FFF-Demos am 23.9.22: Digitalisierung, ein Klimakiller? Auch das Internet hat einen Auspuff!

Energiesparen - ja! Aber ohne Tabus!
Zurecht rufen Fridays for Future, der BUND und viele andere Umweltorganisationen am 23.9.2022 zu Aktionen auf und protestieren scharf gegen die industriefreundliche Klimapolitik der Bundesregierung.
Fridays for Future

Die Klimakatastrophe ist da: Hitzesommer, Wassermangel, Missernten. 48 Grad in Indien, 60 Grad Bodentemperatur, Gebiete der Erde werden schon unbewohnbar, Waldbrände weltweit, Überschwem­mungen im Ahrtal, in Pakistan, Gletscher in den Alpen und der Arktis schmelzen, man kann die Dramatik nicht mehr leugnen. „Wir haben die Wahl. Entweder handeln wir zusammen oder wir begehen gemeinsam Selbstmord,“ warnte UN-Generalsekretär Guterres auf einer Klimakonferenz (Süddtsch. Ztg., 19.07.2022).

 

 

Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut warnt:

  • „Neu ist, dass wir sofort handeln müssen, um unsere Emissionen bis 2030 zu halbieren. Die Chance zerrinnt uns zwischen den Fingern, weil die Politik nicht entschlossen genug handelt ... Die Stromversorgung muss komplett auf Erneuerbare umgestellt werden, und jede Art von Subventionen für fossile Energien muss sofort abgestellt werden – Pendlerpauschale, Tankrabatte und dergleichen. Wir subventionieren unseren eigenen Untergang mit Steuergeldern, das ist doch aberwitzig“ (TAZ, 30.04.2022).

Viele richtige Maßnahmen zum Umsteuern werden von FFF und den Umweltorganisationen vorgeschlagen, doch eines ist fällt auf: Dass die Digitalisierung auch ein Klimakiller ist, wird in der Diskussion nicht beachtet. Die Bundesregierung hat auf ihrer Klausur in Meseberg Anfang September 2022 die Digitalisierung aller Gesellschaftsbereiche wieder zum innenpolitischen Schwerpunkt erklärt. 5G ist ein Synonym des Umbaus.

WBGU: Digitalisierung ist ein Brandbeschleuniger

Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umwelt­veränderungen Bundesregierung (WBGU) warnt, die Digitalisierung als Geschäfts­­­modell der Industrie wirke als „Brandbeschleuniger ... der Übernutzung natürlicher Ressour­cen“. Die Digitalisierung gefährde „sogar (den) schieren Fortbestand des Anthropos (des Menschen) auf der Erde. Nur wenn es gelingt, die digitalen Umbrüche in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten, kann die Nach­haltigkeitstransformation gelingen. Digitalisierung droht ansonsten als Brandbeschleuniger von Wachstumsmustern zu wirken, die die planetarischen Leitplanken durchbre­chen.“[1]

Warum die Digitalisierung ein Klimakiller ist, und welche Alternativen es gibt, behandelt unser Flyer (>>>Download). Das sind die Themen:

  • Wachsender Stromverbrauch.
  • Smartphone, Netflix und Google sind CO2-Schleudern.
  • Gigantischer Ressourcenverbrauch.
  • Staatliche Regulierung ist überfällig.

 

Hilft die neue 5G-Technologie Energie sparen?

Nun wird aber behauptet, 5G sei wesentlich energieeffizienter wie bisherige Frequenzen. Das ist eine absatzfördernde Zweckpropaganda, denn das Gegenteil ist der Fall, wie ein Gutachten des Umweltbundesamtes dokumentiert.[2]

Der erste Grund: 5G braucht mehr Strom, wie selbst ein Industrieportal analysiert:

  • "Einer der negativen Aspekte, der die Betreiber bei ihrem Übergang von 4G zu 5G beeinträchtigen wird, sind die Kosten. Es wird erwartet, dass die Energie für die Stromversorgung des 5G-Netzes mehr als dreieinhalb Mal so viel Strom verbraucht wie 4G ... ABI Research informiert uns, dass ein normaler LTE (4G)-Mobilfunkstandort etwa 6 Kilowatt (kW) Leistung verbraucht, und in Spitzenzeiten steigt dieser Wert auf 8-9 kW. Die Implementierung eines riesigen MIMO-Systems mit vier Sendern und Empfängern (4T4R) kann jedoch 14 kW verbrauchen, und in Spitzenzeiten steigt dieser Wert auf 19 kW.  Eine separate Analyse von Huawei, die auf Betreiberdaten basiert, zeigt ähnliche Ergebnisse: Der Stromverbrauch von 5G-Geräten in 3,5 GHz mit 64T64R und massivem MIMO wird "300 % bis 350 %" einer 4G-Basisstation betragen."[3]

Die weiteren Gründe: 5G braucht mehr Antennen, alle 100 Meter in Städten, von jedem Betreiber, und es soll ja dazu führen, dass immer mehr Endgeräte (Internet der Dinge) gekauft und vernetzt werden. Das wird das zerstörerische Wachstum anheizen, ein klassischer Rebound-Effekt.

Der IT-Beauftragte des Bundesumweltministeriums Martin Wimmer erklärte treffend:
„Die Schlote der Digitalisierung rauchen genauso wie die in Gelsenkirchen früher“
(Heise, 21.10.2019).

diagnose:funk

Harald Welzer: „Das Digitale ist fossil. Es verbrennt Zukunft, Radikal!“

Die digitale Transformation für den Hyperkonsum setzt die Umweltzerstö­rungen der ersten industriellen Revolution fort. Der Soziologe Harald Welzer bringt es auf den Punkt:

„Führt man sich das alles vor Augen, hat man eine Kaskade von Problemen vor sich, von denen nicht ein einziges mit den Mitteln der Digitalisierung zu lösen ist. Nehmen wir Umweltzerstörung, Klimawandel, Landraub und all die anderen Folgen eines in seiner Steigerungslogik ungebremsten Hyperkonsums dazu, wird im Gegenteil etwas ganz anderes deutlich: Die Digitalisierung ist in ihrer unmittelbaren Verschwisterung mit dem Konsum von Gütern und Dienstleistungen nichts anderes als die radi­kalisierte Fortschreibung des wachstumswirtschaftlichen Programms, das weder an der vernünf­tigen Einrichtung von Gesellschaften noch an einem zukunftstauglichen Naturverhältnis interessiert ist. Hier zählt nur die reine Gegenwart und wie ihre Gegebenheiten auszuschöpfen sind. Auch in dieser Hinsicht ist das Digitale fossil. Es verbrennt Zukunft. Radikal".[4]

Politik und Gesellschaft müssen über eine nachhaltige Digitalisierung diskutieren

Staatliche Regulierung ist überfällig. Es ist zwar richtig, dass jeder auch persönlich nachhaltig leben sollte und den Konsumrausch nicht mitmacht. Geht es um Suffizienz, versucht sich die Politik meist aus der Affäre zu ziehen, indem sie die ganze Verantwortung in den privaten Bereich verschiebt. Strukturelle Maßnahmen des Staates sind notwendig. Das sind einige Alternativen bei der Digitalisierung:

  • Mobiles Videostreaming nur noch mit geringer Auflösung
  • Reparatur- und Recyclingfähigkeit aller Geräte
  • Verbot von eingebautem Verschleiß (Obsoleszenz)
  • Jedes Gerät muss einen Kabelanschluss haben 
  • Nur noch ein Mobilfunknetz für alle Betreiber mit Roaming und die Trennung der Indoor- und Outdoorversorgung sparen massiv Energie, schonen die Ressourcen und senken die gesundheitsschädliche Strahlenbelastung
  • Die Gemeinden müssen ihre digitale Infrastruktur nach CO2- und energiesparenden plus strahlungsminimierenden Gesichtspunkten planen. Dafür brauchen sie Gutachten über die ökologischen Folgen der Smart City

Jetzt fordert auch der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Union (EWSA) ein Umsteuern in Mobilfunkpolitik in seiner Stellungnahme: „Die gesellschaftlichen & ökologischen Auswirkungen des 5G-Ökosystems“ (Amtsblatt der EU vom 04.03.2022).

Mehr Informationen:

Jürgen Merks (BUND): Digital First. Planet Second. 5G-Ausbau, Smart City, Industrie 4.0 – das sind die Versprechen für eine glorreiche Zukunft. Der ökologische Fußabdruck der Digitalisierung allerdings treibt umweltbesorgten Menschen die Schweißperlen auf die Stirn. www.kontextwochenzeitung.de/debatte/411/digital-first-planet-second-5716.html

Artikelserie mit vielen Quellenangaben: „Digitalisierung, Mobilfunk, 5G und ihre Auswirkungen auf das Klima“: www.diagnose-funk.org/1752

Quellen

[1] WBGU (2019): Unsere gemeinsame digitale Zukunft. Zusammenfassung, S. 1

[2] Artikel zum UBA-Gutachten auf: https://www.diagnose-funk.org/1642

[3] 5G energy efficiency; are operators doing what they can?, 2020, https://insidetelecom.com/5g-energy-efficiency-are-operators-doing-what-they-can/

[4] Harald Welzer (2016): Die smarte Diktatur, Fischer Verlag, S.287

Untersuchungen, die die ökologischen und totalitären Risiken der Digitalisierung analysieren.Quellen: m-vg.de/wbgu.de/oekom Verlag/Westend Verlag - Montage diagnose:funk

Publikation zum Thema

Klima-FlyerGrafik: diagnose:funk
August 2022Format: A5Seitenanzahl: 4 Veröffentlicht am: 12.08.2022 Bestellnr.: 318Sprache: deutschHerausgeber: diagnose:funk

Digitalisierung = Klimakiller?

Digital First, Planet Second? Ein Faltblatt für Umwelt- und Klima-Aktionen
Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
diagnose:funk stellt den Initiativen ein Faltblatt zur Verfügung über ein Überlebensthema der Menschheit: die fortschreitende Klimakatastrophe. Die Digitalisierung ist ein Brandbeschleuniger dieser Katastrophe, warnt der Wissenschaftliche Beirat globale Umweltveränderungen der Bundesregierung (WBGU). Warum das so ist, weist der Flyer anhand vieler Fakten nach und zeigt Alternativen auf.
Ja, ich möchte etwas spenden!