Hochspannungs-Leitungen sind gefährlich

Öffentliche Anhörung in Neuseeland
Leben in der Nähe von Hochspannungsleitungen erhöht das Risiko von Kinderleukämie, Fehlgeburten und anderen Gesundheitsschäden, teilte ein medizinischer Experte einem Untersuchungsausschuss mit.

Das Ministerium für Gesundheit und die Stromwirtschaft ist mit den existierenden Grenzwerten trotz allem zufrieden und drängt auf „keine Änderung“ der Regierungspolitik.

Der Urologe Dr. Robert Smart aus Auckland legte dokumentierte Beweise aus der ganzen Welt über die gesundsheitsschädigenden Auswirkungen einer Exposition durch elektrische und magnetische Felder (EMFs) von Hochspannungsleitungen an einem öffentlichen Hearing in Hamilton, Neuseeland, vor. Aufgrund von 83 epidemiologischen Studien verlangte er eine Herabsetzung der bestehenden Grenzwerte um den Faktor 300.

Eine solche Änderung hätte weit reichende Folgen. Die grösste davon könnte sein, dass man das umstrittene 400 kV-Mastenprojekt der Firma TRANSPOWER stoppen müsste, mit der Begründung dass das Projekt unwirtschaftlich würde. Gegner sagen, die gegenwärtige 65 Meter breite Schutzzone, wie sie von TRANSPOWER vorgesehen ist, ist zu gering, um die Sicherheit für die öffentliche Gesundheit zu gewährleisten. Sie glauben, der Korridor von 190 Kilometern über das Farmland von Waikato sollte stattdessen auf 600 Meter ausgeweitet werden.

Dr. Smart, der im Namen der Anti-Masten-Gruppe New Era Energy spricht, sagte, der neuseeländische Grenzwert, der die elektrische und magnetische Feldexposition bis 100 Mikrotesla festsetzt, sei „ein Scherz“. Er schlägt vor, die Exposition auf 0,3 Mikrotesla zu begrenzen..

Das Ministerium für Gesundheit und die TRANSPOWER, zusammen mit der Regierung, wendeten Grenzwerte an, die so hoch sind, dass es im Endeffekt gar keine Limite für die Exposition der Bevölkerung durch Hochspannungsleitungen gibt, sagte Dr. Smart. Die Regierung und TRANSPOWER verlassen sich auf veraltete Grenzwerte, welche 1997 durch die ICNIRP festgelegt wurden. Dieser Grenzwert wurde recht fahrlässig von Entscheidungsträgern der Regierung angenommen, sagte er. Ursprünglich wurde er als Richtlinie für Schulen und Wohnstätten für „kurzzeitige und sofortige Wirkungen auf die Gesundheit wie Reizung von Nerven und Muskeln, Schocks und Verbrennungen während der Exposition durch elektrische und magnetische Felder entworfen.“ Aber die Kommission „schützte sich selbst“ indem sie eine Notiz anfügte: „Diese Richtlinien erheben keinen Anspruch auf ein vollständiges Schutzsystem für die Öffentlichkeit.“

In seiner gestern präsentierten Vorlage sagte Dr. Smart, die Empfehlungen der Kommissionen seien „klar fahrlässig“. „Es ist in der Tat unvorstellbar, dass irgendjemand dauernd an einem ständig mit 100 Mikrotesla belasteten Ort leben kann. (…) Das ist nie geschehen und ein solcher Grenzwert ist daher völlig ungeprüft.“ Dr.Smart zitierte internationale Studien über die Auswirkungen von Hochspannungsleitungen, welche eine Zunahme von Kinderleukämie, Fehlgeburten, amyotrophe Lateralsklerose, Kopfschmerzen, Suizide und Depressionen zeigten.

Eine neuseeländische Studie aus dem Jahr 1997 von Ivan Beale von der Auckland University wurde ebenfalls genannt. Dabei wurden 540 Auckländer, die in der Nähe von Hochspannungsleitungen lebten, untersucht und mit einer Kontrollgruppe verglichen. Die Expositionen durch magnetische Felder reichten von 0.67 Mikrotesla bis 19 Mikrotesla. Es gab signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen in zwei von zehn Parametern, bezüglich Merkfähigkeit, Selbstbewusstsein und Depression. Insbesondere Frauen wiesen einen fünfmal so hohen Grad von mangelndem Selbstbewusstsein und von Depressionen auf, wohl deswegen, weil sie, im Vergleich zu den Männern, mehr Zeit in ihren Wohnungen verbringen.

Eine andere Ärztin von Auckland, Laura Bennet, brachte gestern auch ihre Eingabe vor. Eine Physiologin für fötale und neonatale Medizin mit einem Doktortitel in pädiatrischer Medizin, kam gestern als Einwohnerin von Clevedon, wo die Masten für die 400kV-Hochspannungsleitung geplant sind, an das Meeting. Sie sagte, die Weltgesundheitsorganisation stimme der Herausgabe eines „vorsorglichen Ansatzes für EMFs“ zu. Die WHO lege den grössten Schwerpunkt auf Richtlinien, um die empfindlichen Teile der Bevölkerung, wie schwangere Frauen, ungeborene Babys und Kinder zu schützen. „Das Vorsorgeprinzip besagt, dass diese Hochspannungsleitungen so geplant werden sollen, dass den gegenwärtigen und zukünftigen Gesundheitsrisiken Rechnung getragen wird, eingeschlossen jenen, die von der Wissenschaft noch erforscht werden, zu welchen Kosten auch immer um diese Risiken zu vermindern.“ Auf der anderen Seite besagt der Ansatz der „umsichtigen Vermeidung“, wie er von TRANSPOWER verfolgt wird, dass Massnahmen zur Reduktion einer Beeinflussung, welche wenig oder nichts kosten getroffen werden sollten um die Wirkungen abzuschwächen. Aber es gab weder eine Verpflichtung noch einen rechtlichen Zwang. „Das ist es, warum wir zusehen müssen, wie weiter Häuser unter oder nahe bei Hochspannungsleitungen gebaut werden,“ sagte Dr. Bennet.

Das Nationale Radiation Laboratory (Nationales Strahlungslabor), Teil des Gesundheitsministeriums, unterstützte in seiner Stellungnahme zu diesem Thema die Einschätzung des Umweltministeriums. Die Stellungnahme erwähnt, dass die Öffentlichkeit bei elektrischen und magnetischen Themen oft gesundheitliche Bedenken anbringt, wenn elektrische Energieübertragungsnetze neu geplant oder verstärkt werden sollen.

Die internationalen Richtlinien seien „gut etabliert und weithin anerkannt“, und würden eine Grundlage für das Vertrauen in der Öffentlichkeit liefern. Sie würden auch gewährleisten, dass eine Entscheidungsfindung konsistent sei und auf anerkanntem Wissen beruhe. TRANSPOWER sagte, jeder neue Ansatz sollte nicht willkürlich tiefer gehen als die ICNIRP-Richtlinie und sollte nur als Richtlinie gelten und nicht als „zwingender Grenzwert“ betrachtet werden. Hunderte von Haushalten Süd-Aucklands sind den elektrischen Hochspannungsleitungen ausgesetzt, mit etlichen Häusern direkt neben ihnen.

Während die Hauptintention des Untersuchungsausschusses die Beseitigung von Bewilligungsauflagen für Transpower bei geringeren Aktivitäten auf ihrem Netz ist, richtet sich eine weitere Intention auf die Überarbeitung der Richtlinien um aktzeptable Grenzwerte für elektrische und magnetische Felder zu sichern. Anfang des Monats sagte der Energie-Minister David Parker, ein „mögliches“ Ergebnis wäre die Festsetzung eines Genzwertes für die Exposition der Umwelt.

Kommentar von Diagnose-Funk

Die Auswertung der wisenschaftlichen Daten zeigt ein erhöhtes Leukämierisiko bereits ab 0.2 MikroTesla. Dieser Wert wird im näheren Umfeld von Hochspannungsleitung (je nach deren Spannung) zum Teil weit überschritten, unsere Behörden scheuen sich jedoch, den Stromkonzernen die hohen Kosten für unterirdische, gasisolierte Leitungen aufzuzwingen. Mit (langfristigen) gesundheitlichen Aspekten haben Grenzwerte in dieser Arena jedenfalls wenig zu tun. Der Bürger muss offensichtlich selber zusehen, dass er genügend Abstand zu solchen Leitungen hält – insofern er über die Gefahr überhaupt erfährt. Aufgrund der Ionisierung der Luft ist sogar ein noch grösserer Abstand zu empfehlen, als man aufgrund der elektromagnetischen Felder vermuten würde.

Artikel veröffentlicht:
21.08.2007
Autor:
Simon O‘ Rourke, dt. Übersetzung Diagnose-Funk
Quelle:
„Pylons major health hazard inquiry told“, The New Zealand Herald, Health Story

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