Aber müssen wir das? In ihrer Neujahrsansprache vom 31. Dezember 2016 hat Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel versichert, unsere parlamentarische Demokratie sei „stark“: „Sie ermöglicht Mitwirkung und Mitsprache. Sie akzeptiert, nein, sie fordert Widerspruch und Kritik. Kritik, die friedlich und im Respekt vor dem einzelnen Menschen daherkommt, die Lösungen und Kompromisse sucht und nicht ganze Gruppen ausgrenzt.“ Und in bemerkenswerten Äußerungen anlässlich einer Tagung Rechts- und Werteordnung in der digitalen Welt (3. Juli 2017) sieht Justizminister Heiko Maas die Gesellschaft aufgerufen, die „Menschenwürde“ als „oberste Maxime unseres Zusammenlebens“ gegen Gefährdungen im Zuge der Digitalisierung zu verteidigen. Gerade im häuslichen Umfeld müsse jeder „den Grad und Zeitpunkt der Digitalisierung selbst bestimmen können“, und gebe es ein Recht auf „den Respekt von Privatsphäre und Freiheit durch den Erhalt von Kontrolle und Steuerung des eigenen Lebensumfelds.“.
Die Verfasser dieser Schrift teilen diese Einschätzungen. Sie bekennen sich zum gewaltfreien Widerspruch und wollen nicht, dass Gruppen von Menschen aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Sie beobachten vielfältige Spannungsverhältnisse von ‚digitaler Revolution‘ und Menschenwürde, Mobilfunkpolitik und Menschenrecht. Aber sie halten die erreichte Diskrepanz von Idee und Wirklichkeit des demokratischen Rechtsstaats auch für so groß und so schmerzlich, dass sie den Mut zu demokratischem Widerstand als wichtige Bürgertugend werten, die wir zum Schutz der Demokratie wie unserer Lebenswelt dringend brauchen. Und sie sehen eine zu große Nähe von Staat und Industrie für die beobachteten Defizite an Aufklärung und Verbraucherschutz mit verantwortlich.
Der erste der folgenden Beiträge dieser Schrift bietet eine allgemeiner gehaltene Kritik von Grundlagen und exemplarischen Folgen aktueller Mobilfunkpolitik. Der zweite fragt am konkreten Beispiel des jüngsten Mobilfunkberichts der Bundesregierung an den Bundestag, ob solche Instrumente dem Verfassungsauftrag gerecht werden, Politik und Öffentlichkeit angemessen über mögliche Risiken der technologischen Entwicklung aufzuklären.
Ein an die politisch Verantwortlichen gerichteter Appell „Gesundheit – ein Menschenrecht“ beschließt die Schrift.
Adressaten der Schrift sind die Instanzen der politischen Legislative und Exekutive, die wir für die Standards des Gesundheits- und Umweltschutzes in besonderer Weise zuständig und verantwortlich sehen. Angesprochen werden sollen aber auch all jene Kräfte, denen die Verfassung des demokratischen Rechtsstaats im Sinne der Gewaltenteilung Korrektivfunktionen gegenüber der politischen Exekutive zuschreibt – Medien und Justiz vor allem. An die Repräsentanten aller demokratischen Parteien wenden wir uns mit der Bitte, die Überprüfung der geschilderten Missstände mit in ihr Programm aufzunehmen.
Gesundheit - ein Menschenrecht. Ein Appell an die politisch Verantwortlichen.
Die Verfasser, die Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e. V. sowie alle mitunterzeichnend an dieser Schrift beteiligten Organisationen appellieren an die politisch Verantwortlichen:
- Sorgen Sie für eine unabhängige Forschung, die den Schutz der Bevölkerung nicht dem Schutz kommerzieller Interessen unterordnet!
- Sorgen Sie für Grenzwerte, die wissenschaftlich zeitgemäß und zukunftspolitisch verantwortbar sind!
- Und sorgen Sie für eine Mobilfunk-Politik, die das Menschenrecht auf Gesundheit respektiert!