Stuttgart, 19.11.2024: Eine neue Studie von Forschern an der renommierten Medizinischen Universität Wien bringt erstaunliche Ergebnisse: Bereits nach wenigen Stunden der Nutzung eines Mobiltelefons am Kopf kommt es zu gestörter Zellteilung und zu akuten Zellschäden in Zellen der Mundschleimhaut. Dies wiederum kann die Ursache sein für Gesundheitsschäden wie z.B. Entzündungsreaktionen oder gar die Umwandlung normaler Zellen in Tumorzellen. Die Schädigung der Mundschleimhaut war in der Studie auf der bestrahlten Wangenseite signifikant höher als auf der gegenüberliegenden, also vom Telefon entfernten Wangenseite.
An der Studie nahmen 21 Männer und 20 Frauen im Alter zwischen 22 und 56 Jahren teil. Sie wurden über ein speziell entwickeltes Headset an 5 Tagen je 2 Stunden lang mit einem schwachen (0,1 W/kg) bzw. starken (1,6 W/kg) UMTS-Signal bestrahlt. 2 Stunden Handygebrauch pro Tag entspricht dem mitteleuropäischen Durchschnitt. Drei Wochen später wurden Zellen von den Mundschleimhäuten gesammelt und mit den Proben vor Beginn der Bestrahlung verglichen.
Studie im Volltext: https://doi.org/10.1016/j.envres.2024.118634
Besprechung der Studie: https://www.emfdata.org/de/studien/detail?id=836
Titel der Studie: Kundi et al. (2024); Mobile phone specific radiation disturbs cytokinesis and causes cell death but not acute chromosomal damage in buccal cells: Results of a controlled human intervention study
„Nur 2 Stunden direkte Mobilfunkbestrahlung an 5 Tagen liefert schon solch klare Ergebnisse!“, stellt Jörn Gutbier, Vorsitzender von diagnose:funk, fest. „Diese Studie bestätigt erneut den Trend, den wir seit Jahren in den unabhängigen Studien sehen: Mobilfunkstrahlung ist gesundheitsschädlich. Dabei ist es egal, ob es sich um Tierstudien oder wie hier um Humanstudien handelt. Je öfter Mobilfunkstrahlung untersucht wird, umso öfter erhalten wir das immer gleiche Ergebnis: Schädlich! Auch die Technikfolgenberichte des EU-Parlaments und des Bundestags haben dieses Ergebnis herausgearbeitet, wenn auch politisch verklausuliert. Damit stehen bereits zwei Forderungen auf der Agenda für die nächste Bundesregierung: Verbraucheraufklärung über die Gefahren der Mobilfunkstrahlung sowie Verbraucherschutz vor den gesundheitsschädlichen Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung.“
Die Ergebnisse der Studie im Einzelnen:
- Signifikanter Anstieg (+57%) von Zellkernauflösung bei der höheren Dosis (1,6 W/kg) und von kondensiertem Chromatin. Beides deutet auf gesteigerten programmierten Zelltod hin, also absterbendes Gewebe. Chromatinkondensation ist außerdem ein starkes Signal für zellulären Stress.
- Anstieg von zweikernigen Zellen um 28 %, die durch Störungen bei der Zellteilung auftreten. Zweikernige Zellen weisen auf gestörte Zellteilung hin.
- Signifikant häufigere Schädigung auf der bestrahlten Seite (Chromatinbrüche, Zellen mit kondensiertem Chromatin, zweikernige Zellen).
Die Studie bringt nach nur 2 Stunden Bestrahlung an 5 Tagen in Folge klare Beweise für eine Störung der Zellteilung in verschiedenen Stadien und für eine akute Schädigung der Zellen. Diese Auswirkungen könnten langfristig (= tägliche Nutzung des Mobiltelefons direkt am Kopf) Ursache für ernste Gesundheitsschäden sein wie z.B. entzündliche Reaktionen oder die Entwicklung von Tumorzellen.
Warum gerade Zellen der Mundschleimhaut?
Um die Krebsentstehung beim Menschen aufzuklären, werden am häufigsten Lymphozyten oder abgelöste Zellen der Mundschleimhaut verwendet, um den Mikrokerntest durchzuführen. Der Nachweis von Mikrokernen, die als Folge von Zellstruktur- und Chromosomenschäden entstehen, gibt Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko beim Menschen. Menschliche Zellen der Mundschleimhaut werden außerdem häufig eingesetzt, weil diese auch bei tatsächlichen Telefonaten direkt der Mobilfunkstrahlung ausgesetzt sind.
Unterschied UMTS, GSM, LTE, 5G?
Die Studie von Kundi et al. wurde mit UMTS durchgeführt, das in Deutschland seit Ende 2021 abgeschaltet ist und in Österreich Ende 2024 abgeschaltet wird. Die Ergebnisse lassen sich jedoch grundsätzlich auch auf GSM/2G, LTE/4G und NR/5G übertragen, da alle Mobilfunksignale ähnliche biologisch wirksame Signalkomponenten enthalten: niederfrequente Modulationen, steile Flanken, Pulsung, Polarisation. Studien zu GSM und zu LTE zeigen regelmäßig ähnliche nicht-thermische gesundheitsschädliche Effekte wie UMTS-Studien.
Relevanz von 1,6 W/kg?
Moderne Smartphones werden zwar oft mit geringeren SAR-Werten beworben, diese geringeren Werte werden jedoch nicht direkt am Gerät, sondern in 0,5 bis 1 cm Abstand gemessen, also in einem unrealistischen Anwendungsszenario. Somit ist die reale Strahlenbelastung höher. Außerdem erlaubt der 5G-Mobilfunkstandard eine Sendeleistung von bis zu 2 W/kg Körpergewicht. Daher ist die Wahl von 1,6 W/kg in der Studie im Rahmen der Strahlungsleistung, die in der Realität auch vorkommt. Hinzu kommt, dass in der Studie die Probanden nur 5 Tage lang jeweils 2 Stunden bestrahlt wurden – Verbraucherinnen und Verbraucher telefonieren jedoch jahrelang täglich durchschnittlich 2 Stunden (Stichwort Langzeitschäden, die in anderen Studien bei viel geringeren Strahlungswerten bereits gezeigt wurden).
Abschließendes Zitat aus der Studie (S. 7, Übersetzung diagnose:funk):
„Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung deuten darauf hin, dass andere molekulare Mechanismen als Chromosomenschäden eine neoplastische Transformation der Zellen [= Umwandlung einer normalen Zelle in eine Tumorzelle, Anm. d:f] als Folge der Exposition mit mobiltelefonspezifischen HF-EMF verursachen können. Wie im Ergebnisteil beschrieben, fanden wir in der vorliegenden Studie klare Hinweise auf die Induktion von akuter Toxizität und Störungen des Zellzyklus (Zytokinese) als Folge der Exposition mit einer hohen Strahlungsdosis (1,6 W/kg). Es ist möglich, dass diese Effekte Entzündungsreaktionen und/oder die Freisetzung von ROS [= Sauerstoffradikale, Anm. d:f] verursachen, die in einer Reihe von Laborstudien beobachtet wurden (z. B. Alipour et al., 2022; Benavides et al., 2023; IARC, 2013; Yakymenko et al., 2016). Diese Prozesse können möglicherweise zur Bildung von neoplastischen Zellen [= Tumorzellen, Anm. d:f] führen.“