Rede von Dr. med. Cornelia Mästle, Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie und Psychotherapie, Winterbach (Remstal), vor dem Sozialministerium Baden-Württemberg am 21.4.2021
WLAN-freie Krankenzimmer!
Wir Ärztinnen und Ärzte beobachten mit Sorge die Mobilfunkentwicklung der letzten Jahre. Trotz der Coronakrise setzen wir als Delegation des Ärzte-AK Digitale Medien daher hier und heute unsere Protestaktion vom Oktober 2019 fort. Da unsere Gespräche im Staatsministerium wenig erfolgreich verliefen, wenden wir uns heute direkt an Minister Lucha. Sie, Herr Minister, sind für den Schutz derjenigen Menschen zuständig, die an Mobilfunk krank werden. Ihnen obliegt es, angesichts der eindeutigen Studienlage zum Schutz der Menschen aktiv zu werden. Wir nennen hier u.a. ein erhöhtes Tumorrisiko durch Mobilfunk, eine Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit, aber auch Beschwerden wie Kopfschmerzen und Schlafstörungen.
Mit Mobilfunk sind viele Risiken verbunden. Diese umfassend zu beschreiben, würde den Rahmen hier sprengen. Nicht nur Menschen, auch die Umwelt ist gefährdet – Stichwort Insekten.
Seit Beendigung des Deutschen Mobilfunkforschungsprogramms 2009 erschienen große Studien, die im Tierversuch krebsauslösende Wirkungen des Mobilfunks nachwiesen. Die Zahl an Gehirntumoren ist zwischen 2002 und 2012 weltweit um etwa 35 Prozent gestiegen. Die schwedische Krebsstatistik zeigt eine deutliche Zunahme der Tumore an Zunge, Hals und Schilddrüse – dort, wo das Handy am meisten strahlt. Die NTP-Studie führte bei der amerikanischen Krebsgesellschaft zu der Überzeugung, dass Mobilfunk Krebs auslösen kann. Eine vom Bundesamt für Strahlenschutz in Auftrag gegebene und nochmals kontrollierte Studie ergab eine Tumorpromotion unter Mobilfunk, d.h. die Tumoren wuchsen unter Mobilfunk schneller als ohne. In Deutschland wurden all diese Studien bei der Risikobewertung des Mobilfunks bis heute nicht berücksichtigt. Wie kann es sein, dass diese Ergebnisse von der Politik hierzulande weiter hartnäckig ignoriert werden?
Eine zunehmende Zahl an Menschen – von der Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz mit ein bis zehn Prozent angegeben – leidet an Symptomen einer sog. Elektrohypersensibilität. Elektrohypersensible Menschen entwickeln bei Mobilfunkstrahlung weit unterhalb der in Deutschland geltenden Grenzwerte Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, chronische Erschöpfung, Herzrhythmusstörungen, Verdauungsbeschwerden, Infektneigung usw. Elektrohypersensible leiden bereits heute unter den Folgen immer neuer Sendemasten, WLAN-Router und Access-Points, sie können nicht selten kaum noch am öffentlichen Leben teilnehmen. Im privaten Bereich verzichten die Betroffenen auf WLAN und Handys, streichen ihre Wohnungen mit Abschirmfarbe und beauftragen BaubiologInnen, um weitere Störquellen auszuschalten – sofern sie sich dies leisten können.
Der Ausbau des Mobilfunkstandards 5G und die Ausstattung der Innenstädte mit „Small Cells“ in und auf sogenannten Stadtmöbeln wird die Strahlendichte in den Städten so erhöhen, dass empfindliche Menschen sich dort nicht mehr aufhalten können. In Schweden ist Elektrohypersensibilität seit 2002 als Behinderung anerkannt. Wo bleibt hierzulande der Minderheitenschutz?
Elektrohypersensible Menschen können in mit WLAN ausgestatteten Krankenhäusern nicht genesen und tolerieren auch nicht benachbarte Sendeanlagen, Mobiltelefone von Mitpatienten etc. Elektrohypersensible brauchen strahlungsfreie Krankenzimmer, um gesund werden zu können.
Wir fordern: Strahlungsfreie Krankenzimmer für Elektrohypersensible in allen landeseigenen Kliniken. Kommunale und kirchliche Träger müssen diesbezüglich beraten werden.
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Rede von Dr. med. Jörg Schmid, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychoanalyse, Stuttgart, vor dem Sozialministerium Baden-Württemberg am 21.4.2021
Mobilfunk macht unsere Kinder krank!
Für jeden sind die Folgen der Digitalisierung für unsere Kinder im Alltag sichtbar.
Einerseits die Faszination, die von der digitalen Welt ausgeht, andererseits der innerfamiliäre Streit um Handy-Regeln, also um die Begrenzung des Medien-Konsums. In der Politik und in der Gesellschaft wird diese Diskussion unter dem letztlich verharmlosenden Schlagwort „Medienkompetenz“ geführt.
Was sagen die Fakten über die gesundheitlichen Auswirkungen auf unsere Kinder: Medien-Gebrauch führt zu einem Verlust an Bewegungsimpulsen und kann so ein Auseinanderfallen von Wahrnehmung und Bewegung bewirken – Kinder, die zu früh über Smartphones die Welt erleben, können dadurch Dinge der Welt insgesamt schlechter „begreifen“.
Die Reizüberflutung und die damit einhergehende Beschleunigung durch digitale Medien setzen unsere Kinder einem hohen, lernschädlichen inneren Druck aus – zudem werden die für die Entwicklung so notwendigen konkreten sozialen Erfahrungen ausgedünnt.
Je früher Kinder mit Smartphones und insgesamt mit digitalen Medien in Berührung kommen, desto eher können sie ihr geistiges Potenzial später nicht mehr erschließen, sie können zeitlebens für Bildung und Beruf gehandicapt sein: So lautet das Fazit aus den uns vorliegenden Studien.
Bereits 2009 hat die Landesärztekammer Baden-Württemberg ein sehr nachdenkliches Symposium unter dem Titel „Macht Internet unsere Kinder krank?“ durchgeführt. 8 Jahre später hat die BLIKK-Medienstudie aus 2017 diese Frage beantwortet: Ja, unsere Kinder werden krank – die Studie zeigt unmissverständlich auf, dass es einen Zusammenhang zwischen Sprach- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und der Nutzungsdauer digitaler Medien gibt.
Und genau deshalb stehen wir als Ärzte heute und hier vor dem für Gesundheit verantwortlichen Ministerium – um die besondere digitale Vorsorge und Fürsorge für Kinder einzufordern.
Aus der Faszination der digitalen Technik kann sich rasch ein hohes Suchtpotenzial bei Kindern und Jugendlichen entwickeln – sie sind dafür besonders vulnerabel und seelisch empfänglich.
In der Covid-19-Pandemie explodiert der Medienkonsum unserer Kinder regelrecht: Die DAK spricht in ihrer jüngsten Studie (2020) von „alarmierenden Zahlen“, bei fast 700.000 Kindern und Jugendlichen ist Gaming riskant oder bereits pathologisch, also krankhaft. Im Lockdown hat sich deren tägliche Spielzeit in Minuten fast verdoppelt auf über 2 Stunden (von 79 auf 139 Minuten/Werktag). Hinzu kommt die tägliche Nutzung von Social-Media-Netzwerken auf jetzt fast 3 Stunden (Anstieg von 116 auf 193 Minuten/Werktag) – unsere Jugendlichen tauchen also durchschnittlich 5 bis 6 Stunden in die digitale Welt ein und gehen dort in dieser digitalen Welt auch unter.
Beobachtbare Folgen des Konsums der digitalen Medien sind Schulverweigerung, soziale Deintegration und Cybermobbing geworden – das ist heute sozialpolitischer Alltag an unseren Schulen. Immer mehr Jugendliche reagieren darauf mit Selbstmordgefährdung und Depression.
Hinzu kommt derzeit das leider oft ausschließlich digitale Lernen über Stunden durch den Wegfall des Präsenzunterrichts. Kinder- und Jugendmediziner warnen deshalb aus den oben genannten ärztlichen Gründen dringend vor einem weiteren Lockdown an den Schulen und plädieren dafür, die Schulen möglichst offenzuhalten.
Unsere Kinder sind seelisch sensibel – sie sind es aber auch körperlich, weil sie im Wachstum begriffen sind. Die bekannten Langzeitnebenwirkungen der EMF, die, wie bei Hirntumoren, erst nach jahrzehntelanger Exposition klinisch sichtbar werden, sind eine Bürde, die wir unseren Kindern zumuten.
Besonders elektrohypersensible Kinder sowie Kinder mit Krebserkrankungen sind durch das WLAN gefährdet.
Auch eine vermehrte Kurzsichtigkeit ist eine direkte Folge des Smartphone-Gebrauchs. Allein 40% der Kinder in China sind mittlerweile kurzsichtig – deshalb hat China seit Februar ein landesweites Handy- und Tablet-Verbot in Schulen eingeführt. In Frankreich gilt bereits seit 2018 ein Handyverbot an Vorschulen, Grundschulen und weiterführenden Schulen für Kinder bis 15 Jahre.
Smartphones gehören nicht in Kinderhände! Das ist eine der heutigen Forderungen an Herrn Minister Lucha.
Wir sind nicht gegen den Einsatz digitaler Technik, weder in der Gesellschaft noch in den Schulen – aber wer das gesundheitsgefährdende WLAN an den Schulen installiert, muss mindestens „Ein- und Ausschaltknöpfe“ dafür vorsehen und LehrerInnen verpflichten, diese dann auch nutzen zu müssen, sonst erhöht sich das Gefahrenpotenzial für unsere Kinder.
In den Schulen müssen deshalb kabelgebundene LAN-Anschlüsse priorisiert werden – WLAN darf nur eine vorübergehende Ausnahme sein.
Herr Minister Lucha, Sie müssen jetzt regulatorisch tätig werden – handeln Sie kurzfristig und schnell unter Einbeziehung des ärztlichen Sachverstandes.
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Rede von Thomas Thraen, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Naturheilverfahren, Neu-Ulm, vor dem Sozialministerium Baden-Württemberg am 21.4.2021
Beratungsstelle für Elektrohypersensible
Wir appellieren an das Sozial- und Gesundheitsministerium, sich einzusetzen für Schutz, Beratung und Aufklärung von Menschen, die durch Exposition mit elektromagnetischen Feldern in der Umwelt erkrankt sind.
Das sogenannte Mikrowellen-Syndrom, heute bekannt unter Elektrohypersensibilität, ist schon seit den 1960 er Jahren bekannt. Durch die Definition der WHO („Factsheet Nr. 296“) gilt innerhalb der Ärzteschaft die klinisch festgestellte Symptomatik einer Elektrohypersensibilität nach wie vor als Indikation für eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung im Sinne einer depressiven Grunderkrankung mit Empfehlung einer antidepressiven Medikation.
Mittlerweile ist der pathophysiologische Mechanismus auf zellbiologischer Ebene unter Exposition mit elektromagnetischen Feldern ( Mobilfunk, WLAN etc.) bestens und evidenz-basiert erforscht, belegt durch umfangreiche Studien weltweit. Es ist wissenschaftlich obsolet und einem Kunstfehler gleichzusetzen, wenn eine Umwelterkrankung wie die EMF-Erkrankung primär psychiatrisiert wird !
Wir fordern daher von der neuen Landesregierung von Baden-Württemberg:
- Die Einrichtung von Beratungs- und Meldestellen für Elektrohypersensible bei Gesundheitsbehörden in Kooperation mit der Ärztekammer.
- Die Förderung der Etablierung und Bekanntmachung umweltmedizinischer Schwerpunktpraxen.
- Die umweltmedizinische Fort- und Weiterbildung für Ärzte speziell zur EHS-Erkrankung.
- Eine breit angelegte Aufklärung der Bevölkerung über den Zusammenhang zwischen Mobilfunk-Exposition / Mikrowellen-Belastung und den dafür typischen körperlich-pathologischen Symptomen, wie schon von meiner Vorrednerin Frau Kollegin Dr. Mästle dargestellt. Hinzu kommen Leistungsverlust mit schneller Erschöpfbarkeit, erhöhte Erregbarkeit, Konzentrations-, Lern- und Gedächtnisstörungen, Tinnitus, erniedrigter Immunabwehr und etliche mehr an Symptomen.
- Schaffung von funkfreien Wohngegenden, damit Strahlensensible oder schwer Erkrankte nicht weiterhin sozial isoliert leben müssen, ausgegrenzt vom üblichen gesellschaftlichen Leben. Aktuell sind Funksensible gezwungen, jeden Gang für alltägliche Besorgungen genauestens zu planen, um den Krankheitsauswirkungen durch den unvermeidlichen Kontakt mit Handystrahlung durch Mitmenschen, WLAN-Hotspots oder durch Funkmasten so gering wie möglich zu halten.
- Unterstützung durch die Politik, die zuständigen Ärztlichen Körperschaften aufzufordern, die EMF-Krankheit als Umwelterkrankung durch Funkstrahlung anzuerkennen, statt sie der Psychiatrie zu überlassen. Hierzu gehört auch eine klar definierte Diagnose in der Internationalen Klassifikation der Diagnosen (ICD-11 ff), die den Umweltcharakter beschreibt, bezogen auf Funkstrahlung. Dies fällt in der aktuellen Definition völlig unter den Tisch.
Abschließend ist festzustellen: Aktuell wird das EU-weit geltende Gesetz der Unversehrtheit der eigenen Wohnung sträflich verletzt durch massive Mobilfunkeinstrahlung in die eigenen vier Wände; ein unerträglicher Zustand besonders für Elektrosensible heute und für uns alle morgen!
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Alle Bilder: Joachim E. Röttgers / diagnose:funk