Der Eindruck drängt sich auf, dass die Industrie- und Wirtschafts-Lobby ganze Arbeit geleistet hat. Zwar sind Datenschutz-Bedenken weitgehend berücksichtigt, auch wenn hier kritische Rückfragen bleiben: Welche privatesten Profile werden künftig vielleicht doch verborgen abgreifbar? Und sind Hacker-Gefahren wirklich zu bannen? Gänzlich unberücksichtigt sind aber im Text bislang Strahlenschutz-Bedenken geblieben. Dabei hat das Bundesamt für Strahlenschutz gemahnt: „Dem Grundsatz des Strahlenschutzes entsprechend, Belastungen wenn möglich zu minimieren oder ganz zu vermeiden, sollten Smart Meter bevorzugt werden, die ihre Daten kabelgebunden übertragen.“ Warum wird ungeachtet dessen dem Endkunden im neuen Gesetz kein Recht auf kabelgebundene Zähltechnologie garantiert?
Strahlenbelastung und bürgerliche Freiheit
Die Vorteile digitaler Vernetzung des Stromzählens kommen vor allem zustande, wenn die anfallenden Daten relativ häufig erhoben und weitergeleitet werden. Darum aber ist es bald aus mit einmal jährlichem oder monatlichem Registrieren von Zählerdaten. Vielmehr interessiert beispielsweise viertelstündliches, minütliches oder fast sekündliches Messen und Weitervermitteln – je nach Tarif. Die Übermittlung der erhobenen Daten könnte sowohl durch Funk als auch über Kabel erfolgen. Aber Funk wird oft – vor allem auf dem Lande – als preiswertere Lösung favorisiert, wobei es bei der Kosten-Nutzung-Rechnung auf gesundheitliche Risiken nicht anzukommen scheint. Wenn künftig ein funkendes System eingebaut werden soll, muss der Endverbraucher nicht mehr um sein Einverständnis gebeten werden.
Dabei liegt die Strahlenbelastung durch Funk in unserer Lebenswelt längst bedenklich hoch – gemessen an den warnenden Stimmen etlicher unabhängiger Forscher aus Ländern rund um den Globus, die viel zu wenig Gehör finden. So betonte kürzlich der Vorsitzende der französischen Vereinigung für Krebstherapieforschung, Dominique Belpomme: „Es geht nicht darum, jeglichen technischen Fortschritt rückgängig zu machen, aber Staat und Verbände müssen handeln… Derzeit leugnen die Politiker das Problem völlig. Gesundheitlich zahlen wir dafür einen hohen Preis…“ Eine Langzeitstudie aus Bayern legte nahe, dass Mobilfunk-Effekte einem Dosis-Wirkungs-Zusammenhang unterliegen und langfristig zu Gesundheitsschäden führen können. Nicht von ungefähr forderte der Ständige Ausschuss des Europarates in einer Resolution bereits 2011 eine europaweite Wende in der Mobilfunkpolitik. In der Schweiz zeigte voriges Jahr eine amtliche Auswertung des Forschungsstandes durch den Bundesrat, dass eine Beeinflussung der Hirnströme nach wissenschaftlichen Kriterien ausreichend nachgewiesen sei. Trotz allem steigt im Zuge der fortschreitenden „digitalen Revolution“ die Strahlenbelastung kontinuierlich an – gerade auch im Wohnbereich, insbesondere in Mehrfamilienhäusern. Und dazu wird ein gesetzlich verankerter Ausschluss der Möglichkeit, funkende Stromzähler abzulehnen, künftig mit beitragen.
Die Folgen des neuen Gesetzes bedeuten für manche Bürgerinnen und Bürger eine Horror-Vorstellung: Funkstationen, die womöglich alle paar Sekunden ihr Signal durch den privaten Wohnraum schicken, den sie doch bewusst von solcher Strahlung möglichst frei halten wollten – nicht aus irrationalen Ängsten heraus, sondern weil sie sich informiert und ihre freie Meinung gebildet haben. Was gilt noch der grundgesetzlich garantierte Schutz der körperlichen Unversehrtheit sowie des eigenen Wohnraums? Der Mediziner Karl Braun-von Gladiß gibt zu bedenken: „Eine der basalen Forderungen aller für den problembewussten Umgang mit Mobilfunk plädierenden Wissenschaftler heißt, die Mobilfunkdichte vor allem nachts zu reduzieren, weil das biologische System in dieser Zeit besonders sensibel ist. Dementsprechend zweifelte bislang kein unabhängiger Wissenschaftler an der Notwendigkeit, nachts die Sendeleistungen von Mobilfunkbasisstationen herunter zu regeln, was technisch gut möglich ist.“ Dem aber entsprechen die Ermächtigungen im Rahmen des neuen Gesetzes keineswegs. Über besorgniserregende Erfahrungen mit funkenden Heizkostenverteilern berichtet der Umweltmediziner Joachim Mutter: Patienten hätten – obwohl sie nicht einmal wussten, dass sich neue Strahlenquellen im Haus befanden – nach dem Einbau dieser Art von Zählern „vielerlei Beschwerden und Krankheiten erworben“. Schlafschwierigkeiten, Kopf- und Körperschmerzen, Blutdruckkrisen, Gedächtnisschwäche, Augenbrennen, Tinnitus und dergleichen wurden erst besser, nachdem die per Funk auslesbaren Heizkostenverteiler demontiert und dafür wieder die alten Messröhrchen an den Heizkörpern angebracht wurden.
Auch Kabellösungen sind nicht immer unproblematisch
Sofern die Datenübertragung nicht durch Funk, sondern übers Stromnetz selbst erfolgen soll, spricht man von Powerline Communication (PLC). Unter baubiologischem Aspekt ist aber genau diese Art von Kabellösung gesundheitlich auch nicht unproblematisch: Hierbei wird elektromagnetische Strahlung über alle ungeschirmten Stromleitungen und eventuell obe;:ndrein über alle an die gemeinsame Hauserdung angeschlossenen Rohrleitungen im Haus wirksam. Zumal für die Wirkung auf Lebewesen nicht nur die Strahlungsintensität, sondern auch Art und Dauer der Strahlung wichtig sind, kann von einer Ungefährlichkeit selbst dieser Strahlung nicht pauschal die Rede sein. Die Österreichische Ärztekammer warnt, für Zwischenfrequenzen, wie sie bei PLC-Anbindung vom Trafo zum Smart Meter aufträten, lägen Daten aus den USA vor, die ein erhöhtes Krebsrisiko zeigten. Und der Schweizer Ingenieur Peter Schlegel weiß: Der Frequenzbereich von PLC verursacht zumindest manchen „elektrosensiblen Personen spontane Beschwerden.“ Darum sollte man auch diese Art von Kabellösung hierzulande im privaten Lebensbereich weiterhin ablehnen dürfen – zu Gunsten der Wahl von Techniken wie Ethernet-LAN, Festnetz-DSL bzw. Glasfaser. Deren Verwendungsmöglichkeit sollte in dem neuen Gesetz ausdrücklich garantiert werden; sonst könnte dafür irgendwann ein Aus durch den „freien Markt“ drohen. Jörn Gutbier, Vorsitzender von diagnose:funk, mahnt: „Ein erneutes Zwangsgesetz zum Einbau gesundheitsgefährdender, qualitativ und technisch unausgereifter Produkte, wie vor Jahren bei der Energiesparlampe, braucht niemand.“