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TK-Chef fordert Feierabend für "always on"

Studie zur Stresslage der Nation
Für die TK-Stressstudie befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Juni und Juli 2016 im Auftrag der TK zum dritten Mal einen bevölkerungsrepräsentativen Querschnitt der Erwachsenen in Deutschland zu seinem Stresslevel und dem Umgang mit Stress. Die wichtigsten Ergebnisse sind in einem 52-seitigen Studienband zusammengefasst (unter Downloads abrufbar).
Titelbild "Entspann dich Deutschland" - TK-Stressstudie 2016Foto: © Getty Images / Quelle: tk.de

Berlin, 12. Oktober 2016. Deutschland ist gestresst. Sechs von zehn Erwachsenen hierzulande stehen unter Strom, fast jeder Vierte gibt sogar an, häufig gestresst zu sein. Das geht aus der aktuellen TK-Stress-Studie hervor, die die Techniker Krankenkasse (TK) heute in Berlin zusammen mit Ex-Fußballtrainer und Supermarktbesitzer Holger Stanislawski vorgestellt hat. Wichtigste Stressfaktoren sind danach der Job (46 Prozent), hohe Eigenansprüche (43 Prozent), Termindichte in der Freizeit (33 Prozent), Straßenverkehr (30 Prozent) sowie die ständige digitale Erreichbarkeit (28 Prozent).

Letztere betrifft vor allem die Berufstätigen: Drei von zehn Beschäftigten geben an, ihr Job erfordere, auch nach Feierabend oder im Urlaub erreichbar zu sein. Und bei ihnen liegt der Stresspegel besonders hoch. 73 Prozent leiden unter Stress, vier von zehn 'Always on'-Beschäftigten stehen unter Dauerdruck.

Präsentationsfolie (zur Vergrößerung bitte anklicken)Quelle: Techniker Krankenkasse

Dr. Jens Baas, Vorstandvorsitzender der TK: "Die Digitalisierung, die Globalisierung der Märkte und der Anspruch der Kunden, rund um die Uhr alles erledigen zu können, haben unsere Arbeitswelt in den letzten Jahren deutlich verändert. Den Beschäftigten wird deutlich mehr Flexibilität abverlangt. Wenn aber fast 30 Prozent der Erwerbstätigen sagen, dass sie auch nach Feierabend und im Urlaub erreichbar sein müssen, dann läuft in der Betriebsorganisation etwas falsch. Das spricht nicht für eine gesunde Unternehmenskultur."

Ex-Fußballprofi und -Trainer Holger Stanislawski, der in seinem Supermarkt in Hamburg über 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, sieht Parallelen bei der Arbeit zwischen Liga und Lebensmittelregal: "Um auch unter Druck gute Leistung zu bringen, braucht jeder das Gefühl, sowohl die Qualität als auch das Pensum abliefern zu können. Das gilt für meine Mitarbeiter im Geschäft genauso wie für die Spieler auf dem Platz. Deshalb sind gute Führung, eine wertschätzende Feedbackkultur und gesunde Arbeitsbedingungen so wichtig. Im Gegenzug erwarte ich von meinem Team Leistungsbereitschaft, und dass sie für ausreichend Ausgleich sorgen, damit sie fit bleiben und einen guten Job machen können."

Und wie sorgt Deutschland für Ausgleich? Hobby, faulenzen, sich mit Freunden und Familie treffen stehen jeweils bei etwa sieben von zehn Befragten oben auf der Liste der liebsten Entspannungsstrategien. Spazieren gehen und Musik favorisieren jeweils sechs von zehn Erwachsenen, nur jeder Zweite treibt zum Ausgleich Sport. 36 Prozent engagieren sich ehrenamtlich, ein Drittel greift zur Flasche und entspannt mit Wein oder Bier. Nur 13 Prozent, Frauen deutlich häufiger als Männer, nutzen tatsächlich Entspannungsmethoden wie Yoga oder Autogenes Training.

Auf Platz zwölf landet die digitale Entspannung. Knapp 30 Prozent der Befragten geben an, sie suchen bei Computerspielen oder in sozialen Netzwerken nach Ausgleich. Peter Wendt, bei der TK verantwortlich für die Umfragen: "Das klingt zunächst nach einem kleineren Anteil. Die Stressstudie offenbart allerdings eklatante Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Bei den 18- bis 39-Jährigen ist es fast jeder Zweite, der seinen Feierabend gern online verbringt, bei den 40- bis 59-Jährigen nur noch knapp jeder Vierte und bei den ab 60-Jährigen nur noch gut jeder Siebte."

Präsentationsfolie (zur Vergrößerung bitte anklicken)Quelle: Techniker Krankenkasse

"Zumindest für diejenigen, die schon ihren Arbeitstag vor dem Bildschirm verbringen, ist das keine Strategie, die wir empfehlen würden. Wenn man seinen Feierabend in der gleichen passiven Haltung vor dem flimmernden Bildschirm verbringt wie zuvor den Arbeitstag, ist das natürlich kein Ausgleich", so TK-Chef Baas. Der Stresspegel ist bei den Erwachsenen unter 40 tatsächlich am höchsten. Drei von vier Befragten stehen hier unter Druck, und nur fünf Prozent in dieser Altersgruppe haben keinen Stress (Bundesdurchschnitt: 14 Prozent). "In dieser Lebensphase kommt viel zusammen: Im Job werden die Karriereweichen gestellt, die Familie wird gegründet, und glücklicherweise sind die meisten in jungen Jahren so gesund, dass sich der Stress gar nicht so bemerkbar macht. Aber gerade angesichts der Mehrfachbelastungen und des langen Arbeitslebens, das noch vor ihnen liegt, ist regelmäßiger Ausgleich wichtig."

43 Prozent der Berufstätigen hierzulande fühlen sich abgearbeitet und verbraucht. Das sagen zwar vor allem Beschäftigte im höheren Erwerbsalter. Auffällig ist aber, dass auch 37 Prozent der Beschäftigten unter 40 das Gefühl bereits kennt. Insgesamt macht sich fast ein Fünftel der Berufstätigen Sorgen, das Arbeitstempo nicht mehr mithalten zu können.

Staatliche Regulierungen für die Betriebe sehen sowohl Baas als auch Stanislawski kritisch. "Wir brauchen eine Unternehmenskultur in den Betrieben, die es den Menschen ermöglicht, gesund zu arbeiten, zu regenerieren und Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Dazu gehört auch, dass Feierabend ist mit der ständigen Erreichbarkeit," so der TK-Chef.

Stanislawski: "Die Unternehmen brauchen die Möglichkeit, flexibel agieren zu können, zum Beispiel wenn viel los ist, in der Urlaubszeit oder wenn jemand krank wird. Wichtig ist, dass die Beschäftigten aber auch wissen, dass das auch wieder ausgeglichen und nicht immer mehr gefordert wird. Das ist eine Frage der Haltung, das lässt sich nicht verordnen."

Auch bei den Berufstätigen spielt die Einstellung offenbar eine große Rolle: 42 Prozent sagen, dass beruflicher Stress sie eher anspornt als belastet. "Ob man Stress als Herausforderung oder als Belastung empfindet, hängt offenbar damit zusammen, ob man eine Aufgabe hat, die Spaß macht", so TK-Experte Wendt. Das können immerhin sieben von zehn Berufstätigen von ihrer Arbeit sagen, knapp ein Viertel sieht den Job nur als Broterwerb, und für einen von 20 ist der Beruf reiner Frust.

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