Kopfschmerzen und Schwindel, Sehstörungen und Schlaflosigkeit waren meine Begleiter», erinnert sich Isabelle Gracy, Abteilungsleiterin in einer Pariser Bibliothek. Die Beschwerden begannen, nachdem ein Drahtlos-Netzwerk (WLAN) für den Internet-Zugang installiert worden war, sagt Isabelle Gracy dem K-Tipp.
Ein Funk-Sender und -Empfänger (Access Point) befand sich nur drei Meter von ihrem Bürotisch entfernt, in der Nähe standen verschiedene Computer. Mit Gracy klagten 40 von 100 Beschäftigten in vier öffentlichen Bibliotheken nach der Einrichtung von WLAN über ähnliche Symptome. Brigitte Malgrange zum Beispiel wurde so schwer krank, dass sie mehrere Monate ausfiel.
Ist der Grenzwert streng genug?
Erst auf Druck der Gewerkschaft Supap schalteten die Behörden die Netze wieder ab. Prompt verschwanden bei allen Betroffenen die Beschwerden. «Ich fühle mich wieder völlig gesund», sagt Gracy. Inzwischen arbeitet die Gesundheitsbehörde Afsset an einer Studie über WLAN. Bis die Ergebnisse vorliegen, gilt in öffentlichen Gebäuden von Frankreichs Hauptstadt ein WLAN-Stopp.
Die Kontroverse wurde in der Schweiz kaum wahrgenommen. Und so breitet sich die Technologie hier weiter aus, obwohl viele Menschen grosse Bedenken anmelden. Besonders beliebt sind die Drahtlos-Netzwerke an Schulen.
Lesen Sie dazu auch den Artikel 'Lernen unter Strahlen' unter nebenstehendem Link.
Die Verantwortlichen sehen meist kein Problem, denn die elektromagnetische Strahlung von WLAN liegt im Schnitt unter dem Grenzwert von 6 Volt pro Meter (V/m). Ob er streng genug ist, ist aber umstritten. Die Organisation Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz fordert einen Grenzwert von 0,6 V/m.
Uwe Dinger von der Umweltorganisation zum Schutz vor Funkstrahlung (Diagnose Funk) warnt vor WLAN an Schulen: «Kinder und Jugendliche könnten auf die hochfrequente elektromagnetische Funkstrahlung besonders empfindlich reagieren.»
Dinger beruft sich auf Studien, die auf einen kumulativen Effekt schliessen lassen. Das heisst: Auch meine schwache Strahlung summiert sich langfristig zu einer hohen Strahlendosis.
Beunruhigend ist für Dinger weiter, dass bei WLAN die Pulsung von 10 Hertz im Frequenzbereich der Gehirnwellen liegt. Dies und die hohe Strahlendosis könnten die Gesundheit beeinträchtigen. Die Politiker des bayer. Landtages haben nun den Schulen nahegelegt, auf drahtlose Netzwerke zu verzichten.
Noch keine klare Stellung bezieht der Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH). Präsident Beat W. Zemp erklärt nur: «Solange nicht nachgewiesen ist, dass WLAN gesundheitlich unbedenklich ist, mahnen wir zur Vorsicht.»
WLAN in Schulen: Eltern entscheiden mit
Der Entscheid für oder gegen WLAN liegt letztlich bei den Schulbehörden. Zu den Befürwortern gehören Basel und Luzern, die sämtliche Primarschulhäuser mit WLAN ausgerüstet haben. «Die Lehrer sind aber angewiesen, Laptops wöchentlich maximal vier Stunden einzusetzen und bei Nichtgebrauch die WLAN-Sender auszuschalten», sagt Klaus Schürmann, Verantwortlicher für die Schulentwicklung in Luzern.
● Bern setzt weiterhin auf Verkabelung. «Beim Entscheid gegen WLAN spielte der Widerstand vieler Eltern eine entscheidende Rolle», verrät Irene Hänsenberger, Leiterin des Schulamtes.
● Ähnlich läufts in Zürich: «In jedem Schulhaus gibt es Eltern und Lehrer, die die drahtlose Technologie nicht akzeptieren», begründet Andi Hess, Leiter der Abteilung Lehren und Lernen der Stadt Zürich, die Zurückhaltung. Zudem sei WLAN wegen der höheren Betriebskosten längerfristig die teurere Lösung.
● Hans-Andrea Thöny, Informatik- Koordinator der städtischen Schulen in St.Gallen, sagt: «Wir wollen die Schüler vor allfälligen Risiken schützen.» Deshalb seien die Unterrichtszimmer verkabelt. Es gibt für WLAN allerdings ein Hintertürchen: Lehrkräfte dürfen kurzfristig für 1 bis 2 Lektionen mit den Schülern über mobile Funksender ins Internet.
Bei Nichtgebrauch WLAN ausschalten
Ein «Spiel mit dem Feuer» nennt Dinger von Diagnose-Funk den WLAN-Boom. «Auf den Schutz der Volksgesundheit wird nicht weiter Rücksicht genommen.»
Selbst Strahlungsexperte Gregor Dürrenberger von der Forschungsstiftung Mobilfunk, die von Telecom- Betreibern und Handy-Herstellern finanziert wird, muss einräumen: «Über die Langzeitwirkung von sehr schwachen Feldern wissen wir wissenschaftlich sehr wenig.» Genau deshalb empfiehlt die Wissenschaftsdirektion des EU-Parlaments bei Langzeitbelastung als Grenzwert 0,19 V/m.
Wenig zur Risikodiskussion rund um WLAN trägt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bei. Es erachtet den bestehenden Grenzwert als streng genug. Nur zur «persönlichen Vorsorge» sollten die WLAN-Netze bei Nichtgebrauch ausgeschaltet werden. Diesen Rat erteilt das BAG aber erst, seit die deutsche Regierung eindringlich empfohlen hat: Kabelverbindungen bevorzugen.
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