NATO will bei 5G-Standardisierung mitreden

5G soll die Kriegsführung perfektionieren
5G ist auch ein militärisches Projekt. Die Bundeswehr wird digitalisiert nach der Devise „Wer nicht digitalisiert, verliert!“. Die Nato-Staaten forcieren jetzt die digitale Vernetzung der Kampftruppen. Der Online-Dienst Heise berichtet, wie die digitale 5G-Infrastruktur und Satelliten der Kriegsführung dienen.
Generalleutnant Jörg VollmerBild: Mario Bähr - Bundeswehr

Schon länger wurde von der Informationsstelle Militarisierung (siehe IMI-Analyse 2020/09) und auch von diagnose:funk (s. weiterführende Links) auf die militärischen Dimensionen von 5G hingewiesen. Nun schreibt die defensenews, die NATO habe das Thema für sich entdeckt und sei bestrebt sicherzustellen, dass zivile 5G-Standards eine militärische Verwendbarkeit nicht beeinträchtigen:

  • „Die technische Agentur der NATO [NCIA] will sicherstellen, dass sie ein Mitspracherecht bei den laufenden 5G-Standardisierungsgesprächen hat, um sicherzustellen, dass die kritische Technologie sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden kann. Die Allianz hat vor kurzem ihre eigene multinationale 5G-Initiative gegründet, an der derzeit über 10 Mitgliedsstaaten beteiligt sind. [Die] NCIA hat derzeit Mittel in Millionenhöhe für 5G-Technologien bereitgestellt, merkte aber an, dass sie zehnmal mehr Mittel bereitstellen könnte, wenn sich die 5G-Initiative zu einem "echten Programm" entwickeln würde. [...] Die NATO wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass die militärische Nutzung von 5G bei der zivilen Entwicklung neuer Standards berücksichtigt wird."

Bereits 2019 wies das Militärportal esut.de in dem Artikel "5G: Neuer Mobilfunkstandard verspricht der Bundeswehr großen Nutzen" darauf hin, dass das Militär eine Haupttriebkraft des 5G-Ausbaus ist:

  • „Privatleute sind nicht die wichtigste Zielgruppe von 5G, denn für die meisten ihrer Anwendungsfälle ist die Technologie schlicht nicht erforderlich. Wesentlich mehr bringt die neue Mobilfunkgeneration hingegen der Industrie und dem öffentlichen Sektor. Das Industrial Internet of Things, also die Vernetzung von industriellen Anlagen, Geräten und der passenden Software, erfordert extrem geringe Verzögerungen bei niedrigem Energieverbrauch. Genau hier kann 5G punkten."
  • "Die Bundeswehr hat bereits frühzeitig damit begonnen, das Potenzial der 5G-Technologie für sich zu untersuchen. Daran beteiligt ist auch die BWI, die als IT-Systemhaus der Bundeswehr mögliche Anwendungsszenarien erprobt. Derzeit werden an ausgewählten Standorten von Bundeswehr und BWI prototypische lokale 5G-Funkzellen ausgeplant – mit Verbindung ins öffentliche 4G- oder 3G-Netz.

Quellen:

https://www.defensenews.com/battlefield-tech/it-networks/5g/2022/03/22/nato-wants-a-say-in-5g-standardization-talks/

https://www.imi-online.de/2022/03/23/5g-nato-rolle/

https://esut.de/2019/08/fachbeitraege/industrie-fachbeitraege/14824/5g-neuer-mobilfunkstandard-verspricht-der-bundeswehr-grossen-nutzen-it-news-trends-september-2019/

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"Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden." Bertolt Brecht

Banner gegen die Hochrüstung an einem Haus in Stuttgart-West während des Ukraine-KriegesFoto: Joachim Röttgers

"The Kill Cloud: Wenn die Drohne zuschlägt und das Internet tötet" (Heise)

Heise berichtet, wie die digitale 5G-Infrastruktur der Kriegsführung dient

Der Online-Dienst heise berichtet am 27.03.2022 über eine Tagung in Berlin mit US-Whistleblowern, die aufdeckten, wie die digitale Infrastruktur zur Vernetzung der Waffensysteme auf dem Schlachtfeld dient und dass dabei Satelliten, u.a. das SpaceX / Starlink-Projekt, das die 5G-Technologie nutzt, eine zentrale Rolle spielen. Hier einige Zitate aus heise:

  • „Prinzipiell gehe es darum, unterschiedlichste Datenquellen wie Standortinformationen und offene Internetangaben zusammenzuführen und Erkenntnisse daraus Individuen mit automatisierten Erkennungsmethoden, Drohnen, Satellitenbildern und Netzüberwachung personenbezogen zuzuordnen.“

Um den Feind oder die zu tötende Person auszumachen, verbindet eine „Kill-Cloud“  die Daten

  • „für Drohnen mit einem global verteilten Netzwerk von Geräten, Software und einer Vielzahl anderer Knotenpunkte über Satelliten, Kabel, Funk und digitale Kommunikationsverbindungen“.
  • „Mittlerweile könnten cloudbasierte Lösungen aber auch "für Analyse, gezielte Schläge und zum Töten eingesetzt werden". Dies sei "das grausame Geschäft des Krieges". Dazu komme das Internet der Dinge mit seinen unzähligen Peripheriegeräten und Sensoren.“
  • „Jeder, der die Suche von Google oder Google Maps nutze, kenne Komponenten der Kill-Cloud, meinte Ling. Die Grenzen zwischen dem staatlichen Militär und privaten Online-Firmen seien darin fließend geworden. Letztlich sei es das Internet, über das getötet werde. Sie selbst sei darüber aus dem Homeoffice zu drei Kriegen "gependelt". Es gelte, Technologien wie unbemannte Fluggeräte und Drohnen "nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil eines infrastrukturellen Netzwerks mit globaler Reichweite", führte Westmoreland aus."
  • „Im Dezember 2019 "taten sich die US Air Force und das Raumfahrtkommando mit mehreren Unternehmen, darunter SpaceX, zusammen, um ihre fortschrittlichen Gefechtsmanagementfähigkeiten zu demonstrieren". Bei der Übung habe sich ein AC-130 Gunship mit Elon Musks Satelliteninternet Starlink [6] verbunden und so einem Tarnkappen-Kampfflugzeug F-35 eine sichere Kommunikation mit einem Luftüberlegenheitsjäger F-22 ermöglicht. Im August 2020 sei Starlink zur Koordinierung der verschiedenen Boden- und Luftstreitkräfte in Yuma/Arizona und auf der Andrews Air Foces Base in Washington DC eingesetzt worden, spann der Ex-Militär den Bogen weiter.“

Quelle: https://www.heise.de/-6647797

Siehe dazu auch den Artikel von Martin Virnich: Mobilfunk und Internet per Satellit –
Der Strahlungsgrill von oben?

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Auszug aus der Broschüre "Smart City und 5G-Hype: Kommunalpolitik zwischen Konzerninteressen, Technologiegläubigkeit und ökologischer Verantwortung" (2019)

Die militärische Komponente: Wirkungsüberlegenheit erlangen

Die Vernetzung aller Städte und Landkreise hat auch einen militärischen Hintergrund. Es ist kein Zufall, dass Katrin Suder Vorsitzende des Digitalrates wurde. Sie kam aus dem Strategie - und Beratungsunternehmen McKinsey, war dann Staatssekretärin im deutschen Verteidigungsministerium und dort auch für Cyber/Informationstechnik verantwortlich. Sie geht davon aus, dass diejenige Macht den nächsten Krieg gewinnt, die mit Künstlicher Intelligenz (KI) die Nase vorn hat. Ausdrückliches Vorbild für den Digitalrat ist DARPA, die Militärforschungsagentur der USA, die schon immer führend die KI-Forschung finanzierte (ausführlich dargestellt bei Schlieter). Suder denkt strategisch und stellt in ihrer Antwort auf die Frage der sicherheitspolitischen Bedeutung von "starker KI"  den Zusammenhang her zwischen der zivilen Vernetzung und ihrer militärischen Bedeutung:

  • ",,, was in jüngster Zeit passiert, ist, dass es unfassbar viel mehr Daten gibt, weil inzwi­schen überall Sensoren sind. Alles ist vernetzt, überall sind Chips, im Handy, im Auto, in all den Kameras, bald vielleicht standardmäßig in unserer Klei­dung ... Gerade entstehen praktisch täglich neue Anwendungen – auch im militärischen Bereich mit entsprechenden sicherheitspolitischen Im­plikationen. KI ist zentraler Bestandteil des „digitalen Gefechtsfelds“ oder, ein bisschen drastischer formuliert, KI kann eine „Waffe“ sein."[1]

Die KI im Militär braucht als Basis ein vernetztes Gefechtsfeld, das die Daten liefert. Und das ist die lückenlos vernetzte landesweite Infrastruktur, die gegenwärtig ausgebaut wird. Auf die Frage nach der KI im Gefechtsfeld antwortet Frau Suder:

  • "Auch dort gibt es immer mehr Sensoren, insbesondere Kameras, aber auch Satellitenbilder, Informationen aus dem Internet, Mobilfunkdaten und so weiter. Es werden immer mehr Daten und Informationen gewonnen und ausgewertet. Und dadurch, durch die Digitalisierung der Erhebung, Verarbei­tung und Präsentation all dieser Daten, kann man Wirkungsüberlegenheit er­langen. Wer bessere Informationen hat, wem es gelingt, all diese Informatio­nen zusammenzufügen, der gewinnt ... Deshalb spielt KI sicherheitspolitisch eine so bedeutende Rolle – wie bei jeder Technologie geht es um Vorherrschaft. Wir befinden uns mitten in einem globalen Wettstreit, vor allem zwischen den USA und China. Vor etwa einem Jahr hat China seine KI-Strategie veröffentlicht – ein ausge­sprochen ambitionierter Plan, in dem ganz klar das Ziel formuliert wird, bis 2025 Weltspitze werden zu wollen"(s. Anm.11).

In diesem Wettstreit, der mit härtesten Bandagen ausgetragen wird, will Deutschland nun gleichziehen mit der "nationalen Strategie künstliche Intelligenz", so Bundeskanzlerin Merkel im Interview. [2] Die digitale Transformation der Städte und die Kommunikations-Infrastruktur sind Teil der digitalen Aufrüstung, in der wie früher bei Gefechtsfeldkarten keine Lücke bleiben darf, heute nennt man die Lücken Funkloch.  In diesem Zusammenhang bekommt eine Aussage von Kanzlerin Merkel ihre eigentliche Bedeutung: "Nicht die Abdeckung der Haushalte ist entscheidend, sondern überall telefonieren zu können, im Zug, auf der Fernstraße, auf der Heide, und idealerweise auf jeder Wiese in der Natur Filme streamen zu können" (s. Anm. 12). Die Informationsstelle Militarisierung e.V. Tübingen weist in einer Analyse nach, dass die KI-Entwicklung im "Cyber Valley Neckartal" Teil dieser Militarisierung ist.[3] Sie wird von den grün-schwarzen Landesregierung als Chefsache gefördert. Dagegen gibt es Widerstand von Tübinger Studenten.[4]

Quellen

[1] Interview: Es geht um den Kern von Sicherheit. Die frühere Staatssekretärin Katrin Suder über Künstliche Intelligenz, https://zeitschrift-ip.dgap.org/de/ip-die-zeitschrift/archiv/jahrgang-2018/juli-august-2018/es-geht-um-den-kern-von-sicherheit

[2] Online Interview mit Angela Merkel am 14.11.2018 bei t-online.de: "Merkel erklärt ihren Plan für Deutschlands digitale Zukunft"; https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_84778790/angela-merkel-im-interview-ihr-plan-fuer-deutschlands-digitale-zukunft.html

[3] IMI-Analyse 18/2018: Das Cyber Valley in Tübingen und die Transformation zum Rüstungsstandort, Tübingen. Offizielle Seite der Universität: https://cyber-valley.de/de

[4] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Cyber-Valley-Gegner-fordern-mehr-Transparenz-zu-Kuenstlicher-Intelligenz-4255758.html

Publikation zum Thema

Format: A5Seitenanzahl: 88 Veröffentlicht am: 03.05.2019 Sprache: DeutschHerausgeber: Pad Verlag

Smart City- und 5G-Hype

Kommunalpolitik zwischen Konzerninteressen, Technologiegläubigkeit und ökologischer Verantwortung
Autor:
Peter Hensinger / Jürgen Merks / Werner Meixner
Inhalt:
Mit "innovativen Technologien" sollen unsere Städte nachhaltiger, effizienter und liebenswerter gemacht werden und der 5G-Mobilfunkstandard soll auch "an jeder Milchkanne" verfügbar werden. Die Beiträge der vorliegenden Broschüre entlarven, wie Technik zum neuen Heilsbringer verklärt und gesundheitliche und entdemokratisierende Folgen dieser totalen Digitalisierung nur Konzerninteressen dienen und den Weg in eine digitale Leibeigenschaft ebnen. Die Folgen analysieren Peter Hensinger (diagnose:funk) und Werner Meixner (Informatikdozent). Jürgen Merks (BUND Stuttgart) weist nach, dass der Ressourcen- und Energieverbrauch für ihren Betrieb die Klimakatastrophe beschleunigen wird. Millionen neue 5G-Sendeanlagen werden jeden Winkel mit Elektrosmog belasten. INHALT: Der Smart City und 5 G-Hype. Kommunalpolitik zwischen Konzerninteressen, Technologiegläubigkeit und ökologischer Verantwortung (Peter Hensinger) / Digital first – Klima Second. Energieschleuder Smart City (Jürgen Merks) / Die Ideologie der Digitalisierung. Auf dem Weg ins Digital: der Hype der digitalen Selbstentmündigung und einige Auswirkungen auf die Psyche (Peter Hensinger) / Wollt Ihr die totale Digitalisierung? (Interview mit Werner Meixner)
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