Stuttgart, 25.11.2024: Die Umwelt- und Verbraucherorganisation diagnose:funk fordert Bundesdigitalminister Volker Wissing und das zuständige Referat DK 14 (Mobilfunkförderung) im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) auf, die Informationen über die angebliche Ungefährlichkeit von Mobilfunkmasten für Störche zu korrigieren: Auf der Webseite „Deutschland spricht über 5G“, betrieben vom BMDV, wird durch ein Foto und eine Überschrift suggeriert, Störche könnten gefahrlos auf Mobilfunksendemasten leben und sich vermehren.
Eine wissenschaftliche Wiederholungsstudie zeigt jedoch, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Für die Studie wurden in zwei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils 140 Storchennester in drei Bezirken in Algerien zwei Mal pro Woche mit dem Fernglas beobachtet – von der Ankunft der Störche bis zum Ausfliegen der Jungen.
Fazit: Je näher an einem Mobilfunkmast die Störche ihr Nest bauen, umso geringer ist der Bruterfolg. Direkt auf den Mobilfunkmasten hatten über 50% (2020) bzw. über 40% (2021) der Storchenpaare gar keinen Bruterfolg. In den Nestern bis 200 m bzw. ab 300 m Entfernung vom Mobilfunkmast gelang der Nachwuchs – und zwar umso erfolgreicher, je weiter entfernt von der Sendeanlage (siehe Grafik). Eine Regressionsanalyse in der Studie zeigt sehr klar diesen Zusammenhang zwischen Abstand und Bruterfolg für alle beobachteten Nester.
Studie im Volltext: https://doi.org/10.15421/012358
Besprechung der Studie: https://www.emfdata.org/de/studien/detail&id=863
Die peer-reviewte Studie der Badji Mokhtar – Annaba University in Algerien erschien in der Fachzeitschrift „Biosystems Diversity“ unter dem Titel „Is there an effect of electromagnetic waves from base stations on the breeding success of Ciconia ciconia in Algeria?“ Sie trägt damit zur gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis bei.
„Störche werden ja gerne mit Nachwuchs in Verbindung gebracht – doch sobald Mobilfunkstrahlung mit im Spiel ist, stimmt dieses Bild für die Störche selbst leider nicht mehr“, sagt Jörn Gutbier, Vorsitzender von diagnose:funk. „Die Bundesregierung suggeriert jedoch auf ihrer 5G-Werbeseite, dass Mobilfunkstrahlung für Störche und für die Umwelt kein Problem darstelle. Damit wird die Öffentlichkeit falsch informiert – und das muss sich ändern! Wir empfehlen dem Digitalministerium dringend, auf der betreffenden Webseite die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Storchenstudie bekanntzugeben und das Foto und die Überschrift auszuwechseln. Sonst handelt es sich um eine bewusste Falschinformation der Bevölkerung.“
Der enorm hohe ausbleibende Bruterfolg direkt auf dem Mobilfunkmast kann vermutlich auf die Wärmewirkung der Mobilfunkstrahlung direkt oberhalb der Antenne zurückgeführt werden. Allein dies erfordert, dass auf der 5G-Webseite der Bundesregierung das betreffende Foto und die Überschrift ausgetauscht werden, denn es suggeriert, dass selbst in direkter Nähe zur Antenne keinerlei Gefahren von der Strahlung ausgehen.
Der zunehmende Bruterfolg mit zunehmendem Abstand von der Mobilfunkanlage lässt vermuten, dass hier nicht-thermische Effekte eine Rolle spielen. Solche nicht-thermischen Effekte führten in einer Laborstudie zu erheblichen Entwicklungsstörungen, als Hühnereier mit Mobilfunk weit unterhalb der Grenzwerte bestrahlt wurden. Zwar kann eine epidemiologische Studie wie die hier vorgestellte Storchenstudie keine Kausalität und keine medizinischen Hypothesen klären, aber die Korrelation zwischen Bruterfolg und Abstand von der Sendeanlage wurde von den Forschern als hochsignifikant berechnet. Ein Zusammenhang ist daher naheliegend, der von der Bundesregierung dringend weiter erforscht werden muss.
Die Vorgängerstudie, die nun in Algerien wissenschaftlich verfeinert wiederholt wurde, wurde bereits 2005 in Spanien mit 60 Storchennestern durchgeführt. Der Studie zufolge schlüpften in 40% der 30 Nester, die weniger als 200 m von einer Mobilfunkbasisstation entfernt waren, keine Küken, während in einer anderen Kolonie mit 30 Nestern, die mehr als 300 m entfernt waren, nur 3,3% (= 1 Nest) ohne Nachwuchs blieb. Quelle: http://doi.org/10.1080/15368370500205472