Digitalpakt Schule: Heiße Luft und hohe Kosten. Bundesrechnungshof fordert Ende des Digitalpakts Schule
Ralf Lankau
(Auszüge, >> Original) Wer sich an die vollmundigen Versprechen der damaligen Bundesbildungsministerin Johanna Wanka zum Digitalpakt Schule 2016 erinnert oder die Pressemeldung Nr. 16 ihrer Nachfolgerin aus dem März 2022 liest, dürfte vom Bericht des Bundesrechnungshofes (10.01.2022) überrascht sein, der ein Ende dieser Ausgaben fordert.
Berliner Milliarden für das digitale Klassenzimmer
Ein Fünf-Milliarden-Euro-Programm für „digitale Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), verteilt auf fünf Jahre, sollte im Jahr 2016 die etwa 40.000 Schulen in Deutschland flächendeckend mit digitaler Ausstattung (Breitbandanbindung, WLAN, Endgeräte) versorgen ... Gedauert hat die Umsetzung länger als geplant. Im Jahr 2016 durch das Finanzministerium blockiert, im Wahlkampf 2017 ausgespart, stand der Digitalpakt Schule erst 2018 wieder auf die Agenda des Bundestages und wurde 2019 in Kraft gesetzt.
Der 2019 gestartete „Basis-Digitalpakt Schule“ für den Ausbau der Infrastruktur in Schulen wurde mittlerweile auf 6,5 Milliarden Euro erweitert ... Seit Beginn der Pakt-Laufzeit 2019 seien mittlerweile 1,2 Milliarden Euro für den Ausbau der digitalen Infrastruktur an Schulen ausgegeben, laufende Projekte im Umfang von 2,4 Milliarden Euro bewilligt, so das BMBF im März 2022. „Auch wenn der Digitalpakt Fahrt aufnehme, blieben die Zahlen hinter den Erwartungen zurück, eine weitere Beschleunigung sei dringend nötig“, so die derzeitige Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (Pressemeldung No. 16 vom 4. März 2022).
Der Bundesrechnungshof widerspricht vehement. In einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Prüfung länderübergreifender Maßnahmen im Zusammenhang mit dem „DigitalPakt Schule“ fordert er stattdessen das Ende des Digitalpakts Schule ... Auch seien weder der pädagogische Nutzen noch Lernerfolge ersichtlich. Aufgrund der beschränkten Steuerungs- und Kontrollrechte des BMBF sollten die Finanzhilfen im Rahmen des Pakts eingestellt, auf die Verlängerung des Pakts verzichtet werden.
Scheitern mit Ansage
... Die vom BMBF finanzierte HPI-Schulcloud, auch als Bundes-Schulcloud bekannt und mittlerweile in „dBildungscloud“ umbenannt, wurde den Ländern 2018 ohne Bedarfserhebungen der schulischen IT-Infrastruktur angeboten ... Das BMBF habe die weitere Entwicklung dennoch unterstützt, ohne Interesse von Seiten der Länder an einer Bundesschulcloud. Wer hat das Projekt trotzdem forciert?
Gleiches gilt für die Pseudonymisierung, das sogenannte ID Management über die HPI-Schulcloud. Ende 2018 stand eine Lösung für ein übergreifendes ID-Management als freie Software-Lösung („Open Source“) zur Verfügung. Nur stellte das BMBF auch hier fest, dass auf Länderseite dafür das Interesse fehlte (S. 23) Der Bundesrechnungshof zeigt sich ob solcher Fehlplanungen deutlich irritiert:
- "Weder bei den Projekten zur Schulcloud, noch zum ID-Management und zur Lehrerfortbildung hat das BMBF vorab den Bedarf und die Notwendigkeit seiner Zuwendungen untersucht. Dies ist insbesondere auch deshalb nicht hinnehmbar, weil es sich nicht um ergebnisoffene Forschungsprojekte handelte, sondern um Projekte mit denen das BMBF strategisch zentrale Bereiche der Digitalisierung der Schulen an sich ziehen wollte." (29)
Die Bemühungen des BMBF für bundesweite Maßnahmen und einheitliche Standards für die Digitalisierung der Schulen sei generell gescheitert und wäre vermeidbar gewesen ...:
- „Die Bemühungen des BMBF, bundesweit übergreifende Maßnahmen und einheitliche Standards für die Digitalisierung der Schulen zu befördern, hält der Bundesrechnungshof für gescheitert. Von weiteren eigenen Strategien und Begleitprojekten zur Digitalisierung der Schulen außerhalb des „DigitalPakts Schule“ muss das BMBF absehen. Es fehlt ihm hierfür nicht nur die Zuständigkeit. Seine Initiativen führen vielmehr zu Angeboten, die redundant zu denen der Länder und damit unwirtschaftlich sind.“ (Zusammenfassung)
Man kann die Lektüre des Berichts des Bundesrechnungshofes all denen empfehlen, die über die Finanzierung von Bildungseinrichtung entscheiden. Schulen sind unterfinanziert und unterbesetzt.
- Nur müssen Gelder auch an den Schulen ankommen und es muss dort entschieden werden können, für was sie sinnvoll und notwendig eingesetzt werden: für qualifizierte Lehrkräfte, Mentoren und Tutoren, für Schulsozialarbeiter und Psychologen. Das ist das zentrale Ergebnis der Studien aus der Pandemie.
So aber ist der Digitalpakt Schule nur ein weiteres Beispiel für Dilettantismus und versuchten Dirigismus aus Berlin samt erfolgreicher Lobbyarbeit der IT-Wirtschaft für ihre Partikularinteressen.
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