«Wir müssen den Kindern und Jugendlichen eine ethische Orientierung geben auf dem Weg zur eigenen Medienmündigkeit»
Darunter ist der Fall einer 14-Jährigen, die heimlich von ihrem Freund während eines Videocalls bei erotischen Handlungen gefilmt wird. Am nächsten Tag veröffentlicht er das Video im Internet. In einem anderen Beispiel berichtet die Autorin von einer Zwölfjährigen, die während des Unterrichts mit einem erwachsenen Mann chattet, der ihr «perverse, pornografische Gedanken» schreibt. Dabei sei es einer Gruppe von Mädchen um die Challenge gegangen, wer als erste ein «Dickpic» geschickt bekomme, also ein Foto von einem Penis.
«Wenn man so was hört, ist man erst mal hilflos», sagt Müller. Ihre Schule sei keine Brennpunktschule, eher «Bullerbü». Was sie erlebe, gelte ihrer Erfahrung nach auch für andere Schulen. Ihrer Ansicht nach haben die bisherigen Maßnahmen der Medienerziehung versagt. «Wir müssen den Kindern und Jugendlichen eine ethische Orientierung geben auf dem Weg zur eigenen Medienmündigkeit», betont sie. Gefragt seien dabei Eltern, Lehrer und die Politik.
Mit ihrem Buch will sie den Verantwortlichen überhaupt erstmal bewusst machen, was bereits Neunjährige im Internet sehen. «Von vielen Eltern wird die Gefahr völlig ausgeblendet», sagt sie. Keinesfalls wolle sie die Digitalisierung verteufeln, im Gegenteil: Vom niedersächsischen Wirtschaftsministerium erhielt sie 2021 die Auszeichnung als «Digitalbotschafterin».
Eltern müssten verstehen, was ihre Kinder im Internet machten. Dabei sei es zum Beispiel wichtig, selbst mal ein Onlinespiel zu spielen, für das sich der Nachwuchs begeistert. «Für Eltern ist es klar, dass sie keine Fremden ins Kinderzimmer lassen würden. Aber in Bezug auf Online-Spiele, in denen über Chatfunktionen auch Übergriffe durch Fremde stattfinden können, ist das Gefahrenbewusstsein kaum vorhanden», sagt Müller. Ihr sei es auch unverständlich, dass schon Zehnjährige ihr Smartphone abends mit ins Bett nehmen dürften.
Sie empfiehlt unter anderem Medienabende für Eltern an Schulen. An Müllers Oberschule werden dabei Videos und Textnachrichten präsentiert, die aktuell im Umlauf sind. «Jedes Mal blicken wir in schockierte Gesichter der Eltern, die uns hinterher beschämt rückmelden, dass sie um die Härte und das Ausmaß nicht gewusst hätten», schreibt die Autorin in ihrem Buch. Zudem rät sie, an Schulen Social-Media-Sprechstunden anzubieten, in der die Schüler ihre Erfahrungen besprechen können.
Diese Buch-Rezension ist aus news4teachers: https://www.news4teachers.de/2023/05/schulleiterin-ueber-soziale-medien-wir-verlieren-unsere-kinder-eltern-und-lehrer-sind-ahnungslos/
>>> Besprechung der Markus Lanz Sendung auf web.de
________________________________________________________________
diagnose:funk Video: Aufwach(s)en im Umgang mit digitalen Medien