Signifikant erhöhtes Risiko für Leukämie

Studie zu Radiosender in Südkorea
Süd Korea verfügt traditionell über einige starke Radiosender, um auch das Gebiet von Nord-Korea abzudecken.

Einleitung

Das Team um Mina Ha an der Dankook Universität in Süd-Korea untersuchte, ob es eine Korrelation zwischen der Strahlung von Radiosendern mit amplitudenmodulierten Signalen (AM) und der Häufigkeit von Leukämien (Blutkrebs) und Gehirntumoren bei Kindern gibt. Nach der Studie von Helen Dolk (Dolk et al. 1997b) um diverse britische Radiosender ist dies die zweitgrösste bisher durchgeführte Krebs-Untersuchung um solche Antennen.

Studiendesign:

Es wurden Gehirntumore (956 Fälle) und Leukämien (1928 Fälle) bei Kindern unter 15 Jahren im Umkreis von diversen amplitudenmodulierten (AM) Radiosendern untersucht. Die Fälle wurden den Daten der Krankenversicherungen entnommen und mit solchen Kindern verglichen, die mit Atemwegserkrankungen registriert waren (3082 Kontrollen, mehrheitlich Asthma). Über das nationale Krebsregister wurden die Daten beider Gruppen überprüft.

Das Risiko (Verhältnis der Fallzahlen) wurde jeweils über 2 Parameter aufgetragen: Über den Abstand zum nächstgelegenen Sender und über den aus allen AM-Radiosendern berechneten Summenpegel der radiofrequenten Strahlung.

Die Inzidenzvergleiche wurden mit allen üblichen Störfaktoren („Confounder“) ausgeglichen: Sozialer Status, Kommune, Wohngegend (ländlich/städtisch, usw.), Populationsdichte (als Mass für die sonstige Umweltverschmutzung), usw.

Expositionsparameter

29 der 31 untersuchten AM-Radiotürme wurden zwischen 1925 und 1980 installiert. 2 weitere Türme wurden zwischen 1991 und 1995 in Betrieb genommen. Die Sender hatten folgende Leistungen:6 Sender mit 20 kW Leistung

9 Sender mit 50 kW Leistung

8 Sender mit 100 kW Leistung

3 Sender mit 250 kW Leistung

4 Sender mit 1000 kW Leistung

1 Sender mit 1500 kW LeistungDazu wurden 49 (offenbar kleinere) Radio-Antennen einbezogen, über deren Sendedauer hier jedoch nichts berichtet wurde. Die Frequenzen der Sender lagen zwischen 540 kHz und 90.5 MHz.

Die Exposition wurde mit Hilfe einer Computersimulation bestimmt, welche mit Messungen vor Ort kalibriert wurde. Da die Ergebnisse (Risikoraten) nicht signifikant auf die Berücksichtigung der geologischen Verhältnisse reagierten, berechnete man die Feldstärken nach Abschluss der Kalibrierungen letztendlich mit dem Modell einer flachen Landschaft. Die Abstrahlcharakteristik und Installationshöhe der Antennen wurde dennoch berücksichtigt.

Gegenüber Louis Slesin (www.microwavenews.com) schätzte die Autorin die maximalen Feldstärken im 2 km Abstand auf rund 1 bis 3 Volt pro Meter (ca. 0.26 bis 2.4 mW/cm2).

Resultate:

Gegenüber Kindern, welche 20 km von einem Radiosender entfernt wohnten, ergab sich für Kinder im Umkreis von 2 km ein signifikant erhöhtes, 2,15faches Risiko, an Leukämie zu erkranken. (95% CI: 1.00-4.67, siehe Tabelle). Eine Dosis-Reaktions-Beziehung zwischen der mittleren Exposition und lymphatischer Leukämie war grenzwertig nicht signifikant (p trend = 0.06).

Es fand sich kein erhöhtes Risiko für myeloische Leukämie alleine oder Gehirntumore. (Bei Gehirntumoren fand man zwar auch einen Anstieg zum Sender hin, dieser war jedoch statistisch nicht signifikant.)

Auch für alle untersuchten Krebsarten bei Kindern unter einem Jahr Alter fand sich kein erhöhtes Risiko. Dies hätte Aufschluss über einen Einfluss der Strahlung auf die Schwangerschaft schliessen lassen. Die Autoren bemerken jedoch, dass die geringe Fallzahl hier evtl. kein signifikantes Ergebnis erbrachte.

Schlussfolgerung:

Gemäss den Autoren, suggerieren die Ergebnisse einen möglichen krebserregenden Einfluss der amplitudenmodulierten elektromagnetischen Strahlung, speziell in Bezug auf lymphatische Leukämie.


Kommentar der Diagnose-Funk

Betrachtet man alle verfügbaren Radiosender-Studien, so ergibt sich zwar aufgrund der oft sehr mangelhaften Expositionsabschätzung und der meist geringen Fallzahlen unter den einzelnen Krebsarten kein einheitliches Bild, im Durchschnitt zeigt sich jedoch ein allgemeiner Trend zu erhöhten Risiken, insbesondere bei Leukämien.

Das Risiko (Odds ratio = Inzidenzverhältnis) wird dabei durch folgende Faktoren unterschätzt:

● Wegzug/Umzug der Fälle über diverse Regionen hinweg. (Die Fälle wurden auf den Wohnort zum Zeitpunkt der Diagnose bezogen, Krebs hat jedoch je nach Belastungsgrad und Krebsart lange Latenzzeiten.)

● Ungenaue Expositionserfassung durch variierende, lokale Feldstärken. (Das hier verwendete Berechnungsprogramm konnte nicht auf die lokalen Strahlungsschatten von Hügeln und Häusern eingehen.) Dr. Mina Ha erklärte, dass die Sender zum Teil in hügeligem und zum Teil auf flachem Gelände standen. Die bis dato einzige Auswertung, bei der (allerdings nachträglich) eine Expositionsmessung gemacht wurde, zeigte eine hochsignifikante Dosis-Reaktions-Beziehung zwischen Krebsraten und der Exposition durch die TV-Sender „Sutro Tower“ bei San Francisco (Cherry, 2000).

Abschliessender Eindruck:

Wie am Ende jeder Studie, heisst es auch hier, dass man weitere Untersuchungen durchführen müsste, um abschliessende Beurteilungen vorzunehmen – eine übliche Formulierung um für weitere Folgeaufträge zu werben. Das Bundesamt „für Gesundheit“ befriedigt die Mobilfunk-Betreiber derweil mit der Aussage „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Einfluss von hochfrequenter Strahlung auf die Gesundheit sind nach wie vor lückenhaft. Es gibt jedoch keinen wissenschaftlichen Grund, die heute geltenden Grenzwerte zu ändern.“ [1]

Weil Ämter heutzutage Geld sparen müssen, sind Folgeaufträge jedoch nicht mehr einfach zu bekommen. Und da es unter einer jahrelangen chronischen Exposition wesentlich schwieriger ist, Entwarnungsmeldungen zu konstruieren, als bei kurzzeitiger Exposition (Stichwort LfU Augsburg, mehr hierzu später), konzentrieren sich industrienahe Forscher lieber auf Studien mit möglichst kurzen Expositionen und wenig spektakulären Symptomen. Somit wird die Beweislage immer stärker verdünnt.


Voller Studientitel:

Ha, M., Im, H., Lee, M., Kim, H.J., Kim, B.-C., Gimm, Y.-M., Pack, J. K.;Radio-Frequency Radiation Exposure from AM Radio Transmitters and Childhood Leukemia and Brain Cancer”; American Journal of Epidemiology 2007 166(3):270-279; doi:10.1093/aje/kwm083.

Korrespondenz an Dr. Mina Ha, Department of Preventive Medicine, Dankook University College of Medicine, San 29, Anseo-dong, Cheonan, Chungnam, South Korea 330-714 (e-mail: minaha@dku.edu).
 

Referenz

[1] http://www.bafu.admin.ch


Anhang

Das Team um Mina Ha an der Dankook Universität in Süd-Korea publizierte bereits in den Jahren 2003 (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?Db=pubmed&Cmd=ShowDetailView&TermToSearch=15859510) und 2004 (http://www.springerlink.com/content/4d82363wca67atqk) Studien um diverse amplitudenmodulierte Radiosender:


Vorgängerstudie 2003:

Verglichen mit dem 2 km Umkreis um 31 schwache Sender (50kW), fand man in 2 km Umkreis um 11 starke Sender (>100 kW für alle untersuchten Krebsarten zusammengenommen leicht, aber statistisch signifikant, höhere Fallzahlen (Risiko OR=1.2, 95% CI=1.1–1.4, d.h. signifikant weil das „Confidence Intervall“ über 1 beginnt). Bei allen untersuchten einzelnen Krebsarten waren die standardisierten Fallzahlen jeweils erhöht, jedoch aufgrund der kleinen Absolutzahl statistisch nicht signifikant: Leukämie 1.5fach, maligne Lymphome 1.4fach, Gehirntumore 1.8fach, Brustkrebs 1.2fach. In einem zweiten Vergleich wurden die Krebsraten 2 km um die einzelnen starken Sender mit den Raten in deren benachbarten Zonen (mit über 2 km Anstand) verglichen. In diesem Vergleich zeigte sich kein einheitliches Bild: Um 2 von 11 starken Sendern waren die Risiken unter 1. Hier muss jedoch beachtet werden, dass aufgrund des Terrains (Hügel, Täler) eine 2km Zone um den Sender ähnlich exponiert sein kann, wie ein 3km entfernter Hügel. Der 2 km Umkreis ist evtl. etwas zu knapp gewählt worden.

Ha et al. 2003

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/entrez?Db=pubmed&Cmd=ShowDetailView&TermToSearch=15859510


Vorgängerstudie 2004:

Es wurde die standardisierte Krebs-Mortalitätsrate im 2 km Umkreis um 10 starke AM-Radiosender (>100 kW) mit jener in über 2 km Entfernung verglichen. Für alle Krebsarten zusammengefasst, war die Mortalitätsrate im 2 km Umkreis um die Sender mit +29% signifikant erhöht (Mortalitätsraten-Verhältnis MRR =1.29, 95% CI: 1.12 – 1.49). Einzeln betrachtet, waren die Mortalitätsraten für alle 15 Krebsarten, ausser bei Leberkrebs, leicht erhöht, jedoch (meist aufgrund der kleinen Fallzahlen) statistisch nicht signifikant. Wie zu erwarten, war die Mortalitätsrate für Leukämie bei Kindern und Jugendlichen statistisch signifikant erhöht: 2.29fach bei 0 – 14jährigen und 2.44fach bei 15 – 29jährigen (95% CI: 1.05 – 5.98 und 1.07 – 5.24). Es konnte dagegen keine Zunahme der Mortalitätsraten mit der Leistung der Sender gefunden werden.

Park et al. 2004

http://www.springerlink.com/content/4d82363wca67atqk

 

 

 

Artikel veröffentlicht:
31.07.2007
Autor:
diagnose:funk
Quelle:
Original-Studie, Bestellung der Vollversion, Oxford Journal, 2.2.2007

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