Mobilfunk und psychische Erkrankungen

Sammlung von Hintergrundinformationen
Dr. Ferdinand Ruzicka hat sich mit dem Thema befasst und seine Rechercheergebnisse auf seiner Website veröffentlicht.

Mobilfunk („Elektrosensible“) und psychische Erkrankungen

Kann man von sogenannten „Elektrosensiblen“ überhaupt sprechen, oder ist es vielmehr nicht ein Begriff der eine gewisse Abwertung von Menschen bedeutet? Manche sagen sogar „Elektrosensibelchen“ bei einem Menschen der bei einer zu hohen Dosis eines elektromagnetischen Feldes leidet bzw. daran erkrankt. Zum elektromagnetischen Spektrum gehören auch das UV-Licht oder noch höher frequente Wellen (Strahlen), müsste man dann nicht bei jemandem der dadurch an Hautkrebs erkrankt, ebenfalls von einem „Elektrosensibelchen“ sprechen? Oder müsste man dann nicht analog dazu bei jemandem der infolge des Rauchens an einer der von der WHO gelisteten Krankheiten erkrankt und daran stirbt, weltweit immerhin fünf Millionen Menschen jährlich ( in Deutschland oder in Frankreich sind es mehr als 100 000 Personen jährlich ) von einem „Rauchsensiblen“ oder einem „Rauchsensibelchen“ sprechen? Das hört man allerdings nicht. Aufgrund zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen können aber bei einer Reihe von Erkrankungen elektromagnetische Wellen (Strahlen) als einer der Hauptrisikofaktoren angesehen werden.

Dr. Wolfgang Hingst schreibt

in seinem Buch ‚Handy-Fieber’ auf Seite 8/9 u.a.: „ Man versucht die Betroffenen ins ‚psychische Eck’ – sprich zum Psychiater- abzuschieben. Alles nur Einbildung, ist die Devise. Angst mache eben auch krank. Man stützt sich dabei auf ‚Experten’, die die Forschungsergebnisse der letzten Jahre offenbar verschlafen haben, etwa der österreichische Sozialmediziner Michael Kunze- er führt z.B. Schlafstörungen und andere gravierende Gesundheitsprobleme von Betroffenen auf ‚Stress, ausgelöst durch teilweise unbegründete Angst vor den Sendeanlagen’, zurück.“ Hingst berichtet auf Seite 160 : „Aus einer beigelegten Sachverhaltsdarstellung geht unter anderem hervor, dass die Mieter (Anm.: Bruno Kreisky-Hof, Wien 17) schon von der ersten Sitzung des medizinischen Arbeitskreises ‚entsetzt und enttäuscht’ waren, Professor Schobersberger, unterstützt von Professor Kunze, zur Lösung ihrer Gesundheitsprobleme ein Programm aus Entspannungsübungen und positiver psychischer Selbstbeeinflussung durch Meditation bis hin zum Rosenkranzbeten (!) empfahl“.

Hingst weiter:

„Was sich da wohl der Namensgeber der Wohnhausanlage, Bruno Kreisky, gedacht haben würde, hätte er das noch erlebt? Vielleicht hätte er gesagt: „Schauen Sie, auch Universitätsprofessoren sind nur Menschen.“

Hans-Ulrich Jakob

Präsident der Schweizerischen Interessengemeinschaft Elektrosmog-Betroffener schreibt in der Broschüre ‚Problemfall Mobilfunk Schweiz’ auf Seite 12 unter: ‚Fakten und Zahlen zur Mobilkommunikation’ u.a. : „Innerhalb von 5 Jahren hat sich die Zahl der Handys verzehnfacht. Wieso diese extrem schnelle Ausbreitung? Wie beim Drogenhandel ist der Einstieg gratis. Millionenfach werden Handys verschenkt. Erst wenn die Leute einmal süchtig sind, wird kräftig abkassiert.“ ... und weiter unten schreibt er: „Wie es zur Zeit aussieht, heißt die Endlösung für diese Bevölkerungsgruppe (Anm.: Elektrosensible) ‚Psychiatrische Anstalt’. In den letzten 10 Jahren hat sich die Anzahl der Psychiatriepatienten auf das 2,6 – Fache gesteigert ....“

Und wie sieht es gegenwärtig in Österreich aus?

Der Wiener Psychiater und Psychotherapeut Dr. Stephan Rudas stellte aus Anlass des Welttages für psychische Gesundheit (10. Oktober 2004) dazu fest: „Jeder vierte Mensch wird im Laufe seines Lebens zumindest einmal ernsthaft psychisch krank.

Für Österreich müsse von folgenden Zahlen ausgegangen werden: etwa 70.000 bis 90.000 Schizophrenie-Erkrankte 100.000 schwer depressiv Erkrankte Rund 100.000 Demenzkranke 350.000 Menschen, die an schweren Angststörungen, Zwangskrankheiten, Phobien bzw. schweren Schlafstörungen leiden.

Was noch hinzu kommt:

In Österreich leben rund 330.000 Alkoholkranke. Etwa 100.000 Menschen dürften von Medikamentenmissbrauch bzw. -abhängigkeit betroffen sein.“ Also gesamt über eine Million Österreicher!

Weiter stellte Rudas fest:

„Während die Zahl schizophrener Erkrankungen im Laufe der Zeit gleich bleibend ist, nimmt die Zahl der depressiven Erkrankungen, der Angstkrankheiten und der Demenzerkrankungen zu.“

Die Anzahl der Handy-User

(allerdings teils mit mehreren Verträgen pro Person) betrug in Österreich im Jahre 2003 7,1 Millionen. Damit wurde in Österreich eine Handydichte von 87% erreicht. 2005 betrug die Penetration mit Handys bereits mehr als 100%. In der Altersgruppe bis 29 Jahre beträgt die Handy-Nutzung bei Männern und Frauen 93%.

Claudia Richter (Die Presse) schreibt u.a.:

„Die Zahl der Krankenstandstage infolge seelischer Störungen ist bei den 15- bis 29-Jährigen um 70 bis 90 Prozent gewachsen. Schriller klingender Alarmglocken bedarf es eigentlich nicht mehr!“

Eine Hamburger Gesundheitsstudie im Auftrag des Stern ergab bei Kindern zwischen 4 bis 18 Jahren: 46,4 % Konzentrationsprobleme 27,6 % Verwirrtheit / Zerstreutheit 4,9 % Denken über Freitod nach 10,0 % ständige Kopfschmerzen 5,4 % ständige Müdigkeit 19,7 % Allergien

Dr. Salford stellte fest:

Mit dieser Studie (Schädigung von Nervenzellen im Hirn - Öffnung der Blut-Hirn-Schranke von Säugetieren nach Exposition gegenüber GSM Handy-Strahlung - Leif G. Salford, et al.: Lund Universität, Schweden, 29.01.2003) legen wir zum ersten Mal Beweise vor, dass athermische Mikrowellen-Exposition Neuronenschäden verursachen. Wir können nicht ausschließen, dass eine ganze Generation von Nutzern nach jahrelanger häufiger Nutzung bereits im mittleren Alter unter negativen Effekten leiden könnte.“

Für die Psychotherapeutin Dr. Christine Aschermann

ergaben sich ab Ende 1997 vollkommen neue Krankheitsbilder in ihrer Praxis. Im Jahre 1998 kamen 18 Patienten, die körperlich sehr krank wirkten, ohne die Ursachen zu kennen. Christine Aschermann wusste damals auch noch nichts vom Mobilfunk. Sie fragte bei den Gesundheitsbehörden nach, bekam aber keine Hilfestellung. Dies stellte sie in einem Referat während des 1. Bamberger Symposiums am 29.Jänner 2005 fest.
Erst nach und nach kam sie auf den Mobilfunk als Störquelle. Sie konnte schließlich die Patienten nach Regionen einteilen, die mehr oder weniger bestrahlt wurden.
Dr. Aschermann berichtete von folgenden Symptomen: Fehlleistungen, Vergesslichkeit, Wortfindungsprobleme, Gelenkschwellungen, wirr im Kopf, ausrasten, manische Phasen, Depression, Ängste und Unruhe, zappeln und Grimassen schneiden, Potenzstörungen, Thrombose des Augennervs, Tinnitus. Einige Patienten hatten starre, glänzende Augen, andere ein geschwollenes Gesicht.

Der Pathologe Prof. Karl Hecht

wies in seinem Referat während des 1. Bamberger Symposiums insbesondere auf die Bedeutung der Einwirkdauer von EMF hin. In den ersten 5 bis 30 Minuten passiert nichts bzw. ergibt sich sogar eine Zustandsverbesserung. Erst ab 30 Minuten sind negative Einflüsse erkennbar. Es ist deshalb irreführend, wenn in Studien nur eine kurzzeitige Bestrahlung der Probanden vorgenommen wird um daraus Schlüsse zu ziehen. Hecht untersuchte jahrelang Patienten mit chronischen Schlafstörungen, die durch Stressoren wie Lärm oder EMF ausgelöst werden können.

Er erkannte folgende Sekundärfolgen von Schlafstörungen: · Diabetes mellitus · Hypertonie · Herzattacken · Schlaganfall · maligne Tumore · Asthma, Bronchitis · Depressionen

Siehe dazu auch mein Artikel: Wirkungsweise von EMF auf biologische Systeme

Die Handysucht

Aber es gibt auch noch einen weiteren Aspekt. Nach einer aktuellen Umfrage von Lloyds TSB fühlen sich zwei Drittel aller Handybesitzer unwohl, wenn sie ihr Mobiltelefon zu Hause vergessen. Drei Prozent werden nach eigenen Angaben gar ängstlich oder panisch. Ähnlich groß ist auch die Abhängigkeit vom Internet - über 70 Prozent drehen nach eigenen Angaben durch, wenn sie nicht jeden Tag ihre E-Mails checken können. Psychotherapeuten bezeichnen das Phänomen das 'Mobile and Internet Dependency Syndrome' (MAIDS). Beratungsstellen seien zunehmend mit dem krankhaften Gebrauch von Handys konfrontiert, berichtete auch Hellmut Koch, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer. Was bedeutet in diesem Zusammenhang "krankhaft"? Hellmut Koch dazu: "Sucht besteht dann, wenn Leute von ihren Handys nicht mehr lassen können, geradezu zwanghaft mehr als 100 SMS-Kurznachrichten pro Tag verschicken – und hinterher mit immensen Telefonrechnungen konfrontiert sind, die sie nicht mehr zahlen können." Immer mehr Jugendliche versuchen zu sparen, damit sie sich ihr Handy leisten können. Das führt sogar soweit, dass Mancher mit dem Rauchen aufhört, um die nächste Handy-Rechnung zu begleichen. Statt nikotinabhängig jetzt handysüchtig! Mittlerweile wird die Handysucht gleichgesetzt mit Spielsucht. Das betrifft junge Menschen genauso wie ältere.

Schon am 26. Oktober 2001 stellte ein Bericht in der 'Ärzte-Zeitung' fest: "Wir können ohne unser Handy nicht leben!"

Die Verbraucherorganisation Codacons wollte wissen, wie Italiener reagieren, wenn sie plötzlich kein Handy mehr haben. 300 Freiwillige in Ischia machten mit und gaben ihr Gerät für zwei Wochen ab. Schon zwei bis drei Tage später hatten manche die ersten Entzugssymptome gespürt. Nach 15 Tagen gaben sieben von zehn an, sie könnten ohne Handy nicht leben. 25 Prozent berichteten von einem Verlust an Selbstvertrauen, weil sie sich von einem wichtigen Kommunikationsgerät abgeschnitten fühlten. 48 der 300 Probanden hatten die Lust auf Sex verloren. Einige verspürten keinen Appetit mehr oder waren depressiv geworden. Nur 30 Prozent gaben an, keinen Effekt gemerkt zu haben.

Dr. Ferdinand Ruzicka

Artikel veröffentlicht:
22.07.2005
Autor:
Univ.-Doz. Dr. Ferdinand Ruzicka
Quelle:
Veröffentlicht auf diagnose:funk mit freundlicher Genehmigung des Autoren.
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