„Ich habe immer geschlafen wie ein Stein“, erzählt Ana Garrido. „Doch seit ich vor vier Jahren nach Benalúa gezogen bin, ist mein Schlaf nicht mehr erholsam.“ Sie ist nicht die einzige Schlaflose in dem Alicantiner Viertel. Ihre Nachbarn klagen zudem über ständige Kopfschmerzen, Depressionen, mangelnde Konzentrationsfähigkeit. Die Ursache ist für die Anwohner eindeutig, auch wenn sie unsichtbar ist: elektromagnetische Strahlung.
Ana Garrido steht auf der zentralen Plaza des Barrio Benalúa und deutet in verschiedene Ecken. „Dort ist eine Mobilfunkantenne versteckt, da noch eine und in den anderen Ecken noch einige mehr – und alle sind auf diesen belebten Platz fokussiert“, haben sie und ihre Mitstreiter entdeckt. „Wenn man die Strahlen sichtbar machen würde, ständen wir jetzt in einem dichten Netz von Linien.“ Der Platz sei einer der am meisten belasteten von Alicante. Fast alle der Antennen seien an privaten Gebäuden angebracht. „Die Kommunikationsfirmen zahlen verdammt gut für die Miete von Montageflächen“, erklärt sie.
Natürlich, dessen ist sich die Mutter von zwei Kindern bewusst, könne man der modernen Kommunikation nirgends entgehen. „Selbst im letzten Winkel der Wüste kannst du den Strahlen nicht entkommen, die von Handys, Kommunikationsnetzen und Mikrowellen ausgehen.“ Doch wogegen die Alicantinerin sich wehrt, ist die extreme Zunahme und die fehlende Kontrolle.
Ihr Widerstand und der zahlreicher weiterer Anwohner ist in der Patma organisiert, der Plataforma de Afectados por la Telefonía Móvil de Alicante (Plattform für Betroffene von Mobilfunkantennen von Alicante). „Was wir erreichen wollen, ist, dass es endlich Normen gibt“, erklärt sie. „In anderen Ländern wird im Zusammenhang mit elektromagnetischer Strahlung das Prinzip der Vorsicht angewandt, warum denn nicht hier?“
Im Rathaus von Alicante nehme man die Besorgnis der Anwohner überhaupt nicht ernst. „Dort wird die Verantwortung von einem zum anderen geschoben und die Ausrede vorgebracht, dass die Antennen ja an privaten Gebäuden angebracht sind“, erklärt Ana Garrido. „Doch wenn jemand mit einer privaten Fiesta andere Anwohner stört, greifen die Behörden ja auch ein – und das hier ist viel schlimmer, es belastet permanent die Gesundheit der Menschen, die hier leben.“ Bei so genannten Cluster-Untersuchungen seien in der Calle de Alona ein paar Ecken weiter eine erhöhte Zahl an Leukämiefällen unter Kindern festgestellt worden, die von Wissenschaftlern in direkten Zusammenhang mit den Antennen im Viertel gebracht worden sei, erzählt die Anwohnerin.
Was Mobilfunkunternehmen abstreiten, ist für Patma eindeutig erwiesen. „Zahlreiche Studien haben ergeben, dass die Strahlen schädlich für den menschlichen Körper sind“, erinnert sie. „Und selbst wenn die Folgen noch nicht absehbar wären, so müsste man zumindest Vorkehrungen treffen.“
Mit Interesse hat Patma das neueste Kommunikationsprojekt Alicantes, einen Funkturm auf dem Monte Tossal im Norden der Stadt, verfolgt. Hauptargument ist, dass mit dem Aufstellen eines solchen, 175 Meter hohen Turms einige Antennenanlagen, unter anderem auf der Burg Santa Bárbara und dem Castillo San Fernando, abgebaut werden könnten. „Wenn sie mit dem Turm tatsächlich viele Antennen in den Wohngebieten einsparen würden, hätte das Ganze etwas Positives, doch ich glaube nicht daran“, ist die Patma-Vertreterin skeptisch. Stattdessen werde erneut ein Strahlen aussenden des Objekt in die Nähe von vier Schulen, die rund um den Berg Tossal liegen, gestellt. „Gerade Kinder, die noch in der Entwicklung sind, belasten die elektromagnetischen Felder besonders.“
Die vom Gesetz vorgeschriebene Bürgerbeteiligungsaktion bei Projekten, die das Stadtbild verändern können, ist in Alicante nach Ansicht von Patma und zahlreicher anderer Bürgervereinigungen eine Farce. Vom 14. Juni bis 13. Juli hatten die Einwohner Zeit, ihre Meinung zu den „visuellen Auswirkungen“ des Funkturms abzugeben – just zu einem Zeitpunkt, als sich die Alicantiner ausgelassen in das Fiestagetümmel der Hogueras stürzten. In einem Kommuniqué kritisierten die Vereinigungen außerdem, dass Fotos und Meinungen auf der entsprechenden Internetseite „vorgefertigt“ seien, damit die abgegebenen Kommentare zum Projekt positiv ausfielen.
Ana Garrido ist keine Protestlerin aus Prinzip. „Ich bräuchte diesen Kampf nicht“, sagt sie, „und würde viel lieber die Zeit, die ich für ihn aufwende, mit meinen Kindern verbringen.“ Doch gerade für sie hat sie den Kampf gegen die Antennen aufgenommen. „Was dir außerdem Mut macht, ist, dass es in ganz Spanien Menschen gibt, die das Gleiche tun. Und immerhin, vor ein paar Jahren wurde noch nicht einmal über das Thema elektromagnetische Belastung gesprochen – jetzt ist es bereits in vieler Munde.“