Vorbemerkung diagnose:funk: "Die Reflexstudie ist gefälscht - Handystrahlung löst keine Tumore aus!" - konsterniert lasen wir 2008 im Spiegel, der Süddeutschen, in nahezu der gesamten Presse diese Meldung. Politiker beteten diese Entwarnung beruhigt hoch und runter. Schnell wussten wir aber aus Berichten der beteiligten Wissenschaftler, dass die Studien sauber durchgeführt wurden. Aber die Deutungshoheit hatten damals die Mobilfunkindustrie und Medien, die nicht richtig hingeschaut haben.
Dass daraus ein Wissenschaftskrimi wurde, mit Rufmord, Prozessen, Zerstörung von Existenzen, der zwar gleich als Skandal entlarvt, aber erst 2020 juristisch abgeschlossen werden wird, ahnten wir nicht. Man kann daraus lernen, wozu Industrie und eine korrumpierte Wissenschaft in der Lage sind. Jetzt haben wir es amtlich: Die Ergebnisse der REFLEX-Studie sind richtig, die Behauptung, sie seien gefälscht, darf nicht mehr aufgestellt werden. Eine Revision des Urteils ist nicht zugelassen.
Am 11.12.2020 verkündete das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen folgende Entscheidung (von diagnose:funk zur besseren Lesbarkeit entsprechend ergänzt):
- „Der Beklagte [= Prof. Alexander Lerchl] wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis zur Höhe von 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, mit Bezug auf die Klägerin [seine Fälschungsvorwürfe zur REFLEX-Studie] zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wird auf 20.000 EUR festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.“
Mit der REFLEX-Studie wurde nachgewiesen:
- GSM-1800 und GSM-900 verändern unterhalb des geltenden Grenzwertes von 2 W/kg in verschiedenen menschlichen und tierischen Zellen nach intermittierender und kontinuierlicher Exposition Struktur und Funktion der Gene. Folgende Wirkungen wurden festgestellt:
- Zunahme von Einzel- und Doppelstrangbrüchen der DNA in menschlichen Fibroblasten, HL60-Zellen und Granulosazellen von Ratten, aber nicht in menschlichen Lymphozyten
- Zunahme von Mikrokernen und Chromosomenaberrationen in menschlichen Fibroblasten
- Veränderung der Genexpression in mehreren Zellarten, insbesondere aber in menschlichen Endothelzellen und embryonalen Stammzellen von Mäusen. Ein signifikanter Anstieg von DNA-Strangbrüchen wurde in menschlichen Fibroblasten bereits bei einem SAR-Wert von 0,3 W/kg festgestellt.
Das wurde inzwischen direkt und indirekt durch weitere groß angelegte Studien bestätigt, zuletzt durch die NTP-, Ramazzini-, die AUVA-Studien und viele Einzelstudien, bestätigt in vielen Reviews.
- Angesichts dieses Urteils danken wir Professor Franz Adlkofer, dass er diese zermürbende Auseinandersetzung 12 Jahre lang durchgehalten hat.
- Angesichts dieses Urteils fordern wir die Medien auf, ihre Berichterstattung von 2008 zu korrigieren und den Menschen nun mitzuteilen, welchen Risiken sie sich beim Telefonieren aussetzen.
- Angesichts dieses Urteils fordern wir von der Leitung der medizinischen Universität Wien eine nachträgliche Stellungnahme zur Intrige, die sie an ihrer Einrichtung zugelassen und gedeckt hat.
- Angesichts dieses Urteils fordern wir das Bundesamt für Strahlenschutz auf, den Auftrag der 5G-Studie an Prof. Lerchl rückgängig zu machen, nachdem seine Behauptungen zur REFLEX-Studie als nicht zutreffend verurteilt wurden.
- Angesichts dieses Urteils fordern wir das EMF-Portal auf, den folgenden diskriminierenden Passus zu ändern. Im EMF-Summary zu den REFLEX-Studien Diem et al. (2005) und Schwarz et al. (2008) steht bis jetzt:"Information der Medizinischen Universität Wien vom 23.05.2008: Verdacht auf fehlerhafte Studie der ehemaligen Abteilung für Arbeitsmedizin und die Presseinformation Wissenschaft und Ethik. In einer Stellungnahme der Österreichischen Kommission für Wissenschaftliche Integrität vom 23.11.2010 konnten die Fälschungsvorwürfe nicht verifiziert werden." Dies muss mit den Ergebnissen dieses Urteils ergänzt und korrigiert werden.
Der sogenannte "Wiener Fälschungsskandal" und das "Abschlussdokument", mit dem Prof. Franz Adlkofer eine Bewertung des Vorgangs vornimmt, sind bedeutende Dokumente der Wissenschaftsgeschichte. Dieser Skandal reiht sich ein in die Skandale, die die Europäische Umweltagentur in den zwei Bänden "Späte Lehren aus frühen Warnungen" dokumentiert. Deshalb dokumentieren wir den Artikel von Franz Adlkofer hier ungekürzt. Wer sich über die Geschichte der Wiener Inszenierung der Mobilkfunkindustrie näher informieren will, kann dies auf der Seite http://www.pandora-stiftung.eu tun, dort ist die Auseinandersetzung dokumentiert, oder in der Broschüre der Kompetenzinitiative Strahlenschutz im Widerspruch zur Wissenschaft (kostenloser Download), bestellbar als Broschüre über den diagnose:funk shop.
* Klarstellung vom 23.02.2021
Das Gericht meinte allerdings beiläufig in einem "obiter dictum"[1], d.h. außerhalb der die eigentliche Entscheidung tragenden und rechtskräftig verbindlich gewordenen Gründe, dass „nach dem Ergebnis der Begutachtung des Sachverständigen die vom Beklagten (Prof. Lerchl) vorgebrachten inhaltlichen Bedenken gegen die …. Arbeiten sachlich richtig sind und diese …. vermutlich den Annahmen … über die statistische Unsicherheitsquantifikation nicht genügen.“ ….. Bei diesen „Einwendungen des Beklagten handelt es sich aus mathematischer Sicht (allerdings) lediglich um Plausibilitäten oder Indizien“, nicht aber um einen Nachweis.
Der hinzugezogene Gutachter für Statistik (!), dem das Gericht offenbar vollumfänglich folgte, konnte sich aus seiner mathematisch-statistischen Sicht allem Anschein nach die biomedizinisch zu deutenden und insoweit klaren Ergebnisse nicht erklären und vermutete deshalb einen sonstigen methodischen Mangel in der Auswertung, der die Studie ebenfalls "fehlerhaft" machen könne. Prof. Adlkofer entgegnete dazu in einem Interview mit diagnose:funk:
"Hätte das Hanseatische Oberlandesgericht, wie .. gefordert, einen Sachverständigen mit biowissenschaftlichem Hintergrund oder gar Kenntnissen über das bei der Datengewinnung benutzte Testsystem mit dem Gutachten beauftragt, wären Fragen über die Richtigkeit der Ergebnisse überhaupt nicht aufgekommen ... Die von Prof. Lerchl kritisierten Auffälligkeiten sind bei dem seit mehr als 20 Jahren international eingeführten biologischen Testverfahren, das von Elisabeth Kratochvil benutzt wurde, schlichtweg systemimmanent.... Zur Klärung der Frage, ob die REFLEX-Ergebnisse richtig oder falsch sind, kann das vom Hanseatischen Oberlandesgericht veranlasste Sachverständigengutachten (folglich) keine Aussage machen..“
Prof. Dariusz Leszczynski pflichtet bei:[2]
"Es gibt keine perfekten Studien. Jede Studie hat einige Fehler und Irrtümer. Jede Studie kann man besser machen. Das gilt auch für die Studien, die das Wiener Team des REFLEX-Projekts veröffentlicht hat. Es ist möglich, die Wissenschaftlichkeit der Studien zu diskutieren, die Qualität der Studien zu diskutieren, die wissenschaftliche Zuverlässigkeit dieser Studien zu diskutieren. Lerchl hat nicht über Wissenschaft debattiert. Lerchl ist Amok gelaufen, um seine eigene falsche Überzeugung zu beweisen, dass das Wiener Team Daten gefälscht hat. ... Er ruinierte die EMF-Forschung der Wiener Gruppe und der gesamten weltweiten Gemeinschaft der EMF-Forscher.“
[1]https://de.wikipedia.org/wiki/Obiter_dictum
[2]https://betweenrockandhardplace.wordpress.com/2021/02/16/leszczynski-on-lerchl-in-izgmf-discussion/