Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie und freue mich, heute über die im ganzen Land geforderten Maßnahmen der Gemeinden für einen verbesserten Schutz vor Mobilfunkstrahlung sprechen zu können.
1. Mobilfunk ist, wie wir gehört haben,* potentiell gesundheitsschädlich und führt auch tatsächlich vielfach zu Beschwerden *(Vorredner Prof.Buchner).
1.1 Doch der Einzelne kann sich dagegen nicht mit Erfolg wehren, selbst wenn er nachweislich erkrankt ist. Krankheit und Schädlichkeit werden von den Gerichten nicht anerkannt. Grund ist letztlich, dass keine sogenannte ‚anerkannte Stelle’ die Schädlichkeit von Mobilfunk direkt bestätigt.
Anerkannte Stellen sind nach der deutschen Rechtsprechung praktisch nur deutsche Behörden oder regierungsnahe Gremien, z.B. das Bundesamt für Strahlenschutz, die Strahlenschutzkommission und der private Forschungsverein ICNIRP, der die Grenzwerte seinerzeit entwickelt hat, sowie die WHO. Andere Fachstellen und insbesondere ausländische Gremien werden nur dann zitiert, wenn sie zum selben Ergebnis wie die deutschen kommen.
Auch fremde Gerichte, etwa aus Frankreich, werden schlicht ignoriert. Selbst oberste italienische und spanische Gerichte, die aufsehenerregend Krebserkrankungen oder die Elektrohypersensibilität anerkannten und Entschädigungen oder Berufsunfähigkeitsrenten zusprachen, blieben unbeachtet.
Die deutschen Gerichte prüfen auch kaum selbst neue wissenschaftliche Studien. Das dürfen und können auch Richter bis zu einem gewissen Grade selbständig tun. Noch weniger werten sie die Studien durch Beweisaufnahmen mit Hilfe von Sachverständigen aus. Begründet wird dies damit, dass der Streit unter den Wissenschaftlern nicht durch Beweisaufnahmen vom Gericht entschieden werden könne oder auch, dass es nicht Aufgabe der Gerichte sei, diesen Streit aufzuklären.
Der Einzelne hat nicht die Kraft und die prozessualen und finanziellen Mittel, diese Rechtsprechung, die sich offenbar im Kreise dreht, aufzubrechen und eine rechtliche Klärung herbeizuführen.
1.2 Aber was ist mit dem Grundsatz der Vorsorge, der ja gerade für den Fall gilt, dass die Schädlichkeit nicht nachgewiesen werden kann?
Auch damit kommt der Einzelne leider nicht weiter. Hier sagt die Rechtsprechung, entweder, dass nicht einmal ein vorsorgerelevantes Risiko bestehe - es handle sich nur um „Immissionsbefürchtungen“ – oder, dass der Einzelne keinen einklagbaren Anspruch auf Vorsorge habe. Es handle sich bei der Vorsorgepflicht nur um ein allgemeines Staatsziel, das der Staat nach seinem Ermessen in seiner Politik beachten könne oder auch nicht. Statt dessen könne er auch bloß Forschung zur Feststellung der Gefahren betreiben und diese finde hier in ausreichendem Maße statt, wie ja das Bundesamt für Strahlenschutz regelmäßig versichere. Auch dagegen, meine Damen und Herren, kommt man nicht an.
2. Was also kann der oder die Betroffene tun? Wie können wir uns schützen? Hier kommt nun entscheidend die Gemeinde zum Einsatz.
Die Gemeinden dürfen selbständig Vorsorge gegenüber Umweltgefahren treffen, und ihre Maßnahmen, die sie in diesem Zusammenhang treffen, anders als der Einzelne notfalls auch vor Gericht durchsetzen. Und sie können so ihre Einwohner und Einwohnerinnen vorsorglich schützen.
2.1 Die Gemeinden haben damit dank ihrer Autonomie das Recht, für ihre Einwohner durch eigene Maßnahmen mehr Schutz vor dem Mobilfunk zu bieten, als die Grenzwerte, die unstreitig keine Vorsorge beinhalten. Das ist auch kein Nullsummenspiel. Denn die Aufforderung der Regierung, besonders auch in Bayern, die Vorsorge müsse sich doch auch an den Grenzwerten orientieren, bzw. sie so quasi selber einhalten, steht nicht im Einklang mit dem Vorsorgegrundsatz.
So hat auch das Bundesverwaltungsgericht 2013[1] zur Emission von niederfrequenten Feldern der Hochspannungsleitungen zum Ausdruck gebracht, dass das rechtlich schützenswerte Interesse des Betroffenen nicht allein dahin gehe, lediglich etwas geringer, sondern möglichst überhaupt nicht bestrahlt zu werden. Die konkrete Vorsorge hat sich daher grundsätzlich am Nullwert zu orientieren. Letztlich ergibt sich das auch aus § 1 Abs. 6 Nr. 7e BauGB, in dem davon die Rede ist, dass die Gemeinden bei ihrer Bauleitplanung die Vermeidung von Emissionen im Blick zu halten hätten.
2.2 Dieses Recht der Gemeinden zur Vorsorge gegenüber dem Mobilfunk ist vom Bundesverwaltungsgericht 2012 höchstrichterlich bestätigt worden.[2] Der Einwand, „die Gemeinden dürfen doch nichts tun“, ist daher schlicht falsch. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass erstens ein vorsorgerelevantes Risiko bestehe - was manche immer noch bezweifeln. Es handle sich also nicht um bloße „Immissionsbefürchtungen.“
Und es hat zweitens anerkannt, dass die Gemeinden dieses Risiko durch Bauleitplanung mit einem sog. Mobilfunk-Konzept eindämmen dürfen. Den Gemeinden stehe insoweit die baurechtliche Planungshoheit zur Seite, jene Umweltverhältnisse anzustreben und zu gestalten, die sie für angemessen hielten.
2.3 Die Gemeinde darf nach dieser Rechtsprechung zur Strahlenverminderung bestimmte Wohngebiete gänzlich von Mobilfunkmasten frei halten (So geschehen in dem vom Gericht entschiedenen Fall). Und sie darf sogar mobilfunkfreie Zonen ausweisen. Letzteres ist auch vom Anwalt der Regierungsseite in einem Aufsatz (mit deutlicher Verstimmung) eingeräumt worden.[3] Auch eine lokale Beschränkung von Strahlungswerten erscheint denkbar und zur Sicherung benachbarter mobilfunkfreier Gebiete auch notwendig. Denn es nützt nichts, wenn man eine Zone vom Mobilfunk frei halten will und dann aus der Nachbarschaft mit um so stärkerer Sendeleistung dort hinein gestrahlt wird. Das Gericht hat allerdings weiter ausgeführt, die Gemeinde dürfe nicht - sozusagen global - eine eigene „Vorsorgepolitik“ betreiben. Sie dürfe daher nicht für den gesamten Geltungsbereich eines Bauleitplanes eigene, insbesondere niedrigere, Grenzwerte festsetzen. Salopp kann man also sagen: Aber „für die Hälfte“ dürfen die Gemeinden das tun.
2.4 Im Außenbereich schließlich wird man aufgrund dieses Urteils Vorrangflächen für funkfreie oder funkarme Gebiete mit einer Strahlenminimierung bis hin zu einer Beschränkung des Netzes auf Notruffunktionen in Kur- Wander- und Naturschutzgebieten für zulässig ansehen müssen.
In der Rhön wird derzeit eine solche mobilfunkfreie Zone als Teil des Biosphärenreservates Rhön zur Erholung und Forschung wie auch als Rückzugsgebiet für Elektrohypersensible geplant. Meine Damen und Herren, es besteht ein öffentliches Interesse daran, strahlenfreie Gebiete als Vergleichszonen für die Forschung aufrecht zu erhalten und natürlich auch als Schutzzonen für Menschen, die überhaupt keine Strahlung mehr aushalten können. Ansonsten lässt sich zum Beispiel gar nicht mehr ermitteln, ob die gegenwärtigen Baumschäden nicht auch auf die ständig zunehmende Bestrahlung zurückzuführen sind, wenn wir überall ausnahmslos Strahlung haben.
3. Das Recht, für die Einwohner und Einwohnerinnen gegenüber Umweltrisiken vorzusorgen, folgt auch ohne Umweg über die baurechtliche Planungshoheit unmittelbar aus der in Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich gesicherten Autonomie der Gemeinde und ihrem Recht und ihrer Pflicht zur Daseinsvorsorge.
3.1 Die Gemeinden, die dem Bürger ja am nächsten stehen, sind grundsätzlich allumfassend zuständig, soweit nicht Bund oder Land im Rahmen ihrer Zuständigkeit eine Regelung getroffen haben. Es ist insoweit von Allzuständigkeit der Gemeinden die Rede. Beim Mobilfunk verhält es sich so, dass Bund oder Land keine eigenen Vorsorgeregelungen getroffen haben; die Grenzwerte enthalten keine Vorsorge. Die Gemeindeautonomie ist damit nicht eingeschränkt.
Ganz im Gegenteil hat der Bundesrat im Jahre 2013, statt selbst zu handeln, diese Autonomie der Gemeinden gestärkt, indem er neu § 7a in der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchVO) einfügen ließ, also der Regelung, die maßgebend ist für die Zulässigkeit von Mobilfunkstationen.
Danach darf die Gemeinde Alternativstandorte für Masten vorschlagen, die im Falle der Machbarkeit und (annähernden!) Gleichwertigkeit mit der Planung des Mobilfunkbetreibers akzeptiert werden müssen – sofern auch noch die Frist zur Geltendmachung dieser Alternativplanung von der Gemeinde eingehalten wurde. Also mit anderen Worten: Man kann den Mobilfunkbetreiber zwingen, den Masten an diesen anderen von der Gemeinde ausgesuchten Standort zu verlegen.
3.2 Die gemeindliche Autonomie gibt der Gemeinde auch das Recht, Klimaschutz-Ziele in ihrer Planung zu verfolgen. Auch der Klimaschutz ist wie die Vorsorge ein Staatsziel. Er darf sogar abstrakt, das heißt ohne Nachweis eines konkret zu erwartenden messbaren Erfolgs angestrebt werden, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung 2006[4] entschieden hat.
Das bisherige Versorgungskonzept des Mobilfunks ist klimaschädlich. Dies ist auch für Mobilfunk-Konzepte von Bedeutung, darauf komme ich noch zurück.
3.3 § 7a der 26. BImSchVO zeigt schließlich, dass auch ohne Bebauungsplan auf die Standortplanung der Betreiber jeweils von Mast zu Mast Einfluss genommen werden kann. Ebenso kann damit ein komplettes Mobilfunk-Konzept zur Platzierung mehrerer Masten vorbereitet werden, auf das dann jeweils die einzelnen Entscheidungen nach § 7a gestützt werden können.
Diese Möglichkeit ist auch nicht nur auf den ‚Suchkreis‘ des Mobilfunkbetreibers beschränkt, wie es neuerdings in der bundesrepublikanischen Neufassung des sog. Mobilfunkpakts verlangt wird, und was auf bloße „Kosmetik“ hinauslaufen könnte. Denn § 7a 26.BImSchV enthält ebenso wenig eine derartige Einschränkung wie der spezielle bayerische Mobilfunkpakt (Ziff. 1.2.3), der unbefristet weiterhin gilt und in Bayern Vorrang hat (so Ziff. 6 der Bay. Hinweise vom 23.06.2020 zu Mobilfunkanlagen). Dass Standorte außerhalb eines Suchkreises im Einzelfall – vor allem bei einem bereits weitestgehend verplanten Gebiet - technisch eher ungeeignet sein mögen, ist deshalb nicht von vorneherein zu unterstellen, sondern jeweils gesondert zu prüfen und ggf. festzustellen.
Auch Gemeinden ohne Bebauungsplan können also nicht sagen, sie könnten „nichts tun.“ Sie dürfen auch das planungsrechtliche Einvernehmen für einen zu verschiebenden Masten verweigern, solange über einen rechtzeitig geltend gemachten Verschiebungswunsch der Gemeinde noch nicht abschließend entschieden ist. Materielle Rechtsgrundlage ist insoweit ebenfalls unmittelbar die Gemeindeautonomie in Verbindung mit § 7a der 26. BImSchVO, welcher eine planerisch städtebauliche Bedeutung i.S. des § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB entfaltet, so dass eine Versagung des Einvernehmens darauf gestützt werden darf.
Dies berechtigt des weiteren auch zur Durchsetzung eines Baustopps, falls sich der Mobilfunk-Betreiber an die rechtsverbindliche Verschiebung des ‚Mastens‘ nicht hält, oder einer Rückgängigmachung etwa bereits durchgeführter Baumaßnahmen. Und all dies darf dann notfalls auch vor Gericht zur Wiederherstellung der verfassungsrechtlich geschützten Gemeindeautonomie durchgesetzt werden. Ebenso darf zur Einhaltung und Durchsetzung der Rechte der Gemeinden aus § 7a die für § 24 BImSchG zuständige Landesbehörde angerufen werden (sog. LAI-Hinweise, S. 40); das ist in Bayern in diesem Fall das Staatsministerium (Baurechtl. Beurteilung v. 23.06.2020, Ziff. 6).
Nur Veränderungssperren können im Zusammenhang mit einem bloßen Mobilfunk-Konzept nicht erlassen werden. Hierzu ist dann ein Bebauungsplan notwendig.
Die in Gemeinden häufig geäußerte Auffassung, man könne nichts machen, wenn sich Betreiber und Standortverpächter einig seien, trifft unter diesen Gesichtspunkten nicht zu.
4. Wenn den Gemeinden also auf der einen Seite solche Rechte zur Seite stehen, die einen besseren Schutz ihrer Bürger und Bürgerinnen ermöglichen können, besteht auf der anderen Seite auch eine gewisse Verpflichtung, aus Gründen der Daseinsvorsorge mindestens zu prüfen, ob von diesen Rechten Gebrauch gemacht werden soll. Ich bin daher der Auffassung, dass jede Gemeinde und insoweit auch jeder Gemeinderat verpflichtet sind, eine solche Prüfung vorzunehmen, nämlich zu prüfen, ob sie ihre Bürgerinnen und Bürger durch ein Mobilfunk-Konzept - auch mit einem Bebauungsplan - besser schützen wollen als es die Grenzwerte vorgeben oder ob sie sie weiterhin „ohne Vorsorge bestrahlen lassen“ wollen. Ja, so drastisch muss man dies einmal zur Entscheidung stellen.
Und diese Verpflichtung nimmt zu, je stärker die Anzeichen einer wirklichen Gefahr geworden sind. Und das ist heute der Fall.
4.1 Eine weitere Verschärfung bringt jetzt - das hat soeben schon Prof. Buchner eindeutig erklärt - 5G. In Verbindung mit neuartigen Antennen entstehen völlig neuartige Strahlenverhältnisse und es ist sogar ungewiss, ob selbst die geltenden Grenzwerte in jedem Falle eingehalten werden können. Schweizer Verwaltungsgerichte haben deshalb Baugenehmigungen beanstandet.
Nun ist es allerdings so, dass in der Schweiz etwa um den Faktor 10 niedrigere Grenzwerte (für Wohngebiete) gelten als bei uns - das muss man auch wissen - und diese könnten offenbar ohne weiteres überschritten werden. Es ist jedoch nicht bekannt, wo die Grenze liegt, bis zu der die Überschreitung geht, und ob nicht auch die deutschen Grenzwerte dann irgendwann betroffen wären. Das gilt erst recht, weil diese neuartige Strahlung der 5G-Antennen bisher gar nicht zuverlässig gemessen werden kann.
Der renommierte und vom Bundesamt für Strahlenschutz offenbar geschätzte Niederländische Gesundheitsrat hat deshalb vor wenigen Monaten ein Moratorium für das echte 5G mit den sogenannten Millimeterwellen oberhalb von 26 Gigahertz empfohlen[5] und die wissenschaftliche Beratungskommission des Europäischen Parlaments STOA hat allgemein ein Moratorium für 5G gefordert.[6]
4.2 Wie sollte es da „unzulässig“ oder „abwegig“ sein, dass die Gemeinden von ihrer Autonomie Gebrauch machen und ebenfalls versuchen, ein Moratorium einzufordern, wie häufig etwas ängstlich eingewandt wird? Es geht um gewichtige städtebauliche Gründe, nämlich Vorsorge zu treffen gegenüber einer alle Einwohner treffenden neuen Steigerung des Mobilfunkausbaus auf eine höhere Emissionsstufe mit neuen Sendetechniken und Antennen.Diese sachliche Zuspitzung und die Eilbedürftigkeit gibt den Gemeinden nach meiner Einschätzung das Recht, auch schon zur Sicherung bloßer, recht grober Entwürfe, wie sie z.B. ein Planer zunächst skizzieren kann, sofort Veränderungssperren zur Aufstellung von Bebauungsplänen mit Mobilfunk-Konzept zu erlassen, um ihre Rechte gegenüber einem erkennbar hektisch voran getriebenen Ausbau zu wahren.
4.3 Ich fasse also nochmals kurz zusammen:
Der Einzelne ist gegenüber der wachsenden Mobilfunkbelastung schutzlos – aber die Gemeinde ist vorsorgefähig und kann ihn schützen, und zwar äußerstenfalls bis hin zur Bereitstellung einer mobilfunkfreien Zone. Angesichts dessen und mit Rücksicht auf den gegenwärtigen, gesicherten Stand der Forschung ist es nicht nachvollziehbar, wenn Gemeinden von ihrem Recht, einen verbesserten Schutz zu bieten, keinen Gebrauch machen. Wir müssen ja auch damit rechnen, dass, was offiziell gar nicht registriert wird, unter uns immer mehr Menschen sind, die die ständige Zunahme der Strahlung täglich spüren, aber überhaupt nicht mehr ertragen können.
5. Was aber sollen die Gemeinden nun planen und aus ihren Rechten konkret machen? Nicht jedes Recht, das man hat, muss man auch hundertprozentig umsetzen. Und da haken auch die Mobilfunk-Betreiber mit zwei Haupteinwänden ein: Haupteinwand a): Eine Minimierung der Strahlung führe zu einer erhöhten Belastung des einzelnen Nutzers, weil sein Handy dann stärker strahlen müsse. Und b): Die filigrane Netzstruktur der Betreiber erlaube keine Eingriffe fremder Planer von außen, weil dies zu Störungen führe.
Diese Einwände sind nicht stichhaltig, aber man muss sie ausräumen, wenn man eigene Planung durchsetzen will.
5.1 Zunächst zu Haupteinwand a (das Handy müsse stärker strahlen, wenn schwächer gesendet werde): Das ist in dieser Formulierung irreführend. Eine bloße Minimierung der Sendeleistungen der ‚Masten‘ ändert nichts an der Sendeleistung der Handys. Anders ist es nur, wenn der ‚Mast‘ weiter weg gesetzt wird. Es handelt sich also um einen Einwand, der nur bei einer Verschiebung von Sendemasten auf weiter vom Nutzer entfernt liegende Alternativstandorte auftreten kann – und auch dann nicht immer, denn es sind durchaus Ausgleichsmöglichkeiten durch eine bessere Sichtverbindung oder vermehrte Reflektionen, weniger dämpfende Hindernisse usw. möglich. Dieser Einwand betrifft damit nicht die generelle Minimierung der Sendeleistungen durch ein Mobilfunkkonzept.
5.2 Die Sendeleistung der Handys erhöht sich auch bei einer größeren Entfernung des ‚Mastens‘ im Übrigen nur deshalb, weil Sender und Empfänger im ‚Masten‘ vereint sind. Natürlich sendet dann im Prinzip jedes Handy stärker, wenn der Empfänger im ‚Mast‘ weiter weg ist. Diese Einheit von Sender und Empfänger ist aber nicht notwendig. Schon seit Langem wurde eine Trennung diskutiert, dergestalt, dass innerhalb der Bebauung getrennte Empfänger installiert werden, während die Sender außerhalb der Bebauung stehen.
5.3 Und auch die ‚Masten‘ brauchen, allein wegen der größeren Entfernung zur Bebauung, nicht zwingend stärker zu senden. Das soll ja gerade durch ein Konzept vermieden werden. Und das ist ohne Weiteres möglich, wenn das Innere aller Gebäude nicht länger mit mobilem (!) Funk versorgt werden soll.
Dazu wurden in frz. Städten, z.B. Grenoble, Versuche gemacht bzw. durchgerechnet, und es ergab sich, dass man mit wenigen Sendeanlagen zusätzlich die Mobilfunkversorgung selbst mit 0,6 V/m (also einem Hunderstel unseres Grenzwertes!) wie bisher aufrecht erhalten kann und fast keine weiteren Sender braucht, wenn man auch noch darauf verzichtet, in alle Häuser einzustrahlen, um eine sog. Indoor-Versorgung herbeizuführen.
5.4 Dadurch kann auch viel Energie gespart werden, weil der Funk nicht mehr mit aufgedrehter Leistung durch die Wände aller Häuser – auch durch metallene Fronten und isolierte Fensterscheiben! - ins Innere der Gebäude „hineingezwungen“ werden muss. Allein diese ehrgeizige Indoor-Versorgung ist der Grund dafür, dass alle Sender absichtlich 200-fach - bis möglicherweise sogar 1000-fach, wie es für 5G wegen der schlechteren Durchdringungsfähigkeit nötig sein könnte, - stärker senden müssen, als notwendig wäre, um nur im Freien einen einwandfreien mobilen Empfang zu sichern. Beim Durchdringen aller Hauswände geht nämlich bis zu 90 % Sendeenergie verloren; das ist ein äußerst schlechter Wirkungsgrad. Und bei Starkregen und Schneefall muss noch mehr aufgedreht werden, ohne dass - vor Allem bei 5G - eine Garantie besteht, dass dann alle Häuser weiterhin sicher versorgt sind.
Das Versorgungskonzept eines Hausanschlusses an den Funk von Draußen, also die sog. Indoorversorgung, ist damit meines Erachtens überholt. Sie war auch nie so geplant und nie durch eine ausdrückliche parlamentarische Entscheidung gebilligt gewesen.
5.5 Die Indoorversorgung ist aber heute auch schon praktisch überholt, d.h. gar nicht mehr notwendig. Denn die Anbindung ans Netz im Hausinnern erfolgt vielfach ja schon über Kabel und WLAN. Wozu also dann noch mit mehreren Funknetzen Tag und Nacht in die Wohnungen hineinstrahlen lassen? Allein das führt doch zu den beobachteten und berichteten Gesundheitsbeeinträchtigungen.
Dass den Mobilfunk-Betreibern im Übrigen die erhöhte Belastung durch schlechten Empfang im Hausinnern bisher eigentlich gleichgültig war, beweist ihre frühere Absicht, das Festnetz durch Funk ganz zu ersetzen und zwar ohne, dass überall getrennte Empfänger in der Bebauung verteilt worden wären.
5.6 Inzwischen aber hat offenbar ein Umdenken stattgefunden. Denn nunmehr soll jeder Haushalt bis 2030 einen Glasfaseranschluss erhalten. Das verkündete die Telekom.[7] Dem haben auch andere Betreiber zugestimmt, beispielsweise die Telefonica, die eine eigene Glasfaserfirma gegründet hat, oder soweit ich weiß, in der Schweiz die Swisscom.
Hier zeigt sich ein Ansatz für einvernehmliche Regelungen für ein Netz aus Glasfaser und Funk, der ohne Indoorversorgung vereinbart werden könnte. Dazu aber später mehr.
5.7 Nun zu b (fremde Planer störten nur): Das mag in der Tat für einzelne Masten gelten, die auf einen Alternativstandort verschoben werden sollen, nicht aber für eine Serie von Masten oder für ein ganzes gemeindliches Mobilfunk-Konzept. Insoweit ist auch ein fremder Planer in der Lage, für ein ganzes Gemeindegebiet eine in sich stimmige Planung vorzusehen, vor allem dann, wenn die Gemeinde bislang noch große Funklücken hat. Dazu gibt es für kleinere Gemeinden auch schon genügend Beispiele. Und dieser Einwand ließe sich vollends ausräumen, wenn die Betreiber die von der Gemeinde beauftragten Planer in ihre eigene Planung miteinbezögen, statt möglichst alles geheim zu halten. Je früher ein Planer also beauftragt wird und je umfassender er informiert wird und planen darf, desto besser.
5.8 Ein gemeindliches Mobilfunk-Konzept ist also technisch machbar und dringend geboten zur gesundheitlichen Vorsorge - und auch zum Klimaschutz. Das Mobilfunk-Konzept der Zukunft besteht nicht nur in einer Strahlenminimierung, sondern in einem neuen Versorgungskonzept. Auch da darf die Gemeinde mitreden, denn die Erschließung jeder Art, und so auch die Telekommunikation, ist Daseinsvorsorge und gehört somit zu ihren Aufgaben. Ziel muss eine Anbindung aller Bewohner an das Internet über Glasfaser mit einer Selbstversorgung innerhalb des Hauses sein, wie bei Strom, Gas und Wasser.
Jeder Mitbewohner hat dann künftig die Wahl, ob er sich im Haus ohne Mobilfunkstrahlung weiter durch Verzweigung mit Kabeln anschließen will, oder Raum für Raum durch die inzwischen serienreife Lichtfunk-Technik VLC oder LiFi. Notfalls könnte er vorübergehend wie bisher auch noch WLAN nutzen. Dieses ist gegenüber der Indoor-Versorgung das geringere Übel, weil WLAN durch den Nutzer selbst regel- und einstellbar ist, während die Einstrahlung der Mobilfunksender von außen 24 Stunden lang ohne jede Regelungsmöglichkeit eintrifft. Von großem Vorteil ist bei der Lichtfunk-Technik auch die Tatsache, dass bloßes – hier sogar ‚unsichtbares‘ - Licht die Nachbarn nicht mehr beeinträchtigt, sowie die Gefahr einer Störung oder des Abhörens durch Fremde völlig ausschließt. WLAN geht demgegenüber durch Wände, trifft Nachbarn und verrät sich Fremden.
6. Wie können Mobilfunk-Betreiber nun dazu gebracht werden, dieses Konzept mitzutragen?
6.1 Zunächst scheinen sie selbst die Vorteile erkannt zu haben und plädieren dafür, wie erwähnt, jedes Haus an die Glasfaserkabel anzuschließen. Dafür spricht ja schon, dass die Übertragungskapazität und Sicherheit von Glasfaser, wie Fachzeitschriften berichten, sowie auch ihre Zukunftssicherheit unerreichbar viel größer sind als bei jeder Funktechnik, auch von 5G. Und die Glasfaserverlegung kommt insgesamt kaum teurer als Funk, denn für die 5G-Sendemasten muss in jedem Ort und zudem in Feld und Wald ebenso Glasfaser verlegt werden. 5G entfaltet seine vielgerühmten Möglichkeiten richtig nämlich nur mit Anbindung aller Sender an Glasfaserkabel. Zugleich müsste fast vor jedem dritten Haus ein an Glasfaser angeschlossener 5G-Sender eingerichtet werden, wenn tatsächlich alle Häuser bis in die Keller mit 5G versorgt werden sollen. Es lägen also auch bei 5G vor den Häusern nicht weit entfernt Glasfaserleitungen, für die die Anwohner allerdings nichts bezahlen würden – es sei denn, über die Gebühren für den Funk.
Die generell für Kabel und sogar um mehrere Größenordnungen für Glasfaser höhere Leistungsfähigkeit und damit auch Zukunftssicherheit zeigt sehr anschaulich folgendes Schaubild mit dem Kommentar der Autoren:[8]