Der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erklärte im Jahr 2007 eine Beschwerde eines deutschen Staatsbürgers wegen Verletzung seines Rechts auf Achtung des Privatlebens bzw. der Wohnung durch die von einer Mobilfunkanlage ausgehende Strahlung unter anderem mit dem Hinweis für unzulässig. Die deutsche Regierung habe unter anderem mit dem Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramm ausreichende Schritte zum Schutz der Bevölkerung gegen Mobilfunkstrahlung unternommen und der Beschwerdeführer habe keinen Beweis für deren Schädlichkeit erbringen können. Anhand von zahlreichen Beispielen belegt der Autor, dass von einer unabhängigen Forschung keine Rede sein kann.
So werden etwa (für einen Beitrag in einer juristische Fachzeitschrift durchaus nicht üblich) erstmals die Rolle der Weltgesundheitsorganisation und der ICNIRP, die vom Staat und der Mobilfunkindustrie gerne als Garant für die Zuverlässigkeit der einschlägigen Grenzwerte herangezogen werden, kritisch hinterfragt und die Verflechtungen zwischen Politikern und Vertretern von Industrie und der Wissenschaft anschaulich dargestellt. Ferner wird – wiederum als Novum – in einem Exkurs zur überhöhten Anforderung der Gerichte an die Beweisführung bei Umweltgiften wie dem Elektrosmog (sie fordern einen kausalen Nachweis, der aber kaum zu erbringen ist) die Einführung des „Anscheinsbeweis“ verlangt, der von einem typischen Geschehensablauf ausgeht und sich auf „Erfahrungssätze“ stützt.
Diese – leider von den Gerichten noch nicht erwogene – Beweisform stellt auf rechtlichem Gebiet die ideale Ergänzung zu epidemiologischer Forschungsarbeit dar, liegt doch beiden Gebieten die Beobachtung von Vorgängen zugrunde – und das Ziehen von Schlussfolgerungen daraus. Der Beitrag schließt mit Forderungen nach einem sofortigen Aktionsplan gegen den gefährlich überhand nehmenden Elektrosmog, einer Wende in der Kommunikationstechnik (wie sie unter anderem der BUND fordert) und der Schaffung von Grenzwerten, die sich am „ALARA-Prinzip“ und den schwächsten Gliedern der Gesellschaft (Kinder, kranke und ältere Menschen, elektrosensible Personen) orientieren.
AUSZUG AUS DEM BEITRAG
Ausblick
Auf der Strecke bleiben dabei die Kinder und Jugendlichen – die begehrteste Zielgruppe der Mobilfunkindustrie. [75] Zuletzt ließ der besorgte Appell der russischen Strahlenschutzkommission „Kinder und Mobilfunktelefone: Die Gesundheit der nachfolgenden Generationen ist in Gefahr“ aufhorchen, wonach der kindliche Organismus besonders empfindlich auf elektromagnetische Energie reagiere und Kinder in naher Zukunft wahrscheinlich mit Befindlichkeitsstörungen und im Erwachsenenalter möglicherweise sogar mit Krebserkrankungen, Alzheimer und fortschreitender Demenz zu rechnen hätten. [76] Sollte sich der derzeitige Trend der Einführung neuer Funktechniken ohne Überprüfung auf ihre Umweltverträglichkeit fortsetzen, könnte es zu ähnlichen Gesundheitskatastrophen kommen, wie sie in „Späte Lehren aus frühen Warnungen“ beschrieben sind. [77] Auch der finanzielle Schaden der Krankenkassen wäre vermutlich enorm. [78] Zu fordern ist daher die sofortige Erstellung eines Aktionsplans gegen Elektrosmog und eine Wende in der Kommunikationstechnik, wie sie unter anderem der BUND im Oktober 2008 gefordert hat, [79] sowie die Schaffung von Grenzwerten, die sich an den schwächsten Gliedern der Gesellschaft [80] und dem „ALARA-Prinzip“ (as low as reasonably achievable) orientieren. [81]