine epidemiologische und keine klinische und hat deshalb nicht die zellulären Ursachen der Schädigung untersucht. Sie weist eine logische Korrelation, aber keine Kausalität nach. Die Forschenden legen sich nicht auf kausale Zusammenhänge fest, sondern verweisen auf Ergebnisse bisheriger Forschung:
- „Experimentelle Studien an Ratten haben ergeben, dass RF-EMF den Keimzellzyklus beeinträchtigen, das Absterben von Spermien erhöhen und histologische Veränderungen in den Hoden verursachen können (20-23). RF-EMF-Exposition wurde auch mit einer signifikanten Zunahme abnormaler histologischer Veränderungen in den Hodenkanälchen in Zusammenhang gebracht, was auf eine Beeinträchtigung der männlichen Fruchtbarkeit bei Mäusen hinweist (24).“
- „Beim Menschen untersuchten Beobachtungsstudien den Zusammenhang zwischen Handynutzung und reproduktiver Gesundheit haben vor allem eine hohe Häufigkeit der Handynutzung mit einer verminderten Beweglichkeit, Morphologie und Lebensfähigkeit der Spermien in Verbindung gebracht. Die Auswirkungen auf die Spermienkonzentration waren jedoch eher unklar.“
- „.... RF-EMF könnte indirekt auf die Spermienqualität wirken, indem es Veränderungen der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse und der Sekretion der gonadotropen Hormone, luteinisierendes Hormon, follikelstimulierendes Hormon und des Sexualsteroids Testosteron bewirkt (18, 20, 23, 41, 56-59). Es wurden bereits mehrere Wirkmechanismen vorgeschlagen, um die nachteiligen Auswirkungen von RF-EMFs auf Spermaparameter zu erklären, aber keiner wurde bisher bestätigt. Dazu gehören die Rolle von Kinasen im zellulären Stoffwechsel (21, 60), DNA-Schäden, oxidativer Stress (24, 26, 30, 61, 62), thermische Einwirkungen sowie Veränderungen in der Aktivität von Magnetitpartikeln, die zelluläre Prozesse beeinflussen (63).“[2]
Auch wenn die Autoren sich nicht festlegen wollen, so beweist auch ihr Ergebnis: Eine Vorsorgepolitik und die Aufklärung der Bevölkerung über das Risiko der Spermienschädigung ist notwendig.
Die Schädigung der Fertilität ist nachgewiesen
Im Gegensatz zu den vorsichtigen Einschätzungen der Schweizer Studie kommt die STOA-Studie (2021) des Technikfolgenausschusses des EU-Parlaments, ein Scoping - Review, nach Auswertung der Gesamtstudienlage zu dem Ergebnis, dass negative Auswirkungen nachgewiesen sind. 20 weitere Reviews kommen auch zu diesem Ergebnis.
Die Ergebnisse der STOA-Studie bestätigt die bisher umfangreichste Meta-Studie der Universität Pusan von KIM et al. (2022). Auch sie sieht die Zusammenhänge als bewiesen an: Die von Mobiltelefonen ausgestrahlten hochfrequenten elektromagnetischen Wellen beeinträchtigen die Qualität der Spermien, indem sie deren Beweglichkeit, Lebensfähigkeit und Konzentration verringern (s.u. Poster aus der Studie).
Die Zusammenschau der Ergebnisse aus epidemiologischen, in-vivo und in-vitro Studien ergibt ein klares Ergebnis: Beim Endpunkt Fertilität und Spermien ist der Nachweis erbracht, dass nicht-ionisierende Strahlung schädliche Auswirkungen hat. Die Schweizer Studie erhärtet dies. Daran ändert der unbeholfene Eiertanz, der in der Schweizer Presse zur Verharmlosung und Relativierung der Ergebnisse nun getanzt wird, nichts: Man will nicht wahrhaben, was nicht sein darf.