In der Einleitung des Artikels in der Le Monde diplomatique vom 07.10.2021 heißt es:
- "Was verbindet in Zeiten des Klimanotstands die Softwareentwickler im Silicon Valley, Unternehmensberater wie McKinsey, die Präsidenten der USA und Chinas, britische Liberale, deutsche Grüne und die Hersteller von – beispielsweise – Sattelschleppern? Die Überzeugung, dass die große digitale Transformation zum Wohl unserer Erde geschieht. „Das geht so weit, dass es immer häufiger heißt, der Klimawandel ließe sich überhaupt nicht bewältigen, wenn man nicht massiv auf digitale Technologien zurückgreift“, kritisieren etwa die Autoren einer Studie des französischen Thinktanks The Shift Project, einer Nonprofitorganisation zur Erforschung postfossiler Wirtschaftskonzepte ... Unabhängige Forschende ziehen diese gern zitierte Rechnung allerdings in Zweifel. Und auch der Befund unserer Recherche, die ein Dutzend Länder umfasst, ist eindeutig: Die digitale Verschmutzung ist kolossal und nimmt immer schneller zu ... Auch die Daten, die wir unablässig produzieren, setzen der Umwelt zu. Sie werden in gigantischen, Ressourcen und Energie fressenden Infrastrukturen transportiert, gespeichert und verarbeitet und generieren immer neue digitale Inhalte, für die immer mehr Ressourcen benötigt werden.
- Für so flüchtige Vorgänge wie das Verschicken einer E-Mail auf Gmail, einer Whatsapp-Nachricht, eines Facebook-Emojis, für das Hochladen eines Videos auf Tiktok oder eines Katzenfotos auf Snapchat wurde eine Infrastruktur geschaffen, die laut Greenpeace schon bald „das größte Gebilde sein wird, das die menschliche Spezies je geschaffen hat“.
- Die Zahlen sprechen für sich: Die globale Digitalindustrie verbraucht so viel Wasser, Rohstoffe und Energie, dass ihr ökologischer Fußabdruck dreimal so groß ist wie der von Ländern wie Frankreich oder Großbritannien. Die digitalen Technologien verbrauchen inzwischen ein Zehntel des weltweit erzeugten Stroms und sind für fast 4 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich – knapp doppelt so viel wie der weltweite zivile Luftverkehr.
- Welche ökologischen Auswirkungen hätte wohl eine Welt, in der selbstfahrende Autos ohne Insassen durch die schlafenden Städte patrouillieren und Armadas von Softwareprogrammen sich rund um die Uhr damit herumschlagen müssen, während wir unseren Freizeitbeschäftigungen nachgehen? Die Auswirkungen wären gewaltig – wohl gewaltiger als die gesamte von Menschen verursachte digitale Verschmutzung."
Über die kognitive Dissonanz, nicht nur bei der Jugend
Am Schluss des Artikel weist der Autor auf einen Widerspruch hin. Der Autor Guillaume Pitron beschreibt eine kognitive Dissonanz:
- "Die digitalen Technologien verstärken also unsere ökologischen Probleme und Sorgen. Aber sie wecken auch Hoffnungen: dass mit ihrer Hilfe die Lebenserwartung des Menschen verlängert werden kann, die Ursprünge des Kosmos erforscht werden, Bildung allgemein zugänglich gemacht wird und die nächsten Pandemien im Modell simuliert werden. Auch großartige ökologische Initiativen werden durch die digitalen Technologien beflügelt werden.
- Zum ersten Mal in der Geschichte steht eine Generation auf, um den Planeten zu „retten“, Staaten wegen ihrer Untätigkeit vor Gericht zu bringen und neue Bäume zu pflanzen. Eltern stellen seufzend fest, dass sie „drei Greta Thunbergs im Haus“ haben, die gegen Fleischkonsum, Plastikverbrauch und Flugreisen revoltieren. Andererseits macht diese Kohorte viel intensiveren Gebrauch von e-Commerce, Social-Media-Apps und Onlinespielen. Sie schwärmt für Internetvideos und kennt keine andere als die Hightechwelt.
- Wenn wir uns im größten Kampf dieses noch jungen Jahrhunderts engagieren, dürfen wir uns nichts vormachen: Die Digitaltechnik leistet dem Klimaschutz überwiegend keine guten Dienste, doch paradoxerweise führt sie uns zugleich schonungslos vor Augen, dass die Belastungsgrenze unseres Planeten erreicht ist."
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