Wir informieren: Psychologe: „Soziale Medien“ machen Menschen gezielt von ihnen abhängig
Am 30. Januar 2025 referierte Prof. Dr. Christian Montag zum Thema „Wie sozial sind soziale Medien?“ vor einem sehr interessierten Publikum in der Aula der Auwiesenschule. In der angeregten Diskussion wurde deutlich, dass sich das Kollegium der Auwiesenschule seiner pädagogischen Verantwortung im Umgang mit Smartphones und Social-Media bewusst ist und entsprechend didaktisch und methodisch handelt.
Bert Hauser, Journalist und 2. Vorsitzender unserer Ortsgruppe InfoMobilfunk Neckartenzlingen und Umgebung, hat den folgenden Bericht über den Vortrag von Prof. Dr. Christian Montag verfasst:
Neckartenzlingen – „Alles in den Sozialen Medien läuft darauf hinaus, die Menschen von diesen Plattformen abhängig zu machen.“ Davon ist der Ulmer Psychologe Professor Christian Montag überzeugt. Um mehr Werbung zu verkaufen, unternehme die digitale Industrie alles, um die Verweildauer der Menschen auf ihren Plattformen zu verlängern. Solange die Industrie dieses Konzept verfolge, werde es „keine gesunden Plattformen geben“, sagte der Wissenschaftler bei einem Vortrag am vergangenen Donnerstag in Neckartenzlingen. Er beschäftigt sich seit Jahren mit den Geschäftsmodellen der Sozialen Netzwerke, hat darüber auch Bücher geschrieben und vertritt die Meinung, dass wir Alternativen zu den Sozialen Medien der Tech-Riesen brauchen.
Durch die Verlängerung der Online-Zeiten auf den „Sozialen Medien“ seien die Großunternehmer der digitalen Technik in den vergangenen Jahren „brutal reich geworden“. Mit Hilfe von Algorithmen ließen sie „digitale Fußabdrücke“ von allen Nutzern herstellen, um sie mit passender Werbung und passenden Informationen gezielt anzusprechen. Daraus sei ein „Überwachungs-Kapitalismus“ entstanden, der zunehmend Falschmeldungen einsetze, weil die sich schneller verbreiten als korrekte Informationen und die Wahrheit. Heute seien schon etwa fünf Milliarden Menschen auf einer der problematischen Social-Media-Plattformen unterwegs.
Eine Folge davon sei, dass auch in den Mainstream-Nachrichten (Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen) immer mehr negative und emotionale Meldungen verbreitet würden, um auch dort mehr Geld zu erwirtschaften, sagte Montag weiter. Schlagzeilen mit positiven Untertönen würden immer seltener. Falsche Bilder und falsche Videos machten das Problem in allen Medien immer noch größer.
Hinter der Entwicklung steht nach Erkenntnis des Psychologen das natürliche Bedürfnis der Menschen nach Unterhaltung, nach sozialem Austausch, nach Belohnung und bei vielen auch der Wille, Macht über andere auszuüben. In jeder freien Minute nähmen viele schon ihr Smartphone in die Hand und bemerkten gar nicht mehr, wie ihnen auf diese Weise eine andere, sinnvollere Lebenszeit entgleitet. Man habe es hier vielfach mit einem erheblichen „Realitätsverlust“ zu tun. Es komme vielfach zu einer „suchtähnlichen Nutzung“.
Dringend notwendig sei es, „gesündere“ soziale Medien zu schaffen, Kinder besser zu schützen und alternative, eventuell öffentlich-rechtliche Plattformen zu schaffen, auf denen die Rechte der Menschen besser geschützt werden. An den Schulen sollte es ein flächendeckendes Smartphone-Verbot bis zum 13. Lebensalter geben. Herkömmliche Lernmethoden führten zu deutlich besseren Schulleistungen, als der allzu frühe intensive Umgang mit digitalen Medien. Für eine gesunde Entwicklung kindlicher Gehirne und für die Erwerbung sozialer Kompetenzen sei ein Schwerpunkt auf körperlich betonte Spiele unverzichtbar.
Montag wies darauf hin, dass die amerikanische Industrie ihre Verantwortung für die Inhalte in den Sozialen Medien auch deshalb ablehne, weil die US-Administration Mitte der 90er Jahre für die damals noch jungen sozialen Medien festgelegt habe, dass sie nicht verantwortlich seien für das, was sie veröffentlichen. Dies sei bei den heute üblichen Manipulationen auf den Plattformen nicht mehr zu vertreten. Die Inhaber der Plattformen seien ganz eindeutig verantwortlich für das, was sie veröffentlichen. Die von der EU eingeführten Regulierungen seien richtig und sollten durch eine unabhängige Akademie noch unterstützt werden.
Prof. a.D. Helmuth Kern, Vorsitzender von „InfoMobilFunk Neckartenzlingen und Umgebung“, der Prof. Montag eingeladen hatte, meinte im Anschluss an den Vortrag, dass nicht nur die große Politik, sondern jeder Einzelne und auch die Politiker auf kommunaler Ebene, auch die Vertreter der Kirchen für die richtige Nutzung der Sozialen Medien mitverantwortlich seien. (Ende des Berichts)
Welche Rolle im Zusammenhang mit den Sozialen Medien das „Dumbphone“ spielen kann, darüber informieren wir in unserer nächsten Ausgabe.