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Auszüge
Die Digitalisierung bietet vielfältige Möglichkeiten zur Lösung drängender Zukunftsprobleme. Allerdings gehen mit ihr auch Herausforderungen und Problemstellungen einher, die in der öffentlichen Diskussion bisher nicht ausreichend reflektiert wurden. Wenig Aufmerksamkeit hat bislang die Verknüpfung der Digitalisierung mit der sozial-ökologischen Transformation erhalten. Die gezielte Gestaltung digitaler Technologien und Anwendungen, die eine mögliche Gefährdung von Mensch und Natur in den Blick nimmt, ist derzeit nicht erkennbar. Daher stellen sich die folgenden Fragen: Wer bestimmt über den Einsatz dieser Technologien? Wo sollen entsprechende Grenzen gesetzt werden? Diese Herausforderungen möchten wir NaturFreunde aufgreifen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Digitalisierung mit nachhaltiger Entwicklung und einer Demokratisierung von Wirtschaft und Arbeitswelt verbunden wird.
Wie steht es bisher um den Beitrag der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung?
Es fällt auf, dass in den letzten Jahrzehnten der Anteil der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) an der Wirtschaftsentwicklung zwar schnell gestiegen ist, aber auch der Druck auf lokale und globale Ökosysteme durch den Menschen weiter zugenommen hat. Dabei ist unbestritten, dass der Einsatz von IKT und die Digitalisierung Werkzeuge bereithalten, die sinnvoll zur Erreichung ökologischer gesellschaftlicher Ziele genutzt werden könnten. Demgegenüber zeigt die tatsächliche Entwicklung, dass die vielbeschworenen Effizienzgewinne durch Digitalisierung, die vor allem zur Verringerung ökologisch nachteiliger Auswirkungen führen sollten, bisher wenig zur Umweltentlastung beigetragen haben. Im Gegenteil: Die fehlende Verzahnung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit hat zu einem massenhaften und gegenüber den ökologischen Grenzen unreflektierten Einsatz geführt.
So führen die Verbreitung des Internets, die zunehmende Zahl der Cloud-Anwendungenund erst recht KI und Big Data zu einem Mehrverbrauch an Energie. Diesen Energieverbrauch merken die einzelnen Nutzer*innen nicht, er ist bedingt durch die Gesamtstruktur des Internets. So kosten 200 Google-Anfragen etwa so viel Strom wie das Bügeln eines Hemdes. Die mögliche Entlastung der Umwelt durch die Ausnutzung der Effizienzgewinne wurde deutlich überkompensiert.
Die Risiken von neuen Technologien mitbetrachten
Ein Beispiel für die Ausblendung von ökologischen und gesundheitlichen Risiken stellt der gegenwärtige 5G-Ausbau dar. Betont werden dabei fast ausschließlich die Chancen für Wirtschaft, Industrie und Verbraucher:innen, es mangelt aber an einer umfassenden Analyse der Chancen und Risiken. Die möglichen gesundheitlichen Gefährdungen und Umweltrisiken, die mit dem Einsatz von 5G verbunden sind, wurden nur unzureichend untersucht. Unzureichend ist auch die Einbindung der Betroffenen in den vorgesehenen Ausbaugebieten. So kritisieren die Natur-Freunde Deutschlands, dass in vielen Kommunen bereits damit begonnen wurde, 5G-Masten aufzustellen, ohne dass die Bevölkerung ausreichend beteiligt wurde und ohne, dass auf die möglichen negativen Auswirkungen auf Menschen, Pflanzen und Tiere adäquat eingegangen wurde. Mögliche Risiken müssen benannt und untersucht werden. Maßnahmen zu ihrer Begrenzung müssen getroffen werden.
In jüngster Zeit wurden Studien vorgelegt, die auf einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz der Funktechnologie und dem Rückgang lokaler Insektenpopulationen schließen lassen. Erst im Februar 2020 hat der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments auf die gesundheitlichen Risiken der 5G Mobilfunktechnologie hingewiesen und zum Stopp des Ausbaus geraten. Die NaturFreunde Deutschlands fordern vor diesem Hintergrund, dass beim 5G-Ausbau dem Vorsorgeprinzip, der Risikoabwägung und der Beteiligung der vom Ausbau betroffenen Bevölkerung mehr Raum gegeben werden muss. Beim Ausbau der 5G-Funktechnologie muss der vorsorgende Gesundheitsschutz stärker in den Blick genommen werden. Dies umfasst auch die lokale Festlegung sensibler Bereiche, in denen niedrige Immissionen zu gewährleisten sind. Berechtigten Einwänden von Bürger:inneninitiativen und Betroffenenverbänden, die sich gegen die Installation von Mobilfunksendeanlagen insbesondere auf Schulen und Krankenhäusern wehren, sind stattzugeben. Eine sachgerecht begründete Risiko-Abwägung muss im Vordergrund stehen. Wissenschaftlich nicht haltbare Aussagen sind abzulehnen.
Mit Skepsis sehen die NaturFreunde Deutschlands allerdings auch, dass im Zusammenhang mit dem Für und Wider eines Einsatzes von Mobilfunktechnologien zunehmend auf Verschwörungsnarrative zurückgegriffen wird. Derartige Argumentationsmuster lehnen wir ab.
Digitalisierung muss sich am Leitbild Nachhaltigkeit orientieren
Nicht nur mit Blick auf die Nutzung von digitalen Massendaten (Stichwort: Big Data) vertreten die NaturFreunde Deutschlands die Auffassung, dass die digitale Zukunft an dem Leitbild der Nachhaltigkeit ausgerichtet sein muss. Beispielsweise gilt es auch, die bisher nicht genutzten technischen (Einspar-)Potenziale stärker zu nutzen. Während Rechenzentren durch das rasant zunehmende Datenvolumen und die Nachfrage nach zentraler Rechenleistung immer zahlreicher und leistungsfähiger werden, liegt ein riesiges Potenzial zur Klimaschutzoptimierung nahezu brach. So konnte in einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes gezeigt werden, dass in luftgekühlten Rechenzentren mittels Energieeffizienzmaßnahmen, der Abwärmenutzung sowie dem Einsatz von gebäudenaher Photovoltaik und natürlichen Kältemitteln die durch die Klimatisierung verursachten Treibhausgasemissionen in erheblichem Umfang vermieden wurden. Je nach Größe und Ausstattung der untersuchten Rechenzentren lagen die Emissionsreduktionen zwischen 65 und 80 Prozent im Vergleich zum Referenzrechenzentrum.
Gemäß ihrer Überzeugung von der Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft setzen sich die NaturFreunde Deutschlands für das Zusammendenken von Digitalisierung und Transformation ein. Digitalisierung birgt zwar das Potenzial, globale Umwelt- und Entwicklungsprobleme besser und schneller zu lösen, allerdings kann Digitalisierung ohne Gestaltung die bereits bestehenden Umweltprobleme und sozialen Ungleichheiten noch weiter verstärken. Die Politik trägt insofern eine Verantwortung für diejenigen digitalen Anwendungen, die notwendig für das gesellschaftliche Leben geworden sind.