Kommunen können Alternativstandorte vorschlagen!
diagnose:funk: Herr Budzinski, die Allzuständigkeit der Kommune gilt auch für den Gesundheitsschutz und für eine intakte Umwelt. Elektrosmog ist dafür ein Risikofaktor. Immer wieder hören wir, dass Bürgermeister den Gemeinderäten sagen, wir haben keine Rechte bei der Aufstellung von Mobilfunkmasten.
B. I. Budzinski: Das ist in dieser Pauschalität nicht richtig, denn ...
Erstens: Die Bürgermeister übersehen, dass sie von den Betreibern rechtzeitig vor der Aufstellung einer (Hochfrequenz-) Sendeanlage gehört werden müssen und dann in der Regel 8 Wochen Zeit haben, einen sog. Alternativstandort vorzuschlagen. Und das muss nicht vergeblich sein! Die Betreiber müssen diesen Vorschlag nämlich akzeptieren, wenn der Standort annähernd mit dem ursprünglich geplanten funktional vergleichbar ist. Diese Rechtsposition folgt nicht allein aus dem rechtlich eher unverbindlichen sog. Mobilfunkpakt, sondern aus § 7a der 26. BImSchV, also der gesetzlichen Regelung für die Zulassung von Sendeanlagen. §7a soll gerade die „Rechtlosigkeit“ der Gemeinden gegenüber einer Umgestaltung des Gemeindegebiets durch Funkmasten verhindern.
Zweitens: Und entgegen einer neuerlich vermehrt verbreiteten Behauptung darf der Alternativstandort nicht allein schon deshalb – also ohne weitere inhaltliche Prüfung – abgelehnt oder erst gar nicht vorgeschlagen werden, falls er sich nicht im sogenannten Suchkreis befindet. Insbesondere in bisher funkarmen Gegenden sind die Suchkreise noch gar nicht so zwingend festgelegt, dass keine Verschiebungen denkbar erschienen.
Drittens: Da die Anhörung außerdem nicht allein wegen der baulichen Erscheinung, sondern wegen der Emissionen von Hochfrequenz („Hochfrequenzanlage“!) erfolgen soll, spricht des Weiteren viel dafür, sie bei jeder nennenswerten Erhöhung oder Veränderung der Emissionen auch einer baulich schon vorhandenen Anlage zu fordern, z.B. bei einer Hinzufügung oder wesentlichen Veränderung von Antennen, zumindest aber dann, wenn auch eine neue Standortbescheinigung erforderlich ist.
Viertens: Die Gemeinden dürfen darüber hinaus Standorte auch durch Bebauungspläne oder mit Hilfe sogenannter Vorrangplätze im Flächennutzungsplan generell vorausschauend festlegen – Letzteres ähnlich wie bei Windrädern. Dabei können aus begründetem Anlass, z.B. für den Tourismus, für Forschungszwecke oder zur Unterbringung strahlenempfindlicher Personen, mobilfunkfreie oder strahlenreduzierte Zonen ausgewiesen werden, wie es beispielhaft im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön geplant ist (Ziff. 4.7 des dortigen Rahmenplanes; https://www.biosphaerenreservat-rhoen.de/fileadmin/ media/publikationen/Rahmenkonzept_Band_III.pdf).
diagnose:funk: Wo ist das juristisch zugesichert?
B. I. Budzinski: Das beruht auf der in Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz verfassungsrechtlich gesicherten ‚Allzuständigkeit’ und Planungshoheit der autonomen Gemeinden und einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahre 2012, in welcher die Planung eines mastenfreien Wohngebiets einer Gemeinde zur Vorsorge gegen Strahlenrisiken gebilligt wurde.[1]
Erstens: Nach bislang einhelliger Meinung in der Fachliteratur dazu dürfte die Gemeinde in dieser Weise sogar gänzlich mobilfunkfreie Zonen einrichten.[2] Um so mehr darf sie deshalb in bestimmten (Wohn-)Gebieten den Mobilfunk auch bloß reduzieren – z.B. auf das Freie ohne sog. Indoor-Versorgung beschränken. Denn Beides stellt eine wirksame Vorsorge gegenüber Funkstrahlung dar, zumal die Grenzwerte selbst keinerlei Vorsorge beinhalten.
Zweitens: Dank ihrer Gemeinde- und Planungshoheit dürfen die Gemeinden für ihre Bürger*innen also vorsorgen und dabei mehr bieten, als sie nur auf den allgemeinen Mindestschutz der Grenzwerte zu vertrösten (zumal Bund und Land untätig bleiben!). Dazu besteht nach der insoweit für die planerische Abwägung der Gemeinden maßgeblichen Auffassung des Gerichts begründeter Anlass, weil der Mobilfunk nicht frei von beachtlichen Risiken ist. Denn „die im Zusammenhang mit Mobilfunk bestehenden Besorgnisse sind (auch) dem "vorsorgerelevanten Risikoniveau" zuzuordnen und nicht ausschließlich den "Immissionsbefürchtungen"“, sagt das Gericht ausdrücklich (Ziff. 20)).
Drittens: Die Auffassung des Bundesamts für Strahlenschutz, es gebe keinen Grund zur Sorge, ist damit überholt. Das bestätigt im Ergebnis auch der Technikfolgenausschuss des deutschen Bundestages: Er hält es nunmehr ebenfalls für geboten, „die Einrichtung von Schutzzonen, in denen die Verwendung von Mobiltelefonen oder die Errichtung von Sendeanlagen verboten oder stark eingeschränkt wird“, in Betracht zu ziehen (Bericht vom 14.02.2023)[3].