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Studienrecherche

Zellstress, Fruchtbarkeit und Handystrahlung

Studienrecherche 2016-2 veröffentlicht
Neben der NTP-Studie werden weitere 11 Studien besprochen. Die Themen sind dabei: Oxidativer Zellstress und Vitamin C, Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung auf die Fruchtbarkeit, die Herztätigkeit, das Wohlbefinden und die Gedächtnisleistung.

Am 27.05.2016 wurden die ersten Teilergebnisse der bisher größten Studie zu nichtionisierender Strahlung und Krebs, finanziert von der Regierung der USA mit 25 Mio. Dollar, vorgestellt. Das Ergebnis: Mobilfunkstrahlung kann zu Tumoren führen. Durch die Strahlung wurden zwei Krebsarten (Schwannom, Gliom) und bei einer zusätzlichen Anzahl von Ratten präkanzerogene Zellveränderungen (Hyperplasie von Gliazellen) ausgelöst. Die Studie wurde im National Toxicology Program (NTP) innerhalb des National Institutes of Health der US-Regierung durchgeführt. Das Ergebnis ist so brisant, dass die Wissenschaftler schon vor der Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift mit dem geprüften Ergebnis an die Öffentlichkeit gingen. Es erfordere, so die Wissenschaftler, von der US-Regierung eine Aufklärungs- und Vorsorgepolitik. Die American Cancer Society (ACS) spricht von einem Paradigmenwechsel durch die Ergebnisse der NTP-Studie. Für diese Studienrecherche haben wir eine eigene Auswertung der Studie verfasst. 

Oxidativer Zellstress, Grundlage entzündlicher Prozesse

Die Liste der Studien, die oxidativen Zellstress nachweisen, verlängert sich monatlich. 2015 veröffentlichten Yakymenko et al. (s. Studienrecherche 2015-3) den Review mit 93 Studien, inzwischen sind es über 100 zu diesem Schädigungsmechanismus.  Abu Khadra et al. 2015 untersuchten den Speichel junger Männer nach Mobilfunk-Telefonaten. Die 1800-MHz-Mobilfunkstrahlung verursachte oxidativen Zellstress, der nachweisbar war an der erhöhten Konzentration von Superoxid-Radikal-Anionen im Speichel der Handynutzer. Das könnte eine DNA-Schädigung zur Folge haben. Lippi et al. 2016 untersuchten die Wirkungen der 900-MHz-Strahlung von Smartphones auf Leukozyten. Es gab eine signifikante Abnahme der Myeloperoxidase bei allen 16 Proben nach 30 Minuten Bestrahlung und eine signifikante Abnahme der segmentierten neutrophilen Leukozyten (Linksverschiebung zu weniger segmentierten Zellen). Die Myeloperoxidase spielt bei oxidativen Prozessen in den Zellen eine Rolle. Ragy 2015 weist nach, dass 900-MHz-Strahlung von Mobiltelefonen biochemische und oxidative Schäden, u.a. einen signifikanten Anstieg der Lipidperoxidation, erzeugt, insbesondere  Zellstress in Gehirn, Leber und Nieren der AlbinoRatten. 

Vitamin C und Rotlicht gegen oxidativen Zellstress

Dass die Mobilfunkstrahlung entzündliche Prozesse in den Zellen auslöst, ist durch über 100 Arbeiten nachgewiesen. Studien beschäftigen sich mit Schutzmöglichkeiten und experimentieren mit Vitamin C als Antioxidanz: Akbari et al. 2014, Imge et al. 2010, Jelodar et al. 2013. Akbari et al. und Jelodar et al. simulierten ein Basisstationen-Antennen-Modell, das mit 900 MHz sendet. Akbari et al. stellten fest, dass die Strahlung oxidativen Stress in den Geweben von Gehirn und Kleinhirn hervorruft und Vitamin C die Enzymaktivität der antioxidativen Enzyme erhöht und die Lipidperoxidation verringert. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe von Jelador et al.  zeigen, dass die 900-MHz-Strahlung von Basisstationen oxidativen Stress in den Rattenhoden hervorruft. Vitamin C verbesserte die Aktivi-täten der antioxidativen Enzyme signifikant und verringerte signifikant die MDA-Konzentration (Marker für oxidativen Stress), die Lipidperoxidation war geringer. Die Studie von Imge et al. Weist nach, dass 900-MHz-Strahlung im Hirngewebe eine Aktivitätshemmung der Enzyme verursacht, die eine Funktion im Purinstoffwechsel haben. Die Hemmung des Purin-Stoffwechsels kann zu Immunschwäche führen, dadurch können Menschen anfälliger für andere Krankheiten sein. Die Verminderung der Aktivitäten der antioxidativen Enzyme im Hirngewebe könnte andere Erkrankungen begünstigen, wie Krebs und Gefäßkrankheiten. Vitamin C steigerte Aktivitäten der antioxidativen Enzyme. Tsybulin et al. 2015 untersuchten, wie Rotlicht von LEDs sich auf den oxidativen Zellstress im Embryozellen von Wachteln  auswirkt. Die antioxidativen Enzyme SOD und Katalase werden durch 900 MHz in ihrer Aktivität gehemmt, das monochromatische Rotlicht kann die Aktivität wieder steigern. Das Rotlicht hat möglicherweise ähnliche Wirkungen wie die klassischen Antioxidantien. Diese Studie könnte Auswirkungen auf das Design der VLC-Technologie, die über LEDs sendet und empfängt, haben. 

Risiken für die Fruchtbarkeit

Diagnose:funk hat einen Brennpunkt mit 130 Studien zu Risiken für die Fertilität vorgelegt. Zwei Studien werden in dieser Recherche rezensiert. Jelador et al. (s.o.) zeigen, dass die 900-MHz-Strahlung von Basisstationen oxidativen Stress in den Rattenhoden hervorruft. Bakacak et al. 2015 bestrahlten weibliche Ratten mit 900 MHz. Die Anzahl der Follikel in der bestrahlten Gruppe war signifikant geringer war als bei den Kontrolltieren (Kontrolle 150, bestrahlte 70), auch das Gewicht der Eierstöcke war geringer.

Auswirkungen auf Herzfunktionen

In der  Fall-Kontroll-Studie von Ekici et al. 2016 sollte untersucht werden, welchen Einfluss Mobilfunkstrahlung auf die Herztätigkeit, insbesondere die Herzratenvariabiliät (HRV), von gesunden Personen hat. Es wurde gezeigt, dass die Dauer der Mobiltelefonnutzung das autonome Gleichgewicht für die Herzratenvariabilität in den gesunden Personen verschieben könnte. Während der Gespräche ist das Gerät nah am Kopf, dadurch kann das autonome Nervensystem verändert werden, das eine Verbindung zur Steuerung der Herztätigkeit (Schrittmacher) hat. Die elektromagnetischen Felder der Mobiltelefone könnten bei Langzeitnut-zung Veränderungen in der Herzratenvariabilität hervorrufen.

Auswirkungen auf Schüler und ihre Leistungsfähigkeit

Mortazavi et al. 2011 untersuchten 469 Schüler auf die Folgen der Mobiltelefon-Nutzung. Es gab einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Gesprächsdauer und der Häufigkeit von einigen Symptomen, darunter Kopf- und Muskelschmerzen, Herzklopfen, Müdigkeit, Tinnitus, Schwindel und Schlafprobleme pro Monat. Auch Probleme mit Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Nervosität war bei den Vielnutzern größer als erwartet. Schoeni et al. 2015 untersuchten, ob sich die häufige Nutzung des Smartphones auf die Gedächtnisleistung auswirkt. Die Auswertung der Gedächtnistests mit den Jugendlichen ergaben nach einem Jahr einen signifikanten Zusammenhang zwischen höherer Dosis und schlechterem Figuren-Gedächtnis. Beim Wortgedächtnis war der Zusammenhang geringer, evtl. werden verschiedene Hirnareale von der Strahlung angesprochen. Das deutet auf eine Beeinträchtigung des Gedächtnisses durch die Strahlung hin.

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Publikation zum Thema

Artikel veröffentlicht:
11.07.2016
Autor:
diagnose:funk
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