Aktualisierung 1.7.2021: Die Studie ist jetzt auch in deutscher Übersetzung verfügbar!
Oxidativer Zellstress, das ist die Ursache vieler entzündlicher Erkrankungen, bis hin zur Auslösung von Krebs [1]. Dieser Wirkmechanismus ist derweil Standardwissen in der Medizin. Dazu gibt es hunderte Einzelstudien und Reviews. Im April 2020, als es angesichts von Corona darum ging, ob Mobilfunkstrahlung das Immunsystem schwächt, haben wir die Rolle von oxidativem Zellstress in einem Homepageartikel mit einer umfangreichen Literaturrecherche dokumentiert (Artikel vom 15.04.2020: www.diagnose-funk.org/1550). Die Studie von Yakymenko (2016) ist darin ein entscheidendes Dokument. Nun der Paukenschlag. BERENIS, die Expertengruppe der Schweizer Regierung kündigte ihn in ihrem Newsletter im Januar 2021 bereits an.
Der neue Review von Schuermann / Mevissen, veröffentlicht am 06.04.2021, finanziert vom Schweizer Umweltbundesamt, publiziert im "International Journal of Molecular Science", schafft Klarheit durch die umfassende Aufarbeitung der vorliegenden Literatur:
- "Die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), die möglicherweise zu zellulärem oder systemischem oxidativem Stress führen kann, wurde häufig durch EMF-Exposition in Tieren und Zellen beeinflusst. In dieser Übersicht fassen wir die wichtigsten experimentellen Ergebnisse zu oxidativem Stress im Zusammenhang mit EMF-Exposition aus Tier- und Zellstudien des letzten Jahrzehnts zusammen. Die Beobachtungen werden im Kontext der molekularen Mechanismen und gesundheitsrelevanten Funktionen wie neurologische Funktion, Genomstabilität Immunantwort und Reproduktion diskutiert. Die meisten Tier- und viele Zellstudien zeigten erhöhten oxidativen Stress, verursacht durch RF-EMF und ELF-MF."
Damit können sich die ICNIRP und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ihre Energiethese endgültig an den Nagel hängen. Im Fazit ihrer Studie, nach der Auswertung von 223 Arbeiten, schlussfolgern die Autoren u.a.:
- "Zusammenfassend wurden in der Mehrzahl der Tierstudien Hinweise auf erhöhten oxidativen Stress durch RF-EMF und ELFMF und in mehr als der Hälfte der Zellstudien berichtet.
- Untersuchungen an Wistar- und Sprague-Dawley-Ratten lieferten konsistente Hinweise (consistent evidence) auf oxidativen Stress nach HF-EMF-Exposition im Gehirn und in den Hoden sowie einige Hinweise auf oxidativen Stress im Herzen.
- Beobachtungen an Sprague-Dawley-Ratten scheinen auch ebenfalls konsistente Hinweise (consistent evidence) für oxidativen Stress in der Leber und den Nieren zu liefern.
- Bei Mäusen, wurde oxidativer Stress, induziert durch RF-EMF, vor allem im Gehirn und in den Hoden, sowie in Leber, Nieren und Eierstöcken nachgewiesen.
- Diese Beobachtungen wurden gemacht mit einer Vielzahl von Zelltypen, Expositionszeiten und Dosen (SAR oder Feldstärken) innerhalb der Bereiche der gesetzlichen Grenzwerte und Empfehlungen.
- Sicherlich haben einige Studien methodische Unsicherheiten oder Schwächen oder sind nicht sehr umfassend hinsichtlich Expositionszeit, Dosis, Anzahl und quantitative Analyse der verwendeten Biomarker, um nur einige um nur einige zu nennen. Es zeichnet sich ein Trend ab, der auch unter Berücksichtigung dieser methodischen Schwächen deutlich wird, nämlich, dass EMF-Exposition, selbst im niedrigen Dosisbereich, durchaus zu Veränderungen im zellulären oxidativen Gleichgewicht führen kann.
- Ungünstige Bedingungen, wie Krankheiten (Diabetes, neurodegenerative Erkrankungen), beeinträchtigen die Abwehrmechanismen des Körpers, einschließlich der antioxidativen Schutzmechanismen, und Personen mit solchen Vorerkrankungen sind eher anfällig für gesundheitliche Auswirkungen"(S.23).
Die Nachweise durch In-Vivo, In-Vitro und epidemiologische Studien über die Schädlichkeit von Mobilfunkstrahlung, dokumentiert in über 90 Reviews, ergaben schon ein klares Bild der Forschungslage. Dieser neue Review von Schuermann/Mevissen legt nun auch klar: Der Wirkmechanismus, d.h. die Zellkaskaden, wie elektromagnetische Felder zu pathologischen Veränderungen führen, ist nachgewiesen. Damit ist das Kausalitätskriterium erfüllt. Das erfordert nicht nur die Anwendung des Vorsorgeprinzips, sondern eine Gefahrenabwehr. Das bedeutet z.B.: WLAN an Schulen muss verboten werden, ebenso in Krankenhäusern. Eine Politik der Strahlenminimierung, auch für Mobilfunksendeanlagen, ist erforderlich, die Einführung von 5G ohne Technikfolgenabschätzung ist unverantwortlich. Die Kommunen müssen sich dagegen wehren.
Schuermann, D.; Mevissen, M. Manmade Electromagnetic Fields and Oxidative Stress—Biological Effects and Consequences for Health. Int. J. Mol. Sci. 2021, 22, 3772. https://doi.org/10.3390/ijms22073772
Download des Volltextes: https://www.mdpi.com/1422-0067/22/7/3772
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