Wie schädlich ist Handystrahlung?
Klare Antworten gibt es nicht, aber laut einer Studie des schwedischen Karolinska-Instituts gibt es Hinweise, dass der langjährige Gebrauch von Mobiltelefonen das Risiko eines Gehirntumors deutlich erhöht, besonders das einer Akustikgeschwulst. Die grüne Nationalrätin Yvonne Gilli von den Ärztinnen und Ärzten für Umweltschutz spricht zudem von Mobilfunkstrahlen, die bei Zellen Erbgutveränderungen erzeugen: «Dies ist besorgniserregend. Es ist denkbar, dass so Tumore entstehen.»
Angesichts dieser Unsicherheit dürften Handynutzer annehmen, dass sich die Hersteller bemühen, die Strahlung möglichst gering zu halten. Doch ein Blick auf die in SAR-Werten gemessene Mobilfunkstrahlung der zehn zurzeit beliebtesten Modelle zeigt: Nur zwei Modelle erreichen einen Wert unter 0,6 W/kg (Watt pro Kilogramm Körpergewicht). Dieser Wert entspricht den Vorgaben des deutschen Umweltzeichens Blauer Engel für strahlungsarme Handys. Drei der beliebtesten Handys weisen einen Sar-Wert von über 1 W/kg auf.
SAR-Wert: Keine Spur von einer Reduktion
saldo untersuchte bereits im Jahr 2003 die SAR-Werte der zehn damals beliebtesten Handys. Vor fünf Jahren erreichten drei Modelle die Vorgaben des Blauen Engels. Der Schnitt der Werte betrug damals 0,7 W/kg, heute 0,9 W/kg.
Also keine Spur einer Reduktion. Eine Erhebung des deutschen Bundesamtes für Strahlenschutz bestätigt, dass der Anteil jener Handys, die das Kriterium des Blauen Engels erfüllen, ab 2007 zurückging. Im Klartext: Es gibt immer weniger statt mehr strahlungsarme Handys. Dies gilt auch für die Schweiz: Laut Martin Meier vom Bundesamt für Gesundheit finden sich hier dieselben Modelle in den Läden wie in den Nachbarländern.
Hersteller Samsung erreicht insgesamt die besten Werte
Auch Peter Niessen vom EMF-Fachinstitut für Elektromagnetische Verträglichkeit zur Umwelt in Köln stellt fest, dass die Sar-Werte für Hersteller kein grosses Thema sind. «Sie ignorieren das Label Blauer Engel. Nur ein Hersteller beantragte das Umweltzeichen bisher.»
Für den Anstieg der SAR-Werte verantwortlich ist die Tendenz zu kleineren, leichteren Handys: «Ein Mobiltelefon mit geringem SAR-Wert und guter Funkverbindung braucht eine sinnvoll platzierte Antenne.» Zudem müssten die Sendeendstufe sowie die dem Kopf zugewandte Geräteseite metallisch abgeschirmt werden. Dies erhöht das Gewicht, kostet Geld und reduziert teilweise die Qualität der Funkverbindung.
Entsprechend argumentieren die Hersteller: «Bei einem kleinen, schmalen Handy ist es schwieriger, den SAR-Wert tief zu halten», erklärt Kwang Min Joo, Ingenieur bei Samsung.
Dabei ist Samsung ein Hersteller, der sich um vernünftige SAR-Werte zu bemühen scheint: «Der SAR-Wert ist bei uns einesder wichtigsten Kriterien bei der Entwicklung neuer Mobiltelefone», sagt Kwang Min Joo. Sechs der zehn strahlungsärmsten Handys auf der Site www.handywerte.de stammen von Samsung. Und mit den Qbowl-Modellen erreicht Samsung gar Werte unter 0,1 W/kg. Technisch wären also tiefere SAR-Werte möglich. «Mit heute üblichen Handys halten wir 0,2 W/kg für machbar, aber die Hersteller müssen einen gewissen technischen Aufwand betreiben», sagt Niessen.
Laut Medizinern ist der Grenzwert viel zu hoch angesetzt
Diesen Aufwand scheuen einige Produzenten. «Wir entwickeln und produzieren nur Mobiltelefone, die den internationalen Standards entsprechen und den Benutzer somit keiner Gefahr aussetzen», sagt Marketingchef Rolf Weiss von Sony Ericsson. Nokia nimmt keine Stellung zu den steigenden SAR-Werten: Die Werte aller Modelle würden unter dem gesetzlichen Höchstwert von 2,0 W/kg liegen, heisst es lediglich.
Mediziner halten vom gesetzlichen Höchstwert wenig: «Die empfohlenen Grenzwerte bieten keinen ausreichenden Schutz. Man sollte sich von Beschwichtigungen der Industrie nicht irritieren lassen», betont Erik Huber von der Wiener Ärztekammer.
Ein Medikament mit einer ähnlich unsicheren Datenlage wie die Mobilfunkstrahlung würde «nie im Leben zugelassen». Yvonne Gilli ergänzt: «Es läuft immer ähnlich ab. Die Industrie produziert ein gesundheitsgefährdendes Produkt und behauptet lange Zeit und wider besseres Wissen, dass die beobachteten Krankheiten keinen Zusammenhang haben.» Als Beispiele führt Gilli Asbest und Nikotin an. Leider gelinge es in der Regel erst, «die Menschen genügend zu informieren und zu schützen, wenn der volkswirtschaftliche Schaden grösser sei als der Nutzen».