"Der Standort von Mobilfunkmasten muss sorgfältig geplant werden!"

US-Ingenieur-Team fordert 500 Meter Abstand
48 % der Bevölkerung sind in Deutschland gegen die Aufstellung von Mobilfunksendemasten. Ihre Befürchtungen werden nun bestätigt durch eine Studie von US-amerikanischen Ingenieuren der Michigan Technological University, die der Mobilfunkindustrie den Ratschlag gibt, Sicherheitsabstände einzuhalten, um nachher nicht durch Haftungsansprüche wegen Gesundheitsschäden finanziell belangt zu werden.
Deckblatt der Original-Studie von JM PearceQuelle: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31791710

Ein US-Ingenieurteam um Joshua Pearce, Professor für Elektro- und Werkstofftechnik an der Michigan Technological University, veröffentlichte die Studie  "Haftungsbeschränkung durch Positionierung zur Minimierung negativer gesundheitlicher Auswirkungen von Mobilfunkmasten",  in der Zeitschrift Environmental Research (2019). Die Pearce-Studie empfiehlt, Mobilfunkmasten in 500 Meter Abstand von Schulen, Krankenhäusern, gefährdeten Bevölkerungsgruppen, von dichten Wohnbesiedlungen und Hochhäusern aufzustellen.[1]

Die Pearce-Studie hat vier Kapitel:

1. Negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit durch die Nähe zu Mobiltelefon-Basisstationen

2. U.S.-Recht zur Verhinderung zukünftiger Haftung nicht hilfreich

3. Derzeitige Positionierung der Zellentürme

4. Vorbeugende Positionierung der Mobilfunk-Basisstation

Unter Punkt zwei fordert Joshua Pearce auf Grund der Studienlage die Anwendung des Vorsorgeprinzips und eine Überarbeitung der Schutzstandards:

  • "Die derzeitigen US-Standards beruhen ausschließlich auf thermischen Effekten (die kein Problem darzustellen scheinen) und schützen nicht gegen nicht-thermische Wirkungen (für die es eine wachsende Besorgnis in der medizinisch-wissenschaftlichen Gemeinschaft gibt). Auf Grund der Ergebnisse vieler Studien, die oben kurz zusammengefasst wurden, sprechen sich viele Forscher für die Überarbeitung der Standardrichtlinien für die öffentliche Exposition von Hochfrequenzstrahlung durch die Antennen der Mobilfunk-Basisstation aus."

In einem Interview in ScienceDaily sagt der Leiter der Studie J. Pearce:

  • "Die Forschung zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Hochfrequenzstrahlung ist noch immer nicht schlüssig. Aber einige der vorläufigen Daten geben uns Anlass zur Besorgnis". [2]

Sein Team recherchierte die aktuellen Daten zu Wirkungen der Hochfrequenzstrahlung und prüft technische Lösungen für die Aufstellung von Türmen. Die bisherigen Daten rechtfertigten mehr Vorsicht bei der Platzierung von Mobilfunkmasten. Die Humanstudien, die im Pearce-Papier überprüft und aufgeführt werden, deuteten darauf hin, dass die Nähe zu Basisstationen mit Kopfschmerzen, Schwindel, Depressionen und anderen neurologischen Verhaltenssymptomen sowie einem erhöhten Krebsrisiko korreliert. Tierstudien deuteten auch darauf hin, dass diese Effekte kumulativ sein könnten. Pearce bezieht sich in seinen Schlussfolgerungen vor allem auf den Review von Levitt und Lai (2010).[3] Ein 500 Meter großer Puffer um Schulen und Krankenhäuser könne dazu beitragen, so Pearce, das Risiko für gefährdete Bevölkerungsgruppen zu verringern.

Mobilfunkmast mitten im Wohngebiet - ein No-Go!Foto: diagnose:funk

Abstand halten!

 

  • "Ich bin für die Technik und ich bin für den Menschen, deshalb denke ich, dass es für uns Möglichkeiten gibt, unsere Mobiltelefone zu haben und potenzielle Risiken zu minimieren, ohne abzuwarten, bis wir herausfinden, dass es eine schlechte Idee war, einen Mobilfunkmast auf einer Schule aufzustellen."

 

 

Mit diesen Worten begründet Pearce den 500 Meter-Vorschlag. Die Herausforderung in den USA bestehe darin, dass die Gesetze, die die Standortpläne für Mobilfunkmasten in Abschnitt 704 des Telekommunikationsgesetzes von 1996 regeln, "Umweltauswirkungen" ausdrücklich aus der Betrachtung ausschließen. "Dies ist ein eigenartiges Gesetz, aber zu sagen, dass etwas legal ist, macht es auf lange Sicht nicht richtig oder kosteneffektiv", bemerkt Pearce. "Es liegt im ureigensten Interesse der Unternehmen, darüber nachzudenken, wo sie Mobilfunkmasten aufstellen; sie wollen schließlich keine Masten verlegen oder auf lange Sicht verantwortlich gemacht werden. Diese Auswirkungen sind unbeabsichtigt - aber es gibt Optionen, es anders zu machen: man kann potenzielle Gesundheitsfolgen reduzieren und damit den künftigen Gewinn eines Unternehmens nicht gefährden." Damit spielt er auf zukünftige Prozesse und eine Haftung für Folgeschäden an.

Neben der Überarbeitung der Suchring-Kartierung, die einen 500-Meter-Puffer umfasst, was sich nicht auf die Kosten des Standortprozesses auswirke, aber die zukünftige Haftung verringere, gibt es laut Pearce auch andere innovativere Optionen, wie den Einsatz kleiner Zellen, die ebenfalls die Hochfrequenz-Exposition verringern könnten. Letzten Endes, so Pearce, komme es darauf an, vor dem Bau nachzudenken.

diagnose:funk begrüßt es, dass bei Ingenieuren auf Grund der Studienlage ein Umdenken einsetzt. Die Erkenntnisse erfordern zwingend eine Vorsorgepolitik und die Mitsprache der Kommunen bei einer Mobilfunkplanung, die Gesundheitsaspekte berücksichtigt. "Abstand halten!" - zu dieser Schlussfolgerung kommen viele Sendemaststudien. Wir haben sie auf unserer Datenbank www.EMFdata.org dokumentiert.

Quellen

[1] J.M. Pearce (2019): Limiting liability with positioning to minimize negative health effects of cellular phone towers. Environmental Research, 2019; 108845 DOI: 10.1016/j.envres.2019.108845

[2] Alle Zitate aus: Allison Mills: Siting cell towers needs careful planning, ScienceDaily, 03.12.2019

[3] Levitt BB, Lai H (2010): Biological effects from exposure to electromagnetic radiation emitted by cell tower base stations and other antenna arrays Review : Environmental Reviews 2010; 18: 369-395

Demo für ein Minimierungskonzept in Stuttgart-Wolfbusch (2015)Foto: diagnose:funk

Publikation zum Thema

2. Auflage Oktober 2014Format: A4Seitenanzahl: 44 Veröffentlicht am: 01.10.2014 Herausgeber: Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt

Leitfaden Senderbau

Vorsorgeprinzip bei Errichtung, Betrieb, Um- und Ausbau von ortsfesten Sendeanlagen
Autor:
Wiener Arbeiterkammer; AUVA – Allgemeine Unfallversicherungsanstalt; Wirtschaftskammer - Bundesinnung der Elektro-, Gebäude-, Alarm-, u. Kommunikationstechniker; Wiener Umweltanwaltschaft; Österreichische Ärztekammer; Wissenschaftler der MedUni Wien, Institut für Umwelthygiene und Institut für Krebsforschung.
Inhalt:
Die Einführung und weltweite Verbreitung von radiofrequenten Funkdiensten (z.B. W-LAN, Mobilfunk) ist in der Geschichte technischer Innovationen ohne Beispiel. Die rasante Entwicklung wird von Bedenken zu gesundheitlichen Auswirkungen begleitet. Dies führt zu erheblichen Widerständen seitens der Bevölkerung besonders dort, wo Infrastruktur ohne Einbindung der Anrainer ausgebaut wird. Der vorliegende Leitfaden beschreibt Strategien und Vorgangsweisen, um dem Bedürfnis nach technischer Innovation einerseits und dem verständlichen Wunsch nach geringen Immissionen andererseits gerecht zu werden. Die Empfehlungen basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen vergangener Jahre. Der Leitfaden bietet konkrete Empfehlungen für ein partizipatives Vorgehen bei der Errichtung von Basisstationen für Baubehörden, Anrainer und Betreiber-Gesellschaften mit dem Ziel gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen zu berücksichtigen. Konfliktträchtige Bauvorhaben können so über einen konstruktiven dialoggesteuerten Prozess im Konsens mit den Anrainern verwirklicht werden.
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