Berufliche Schulen Gelnhausen: LiFi-blitzschnelle Datenübertragung aus der Decke

Interview mit Ekkehart Franzke (diagnose:funk)
10. März 2021. In den Beruflichen Schulen Gelnhausen wird ein LiFi-Pilotprojet umgesetzt, die SchülerInnen können über Licht mit ihren Computern kommunizieren. Das Projekt wird vom Heinrich Hertz Institut Berlin betreut. Dass es nach Gelnhausen kam, geht maßgeblich auf Ekkehart Franzke zurück. Er ist seit langem diagnose:funk Mitglied und im Main-Kinzig-Kreis aktiv. Er bewegte viel, z.B. hat er dazu beigetragen, dass der Kreis früh mit Glasfaser versorgt wurde. Seine Arbeit ist ein Beispiel dafür, wie man mit guter Vernetzung, geduldiger Überzeugungsarbeit, Fachwissen und v.a. der Präsentation von Alternativen Veränderungen anstoßen kann. diagnose:funk interviewte ihn zu diesem Projekt.
v.l.n.r. Winfried Ottmann (Schuldezernent), Dr. Dominic Schulz (HHI), Ekkehart Franzke (diagnose:funk)Foto: diagnose:funk

Herr Franzke, an einer Berufsschule in Gelnhausen wird VLC eingeführt, wie kam es dazu?

Es war ein langer Weg. Ausgangspunkt war die Überlegung einer alternativen Übertragungstechnologie zur WLAN Funksteuerung. Über die Lichtwellenübertragung VLC hörte ich im Jahr 2011 vom deutschen Forscher Harald Haas, der in Kalifornien vor einem Kongress diese Technik live vorführte.

Später, als auf Grund der Forschungsergebnisse die Kritik zu WLAN an Schulen immer größer wurde, wurde ich auf das VLC-Projekt in einem Konferenzraum auf der Insel Mainau aufmerksam. Die Besichtigung erfolgte im Frühjahr 2014. Anschließend hatte ich persönliche Kontakte zum Projektleiter Dr. Paraskevopoulos vom Fraunhofer-Institut Berlin und mehrere Besuche in den Laborräumen des HHI, da mich diese Technik sehr interessierte. Im Oktober 2017 erfolgte eine Einladung zur Eröffnungsfeier und Vorführung von VLC im Hegel-Gymnasium in Stuttgart. Danach erfolgten direkte Schreiben mit Informationsmaterial an prädestinierte Schulen im Main-Kinzig-Kreis. Leider ohne Erfolg und eine Interessenlosigkeit der Schulleitungen. WLAN-Tablets, die vom Hessischen Schulministerium an die Schulen gesandt wurden, waren für sie eine „digitale Errungenschaft“, und so bequem!

Mit welchen Argumenten konnten Sie dann doch Entscheidungsträger überzeugen?

Im Juni 2018 lernte ich auf dem Hessischen Breitbandgipfel in Frankfurt/M. den IT- Leiter der Schulen für den gesamten Main-Kinzig-Kreis kennen. Es folgten ein Besuchstermin mit ihm und seinen Mitarbeitern, wo die VLC Technik erläutert wurde. Nach Abklärung der zuständigen Ämter befassten sich nun der Landrat, der Schuldezernent und der Kreistag sowie die Kreispolitiker mit dem Thema VLC. Auf regionalen politischen Veranstaltungenergab sich die Gelegenheit, mit den maßgebenden Politikern persönliche Gespräche über eine Alternative zu WLAN, der optischen Datenübertragung VLC, zu führen. Danach bekamen sie diagnose:funk-Informationsmaterial. So entwickelte sich mit der Zeit ein Konsens und ein positives Klima.  

Parallel dazu kamen in der Lokalzeitung Artikel und ich gab Interviews zu dem Thema, und die maßgebenden Politiker waren jetzt gesprächsbereit und ernsthaft daran interessiert, ein Pilotprojekt an einer Schule im Main-Kinzig-Kreis durchzuführen. Im Dezember 2019 fiel durch den Kreisausschuss die Wahl auf die Beruflichen Schulen Gelnhausen, die größte in Hessen. Da vorab Kontakte zum Fraunhofer-Institut bestand und durch Vermittlung, entschloss sich der Kreisausschuss, dass das Institut die VLC-Technik präsentieren soll. Im September 2020 hat dann der Kreisausschuss beschlossen, die neueste Infrarot-LiFi Technologie in den Beruflichen Schulen Gelnhausen einzubauen.

Ein gutes Beispiel, dass wir mit Alternativen für Veränderungen werben müssen! Welche Vorteile überzeugten die Lehrer und Schulleiter?

Da in den beruflichen Schulen alle Übertragungstechnologien vorhanden sind und eingesetzt werden (Glasfaseranschluss und WLAN), und durch Veröffentlichungen in der Presse die Lichtwellenübertragung LiFi bekannter wurde, interessierten sich der Schulleiter und Fachbereichsleiter für diese neue Technologie. Ein persönliches Gespräch mit ihnen erfolgte im Oktober 2020. Am 10. März 2021 war im Rahmen einer kleinen Feier der Start des LiFi- Pilotprojektes. Vor allen Anwesenden, der Schulleitung, der Schuldezernent, Informatiker, IT- Sicherheitsexperte, LehrerInnen, Presse, führte der Projektleiter vom Fraunhofer-Institutes die neueste Technik vor. Die Datenübertragung funktionierte einwandfrei mit bis zu 1Gbit/s im Download und bis zu 100 Mbit/s im Upload, worüber alle sehr erstaunt waren.

VLC-Projekt in Gelnhausen: Bilder vom Tag der InbetriebnahmeFotos: Berufsschule Gelnhausen

Welche Technik wird eingeführt, was musste in den Klassenzimmern baulich geändert werden? Wer hat die Anlage installiert? Und was sind die Kosten?

Die neue LiFi-Technologie ist eine reine Infrarot-Übertragung. Das heißt, sie ist völlig unabhängig von der Raumbeleuchtung. Um die LiFi- Technik zu integrieren wurden folgende Arbeiten durchgeführt: Einbau, Leitungsverlauf, Anschlüsse: Für die Installation wurden zusätzliche Steckdosen in der Zwischendecke installiert. Darüber hinaus ein zentraler Zugang ins Netzwerk der Schule geschaffen. Um die LiFi Systeme (10 Module) in die Zwischendecke einzulegen, wurden die Deckenplatten ausgeschnitten. Anschließend die Verkabelung der LiFi Module (Sender). Eine abgehangene Decke ist von Vorteil!

Die Installation des LiFi-Systems, Verkabelung und Integration in das Schul-Netzwerk wurden vom Fraunhofer-Institut vorgenommen. Alle weiteren Arbeiten (Elektrik, Leitungsverlegung) hat die Abteilung Elektrik/ IT der Berufsschule im Rahmen der Praxisstunden in Eigenregie ausgeführt. Kosten sind hier leider nicht zu ermitteln. Das ganze Projekt wurde vom Main-Kinzig-Kreis mit 30000.-€ bezuschusst. Wie gesagt, das sind individuelle Kostenermittlungen; bei einer eventuell interessierten Schule bzw. welche Gegebenheiten vor Ort sind. Für uns im Main-Kinzig-Kreis ist es ein Riesenvorteil, dass alle Schulen einen Glasfaseranschluss haben. Der „letzte Meter“ ist dann nur noch der Einbau der LiFi-Technik.

Die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut wurde von Seiten der Schule sehr gelobt, was ich auch bei meinen Gesprächen mit dem Projektleiter, Herrn Schulz und den Besuchen in Berlin nur bestätigen kann. Da von mir über die VLC / LiFi Technik mehrfach in der regionalen Presse berichtet wurde, erschien bei der Eröffnungsfeier ein kleiner Bericht in der GNZ.

Wie kam es bei den SchülerInnen an?

Am Vortage der Eröffnung hatte der IT-Lehrer die neue Infrarot-Technologie zusammen mit den BerufsschülerInnen im Praxistest durchgeführt. Es funktionierte einwandfrei und alle waren von der Technik und den konstanten hohen Datenübertragungsraten angetan. Alle BerufsschülerInnen sollen im Wechsel den LiFi-Klassenraum nutzen können, um so den Bekanntheitsgrad nach außen zu tragen. WLAN vermisste niemand, ja, man ist begeistert und erstaunt, dass man über Licht kommunizieren und bei einem Pionierprojekt dabei sein kann.

Lieber Ekkehart Franzke, vielen Dank für dieses Interview, Gratulation zu diesem Erfolg. VLC macht Schule! Wir sind uns sicher, davon werden Impulse für andere Schulen ausgehen und irgendwann wird die schädliche WLAN-Technologie Vergangenheit sein.

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Stationen der Förderung von VLC-Projekten: Stuttgart-Mainau-Stuttgart-Gelnhausen

diagnose:funk „entdeckte“ 2012, dass das Heinrich-Hertz-Institut Berlin die VLC-Technik entwickelt. Zusammen mit dem MdL Thomas Marwein (GRÜNE) luden wir 2013 Dr. Anagnostis Paraskevopoulos (HHI) in den Landtag ein. Er präsentierte die Technik, damals noch große, klobige Geräte. Die Landesregierung Baden-Württemberg finanzierte daraufhin das erste Pilotprojekt auf der Insel Mainau, unterstützt von den Bodensee-Bürgerinitiativen. Die Stadt Stuttgart finanzierte das zweite Projekt im Hegel-Gymnasium Stuttgart, initiiert von der Stuttgarter Mobilfunkinitiative, beschlossen im Gemeinderat mit den Stimmen von CDU, GRÜNEN und SÖS/LINKE. 2021 startet das erste Projekt in Hessen in Gelnhausen, mit initiiert von Ekkehart Franzke (diagnose:funk).

Bilder: Büro MdL Thomas Marwein/Mainau GmbH/Berufsschule Gelnhausen - Montage: diagnose:funk

Bildbeschreibungen von oben links:

Dr. Anagnostis Paraskevopoulos und MdL Thomas Marwein 2013 bei der Erstpräsentation im Landtag Baden-Württemberg.

Einweihung des Projektes auf der Insel Mainau (Bodensee) im Jahr 2015: Günter Dolak (Bodensee-Mobilfunk), Dr. Thomas Weimer (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Stuttgart), Dr. Andrea Leute (Bodensee-Mobilfunk), Dr. Anja Schmolke (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Stuttgart), Heinrich Straub (Mainau GmbH), Dr. Anagnostis Paraskevopoulos (Fraunhofer Heinrich- Hertz-Institut HHI), Dr. Stefan Zbornik (Bodensee-Mobilfunk), Bettina Gräfin Bernadotte (Mainau GmbH) und Prof. Dr. Wolfgang Skupin (Hochschule Konstanz).

Besuch der Abgeordneten MdL Andrea Bogner-Unden und MdL Thomas Marwein im Hegel-Gymnasium Stuttgart 2019.

2021: Start des Projektes an der beruflichen Fachschule Gelnhausen.

 

Publikation zum Thema

Format: A4Seitenanzahl: 20 Veröffentlicht am: 15.06.2020 Bestellnr.: 241Sprache: deutschHerausgeber: diagnose:funk

LED-Licht zur Datenübertragung – ein gesundheitlich unbedenkliches WLAN?

Zusammenstellung bedeutsamer Aspekte zu VLC bzw. LiFi.
Autor:
Dr. Klaus Scheler
Inhalt:
Gibt es zum bekannten WLAN eine Alternative, deren Strahlung nicht gesundheitsschädlich ist? Ist die Datenübertragung über Licht eine Option? Der Physiker Dr. Klaus Scheler wurde von diagnose:funk beauftragt, hierzu die Studienlage zu VLC / LiFi und LED-Licht zu recherchieren. Sein Review, der als diagnose:funk Brennpunkt erscheint, macht eine klare Aussage: Wenn technische Bedingungen eingehalten werden, vor allem in Bezug auf die Minimierung des Blaulichtanteils von LED-Licht und die Vermeidung gesundheitsbelastender Flimmerfrequenzen, ist VLC/LiFi (Überbegriff Optical Wireless Communication (OWC)) für den Menschen nach heutigem Stand des Wissens biologisch verantwortbar. Der 20-seitige Brennpunkt kann über den Shop als Printversion bestellt werden. Unter Download können Sie eine vierseitige Zusammenfassung herunterladen.
Format: A4Seitenanzahl: 4 Veröffentlicht am: 12.06.2015 Bestellnr.: 230Sprache: Deutsch

Visible Light Communication (VLC)

Optische mobile Kommunikation
Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) in Berlin hat eine Datenübertragungstechnik entwickelt, bei der das Licht handelsüblicher LED-Lampen, die für die Raumbeleuchtung Verwendung finden, mit eingebettetem Mikrochip als Datenträger genutzt wird. Dies könnte eine Alternative zu WLAN werden. Der Brennpunkt berichtet über den Start des ersten Pilotprojektes auf der Insel Mainau.
4. überarbeitete und aktualisierte Auflage Format: A5Seitenanzahl: 100, farbig Veröffentlicht am: 15.09.2019 Bestellnr.: 103Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk, Titelfoto: Cora Müller - stock.adobe.com

Vorsicht WLAN!

Risiken und Alternativen beim Einsatz von WLAN in Schulen, am Arbeitsplatz und Zuhause.
Autor:
diagnose:funk | Dr. K. Scheler, Dipl.-Ing. (FH) G. Krause
Inhalt:
"Kein WLAN an Schulen" - warum eigentlich nicht? Smartphones, Tablets, Spielekonsolen u.v.m. nutzen in der Regel WLAN statt Kabelverbindungen mit dem Router. Als scheinbar risikolose Basistechnologie wird WLAN derzeit vermarktet: Hotels, Bibliotheken, Gaststätten, Erholungsparks, Busse und Bahnen, sogar Städte und Gemeinden werben mit ihren kostenlosen WLAN-Hot-Spots. Auch in immer mehr Schulen soll und wird WLAN eingesetzt. Heute wissen wir: WLAN ist eine Risikotechnologie, viele Einzelstudien weisen bei ständig wiederkehrender Bestrahlung mit WLAN Gesundheitsgefahren nach, die WHO hat sie als möglicherweise krebserregend eingestuft. Die gesundheitlichen Gefahren von WLAN insbesondere für Kinder und Jugendliche im Hinblick auf ihre Entwicklung und ihre kognitiven Funktionen sind erheblich. Mit welchen Maßnahmen kann jeder seine persönliche Strahlenbelastung minimieren? .Welche Möglichkeiten haben Schulen Risiken weitestgehend zu vermeiden? Und welche leistungsfähigeren Alternativen zum heutigen WLAN gibt es bereits heute? Darüber klärt dieser Ratgeber auf.
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