Kurzfassung. Der laufende Prozess des Mobilfunknetzausbaus mit neuer 5G-Netz-Technik gilt aufgrund Bedenken bezüglich gesundheitlicher Risiken als umstritten. Zahlreiche Städte und Regionen haben den Ausbau derzeit gestoppt. Seit kurzem droht der Ausbau jedoch ins Stocken zu geraten, weil insbesondere von den USA Zweifel an der Zuverlässigkeit des chinesischen Netzausrüsters Huawei vorgebracht werden und eine Ersetzung von Huawei durch andere Netzausrüster nur mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen und höheren Kosten möglich wäre.
Grundsätzlich baut die 5G-Technik auf dem bestehenden 4G-System auf und nutzt in der ersten Erweiterungsphase (FR1) auch nur einen gegenüber 4G geringfügig erweiterten Frequenzbereich bis maximal 6 GHz. Der Hauptunterschied zu 4G liegt hier in der Verwendung neuartiger Antennen, die gezielt ausgerichtet werden können und damit eine effektivere und leistungsstärkere Datenübertragung möglich machen. Die zweite 5G-Ausbauphase (FR2) ist noch weitgehend im Planungsstadium und soll erheblich höhere Frequenzen zwischen 26 und 80 GHz verwenden. Da die Reichweite aber mit steigender Frequenz abnimmt, müssen die Sendemasten sehr viel engmaschiger aufgestellt werden. Damit steigt auch die notwendige Zahl der Masten erheblich an.
Anstieg des Energieverbrauchs
Viele der aktuell diskutierten Anwendungsmöglichkeiten sind erst nach Fertigstellung dieses zweiten Ausbauplans möglich. Ein immer stärker werdender Kritikpunkt an der ungebremst steigenden Nutzung des Internets ist sein Energieverbrauch. Schätzungen zufolge werden schon jetzt rund 4 Prozent der globalen Elektrizitätserzeugung dafür verwendet. Während der letzten 10 Jahre ist es den Anbietern jedoch – überwiegend durch Effizienzsteigerungen in den Datenzentren – gelungen, den Anstieg der Stromverbräuche deutlich unter dem Anstieg des Datenverkehrs zu halten. Es ist jedoch sehr fraglich, ob die Effizienz auch zukünftig so weit gesteigert werden kann, dass eine Kompensation der explodierenden Datenmengen möglich ist.
- Es ist zu befürchten, dass die Einführung von 5G mit seinen vielen neuen energieintensiven Anwendungsmöglichkeiten zu einem weiteren Anstieg führen wird, obwohl der Energieverbrauch pro übertragene Dateneinheit im Vergleich mit 4G sogar etwas sinken kann.
Ein wichtiges Beispiel für so einen Rebound- Effekt liefert das zuletzt stark zugenommene Streaming von Filmen in immer höherer Auflösung. Eine aufwendige Studie, die kürzlich vom Fraunhofer Institut IZM für das Umweltbundesamt erstellt wurde, konnte ermitteln, dass ein Streaming in Ultra HD (vergleichbar mit 4K) die zehnfache Datenmenge benötigt wie mit HD-Auflösung. Obwohl ein Streamen mit 4G etwa die zweieinhalbfache Energiemenge benötigt wie ein Streamen in gleicher
Auflösung mit 5G, würde die Nutzung der Ultra HD-Auflösung auch mit 5G immer noch fast zu einer Vervierfachung des Datenvolumens und der benötigten Energie führen. Eine weitere 5G Verwendung, die zu einem hohen zusätzlichen Energieverbrauch führen würde, sind die sehr datenintensiven „KI-Trainingsanwendungen“ für z. B. „Deep-Learning-Modelle“, wie sie u. a. für das autonome Fahren vorgesehen sind.
Für Deutschland schätzt die RWTH Aachen, dass der Mehrverbrauch in Datenzentren durch den Einsatz von 5G bis 2025 auf 3,8 TWh pro Jahr zunehmen wird. Allein um diesen Mehrverbrauch ohne den Einsatz fossiler Energien auszugleichen, wären z. B. 600 zusätzliche Windräder (Onshore) der 3,5-MW-Klasse notwendig. Der Rebound-Effekt ist bei der 5G Technik quasi schon eingebaut, weil der Grund für seine Einführung eben in der Nutzung neuer Anwendungen mit deutlich höheren Datenmengen und höherem Energieverbrauch liegt.
In Anbetracht des begrenzten verbliebenen globalen CO2-Budgets, das bei Einhaltung der Pariser Klimaziele noch zur Verfügung steht, erscheint es notwendig, dass die verbliebenen zulässigen Energieverbräuche priorisiert werden müssen. D. h. ein Mehrverbrauch in Ländern des „Globalen Südens“ um z. B. die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO (SDGs) zu erreichen, muss Vorrang haben gegenüber einem weiteren Anstieg des Energieverbrauchs im globalen Norden.
Nutzerüberwachung und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Ein weiteres Problemfeld ergibt sich aus der Tatsache, dass die 5G-Technik weitere Möglichkeiten der Nutzerüberwachung bietet. Die Vermutung, auch die derzeitige Situation ermögliche bereits vielfältige Kontrollmöglichkeiten, sodass ein Wechsel zu 5G keinen relevanten Unterschied mehr macht, ist naheliegend, aber nicht richtig. Denn die mit 5G möglichen hohen Übertragungsraten bei sehr geringer Latenzzeit liefern die für flächendeckende Überwachung durch Gesichtserkennungssysteme notwendigen Datenmengen. Ebenso ermöglichen die nun erheblich größeren Datenmengen die kleinteiligere Aufteilung der Sendeanlagen und die positionsgenaue Ausrichtung der neuen 5G Antennen eine noch detailliertere, räumliche Kontrolle, selbst wenn das GPS im Smartphone vom Nutzer ausgeschaltet wurde.
Es erscheint kaum vermeidbar, dass die Anwendung dieser neuen, mit 5G-Techniken durchführbaren, Überwachungsmaßnahmen auf Kollisionskurs mit dem vom Bundesverfassungsgericht seit 1983 etablierten Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“ geraten werden. Die dort explizit festgelegten Grundsätze stehen schon jetzt häufig im Widerspruch zu den Forderungen vieler Internetdienste an seine Nutzer ihre Daten „freiwillig“ zur Verfügung zu stellen. Da es in der Lebensrealität immer schwieriger wird solche datenhungrigen Internetdienste zu umgehen, droht die Inanspruchnahme des Grundrechtes auf Informationelle Selbstbestimmung in Zukunft immer mehr zu einem Ausschluss von wesentlichen Teilen des öffentlichen Lebens zu führen.
Es sind aber auch bestimmte industrielle 5G-Anwendungen erkennbar, bei der die geringe Latenzzeit und die Fähigkeit große Datenmengen zu übertragen, dabei helfen kann, energie- und rohstoffsparender zu produzieren. Die betreffenden Unternehmen könnten hier 5G-Technik als Insellösungen innerhalb ihres Betriebsgeländes einsetzen, um die schnelle Kommunikation zwischen Maschinen zu gewährleisten. Solche sogenannten „Campusnetze“ hätten den Vorteil, dass sie auf genau definierte räumliche Bereiche, wie große automatisierte Werkhallen, in denen sich im laufenden Betrieb keine Menschen aufhalten, begrenzt sind. Damit wären auch mögliche gesundheitliche Risiken weitgehend ausgeschlossen. Der flächendeckende Ausbau von 5G-Netzen wäre dafür nicht notwendig.
Bürgerbeteiligung hat bisher nicht stattgefunden
Politik und Wirtschaft haben die Einführung von 5G beschlossen, obwohl die bereits jetzt erkennbaren negativen Begleitwirkungen in den Bereichen Energieverbrauch, Klimaschutz und Datenschutz erheblich sind. Unabhängig von der Frage, ob die Vorwürfe gegen das chinesische Unternehmen Huawei begründet sind oder nicht, kann die möglicherweise damit verbundene Verzögerung beim 5G-Ausbau eine Denkpause liefern, die es ermöglicht, alle ökologischen, sozialen und ökonomischen
Auswirkungen einer 5G-Einführung noch einmal zu überprüfen. Benötigt wird ein ergebnisoffener Dialog zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft, bei dem alle Fragen, die 5G betreffen, in einem demokratischen Prozess erörtert werden können. Dieser fand bisher kaum statt und sollte dringen nachgeholt werden.
(Zwischenüberschriften: diagnose:funk)