Bäume und elektromagnetische Felder

Interview mit Dr. Cornelia Waldmann-Selsam: „Manche Gesprächspartner waren über das Gehörte erschüttert…“
Dr. Cornelia Waldmann-Selsam hat seit 2005 an über 1.500 Mobilfunksendeanlagen dokumentierte Baumbeobachtungen durchgeführt und Luftbilder ausgewertet. Ihre Studie „Radiofrequency radiation injures trees around mobile phone base stations“* (mit Balmori, Balmori-de la Puente und Breunig) von 2016 zeigt einen Zusammenhang zwischen einseitigen Baumschäden und der Exposition gegenüber elektromagnetischer Strahlung, die von Mobilfunksendeanlagen ausgeht. Weitere Untersuchungen und eine Neubewertung der derzeitigen Grenzwerte für elektromagnetische Strahlung wurden gefordert. Welche neuen Erkenntnisse gibt es?
Michaela Thiele im Gespräch mit Dr. Cornelia Waldmann-SelsamBild: diagnose:funk

KOMPAKT: Liebe Cornelia, im diagnose:funk Webinar 14 in 2022 hast du Baumschäden im Hochfrequenzfeld von Mobilfunksendeanlagen aus den Jahren 2005 bis 2021 und eure Studie aus dem Jahr 2016 vorgestellt. Wie haben sich die Baumschäden in den letzten drei Jahren entwickelt?

WALDMANN-SELSAM: Die Baumschäden haben mit großer Geschwindigkeit zugenommen – auch in Parks und an Gewässern. Bauämter, Bauhöfe, Gartenämter und die Deutsche Bahn müssen pausenlos eine Vielzahl von Baumpflegemaßnahmen und Baumfällungen durchführen, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Dennoch sind an unzähligen Orten Äste abgebrochen und Bäume umgestürzt – nicht nur bei Sturm und Starkregen, sondern auch bei ruhigem Wetter. Die Bäume fielen auf Straßen, Wege, Bahngleise und in Flüsse – auf Menschen, Autos, Züge und Häuser. Einige umgestürzte Eichen und Buchen hatten fast keine Wurzeln. Es wurden Menschen verletzt. In Würzburg, im Steigerwald und in der Rhön starben Menschen durch umstürzende Bäume. Beispielhafte Pressemeldungen aus den letzten drei Monaten zeigen das Ausmaß der Schäden. Wegen der Vielzahl der Verkehrssicherungsarbeiten waren stellenweise mehrtägige Straßensperrungen erforderlich. Manche Wander- und Fahrradwege mussten vorübergehend oder längerfristig gesperrt werden. Im Landkreis Bad Kissingen besteht ein Verbot des Befahrens der Fränkischen Saale auf einer Strecke von 62 km, weil die vielen geschädigten Ufergehölze eine Gefährdung darstellen.

 

Bilder: Auch an Gewässern sterben hochfrequenzexponierte Bäume langsam ab

Bilder: Cornelia Waldmann-Selsam

Bilder von links nach rechts:
- 14.07.24, Buchen an der Fulda zwischen Kassel und Fuldatal (Blick von S). Von einer nördlich, auf einer Anhöhe stehenden Sendeanlage (Entfernung ca. 1 km) trifft Mobilfunkstrahlung auf diese Buchen neben dem Fahrradweg. Messwert: 1.260 µW/m²
- Topographische Wanderkarte, Kaufunger Wald Nord, Hann. Münden, ProjektNord. Ergänzt: Mobilfunkstandorte mit Hauptstrahlrichtungen der Sektorantennen, Standort Buchen (grün)
- Im Kontrast dazu: 26.08.24, Kassel, Innenhof, Buche im Funkschatten

KOMPAKT: Zwischen 2017 und 2024 wurden Mobilfunksendeanlagen erheblich erweitert, umgerüstet oder neu errichtet, um die Datenübertragungsrate zu erhöhen und den mobilen Empfang zu verbessern. Was bedeutet das für die Bäume?

WALDMANN-SELSAM: Die Erweiterung einzelner Sendeanlagen mit Sektorantennen kann ich anhand einiger Beispiele verdeutlichen:

  • Berlin, Carillon, 220 m südl. vom Bundeskanzleramt, Nr. 012134 : von 11 (2012) auf 76 Antennen (2022)
  • Ebrach, Nr. 671008: von 12 (2009) auf 36 Antennen + BOS-Digitalfunk (2022)
  • Kälberberg bei Bamberg, Nr. 671168: von 16 (2020) auf 48 (2024) + Sonstige
  • Kassel, Botanischer Garten, Nr. 240723 von 15 (2017) auf 36 Antennen (2024)
  • Kassel, Seniorenheim Luisenhaus, Nr. 241229: von 7 (2015) auf 58 Antennen (2024)
  • München, Eichamt, Nr. 530269: von 30 (2009) auf 60 Antennen (2022)
  • Murnau, Unfallklinik, Nr. 570289: von 10 (2010) auf 48 Antennen (2022).
  • Neuburg a. d. Donau, Schlossturm, Nr. 69015889: von 18 (2014) auf 33 Antennen (2024)
  • Neuherberg, Oberschleißheim, 230 m östl. vom Bundesamt für Strahlenschutz, Nr. 530459: von 30 Antennen (2019) auf 63 (2024)
  • Rhön, Oberelsbach, Nr. 661442: von 3 (2007), 10 (2018) auf 42 Antennen (2022)
  • Rottach-Egern, Ringberg, Nr. 570221: von 17 Antennen (2009) auf 48 Antennen (2023) + BOS
  • Steigerwald, Sommerrankenberg, Nr. 670812: von 20 (2012) auf 39 (2024) + Sonstige

Diese erheblichen Erweiterungen sind erschütternd, da seit Jahren im Umkreis dieser und vieler weiterer Sendeanlagen bereits Baumschäden aufgetreten sind. In Neuherberg waren bereits im Jahr 2006 Baumschäden aufgefallen. In Ebrach wurden Schäden ab 2008, in München am Eichamt ab 2010 dokumentiert. Zusätzlich wurde das Digitale Fernsehen von DVB-T auf DVB-T2 HD umgestellt und das Sendernetz für den digitalen Rundfunk wurde verdichtet und auf DAB+ umgerüstet. Weitere Sender für BOS-Digitalfunk gingen in Betrieb.

Äußerst ungünstig für das Erkennen der schädlichen Auswirkungen durch Hochfrequenz-Immissionen ist, dass gleichzeitig mit dem erheblichen Anstieg der Hochfrequenzbelastung die extrem trockenen und heißen Wetterperioden aufgetreten sind. Alle entstandenen Baumschäden wurden allein auf Wassermangel und Hitze zurückgeführt. Ein möglicher zusätzlicher Einfluss durch Hochfrequenz-Immissionen wurde von Wissenschaftlern bisher nicht in Betracht gezogen.

KOMPAKT: Für eure Studie habt ihr 2015 an den geschädigten Kronenseiten der Bäume in Gruppe 1 (Bäume in Gebieten mit hoher Strahlenbelastung und vorhandenen Schäden) durchschnittlich 2.000 µW/m² gemessen. In welcher Größenordnung liegen die Messwerte der Leistungsflussdichte heutzutage?

WALDMANN-SELSAM: Die Messwerte der Leistungsflussdichte liegen jetzt häufig zwischen 5.000 und 100.000 µW/m². An manchen Stellen habe ich Werte zwischen 100.000 und 500.000 µW/m² gemessen. Den höchsten Wert fand ich im Oktober 2024 am Steintordamm in Hamburg: 2.500.000 µW/m². Weitere Einzelbeispiele des Belastungsanstieges im Verlauf:

  • Bamberg, Hainspielplatz: Anstieg von 1.000 µW/m² in 2014 auf 9.000 µW/m² im Jahr 2024
  • Garmisch-Partenkirchen, Bahnhof: Anstieg von 8.150 µW/m² in 2015 auf 77.300 µW/m² im Jahr 2022
  • Hallstadt, Landsknechtstraße: Anstieg von 7500 µW/m² in 2008 auf 500.000 µW/m² im Jahr 2024
  • Kassel, Botanischer Garten: Anstieg von 13.580 µW/m² in 2017 auf 320.000 µW/m² im Jahr 2024
  • Kassel, Brüder-Grimm-Platz: Anstieg von 5.800 µW/m² in 2016 auf 115.000 µW/m² im Jahr 2023
  • Scheibenberg (Erzgebirge), Pfarrstraße: Anstieg von 300 µW/m² in 2007 auf 34.100 µW/m² im Jahr 2024.

Bis 2021 wurde das Breitband-Messgerät HF 59B (27 MHz – 3.300 MHz) der Firma Gigahertz Solutions verwendet - danach das Gerät Safe and Sound Pro II  (200 MHz - 8 GHz) der Firma Safe Living. Angegeben sind die Maximalwerte.

Über diesen extremen Anstieg der Hochfrequenzbelastung wird in der Öffentlichkeit überhaupt nicht gesprochen. An vielen Sendeanlagen konnte ich mich wegen auftretender Schwäche und Benommenheit nur noch kurz aufhalten, um Fotos zu machen und zu messen.

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Unter Downloads (rechts) stehen vier Dokumentationen zu Baumschäden durch EMF, für das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen, das Bundesumweltministerium und für eine Ausstellung auf einem wissenschaftlichen Kongress. Eine Dokumentation von 1989 auf einer Waldschadenstagung zeigt, dass Schäden durch Funkanlagen bereits bekannt waren.

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KOMPAKT: Auch an Flüssen, Weihern und Seen sowie in Flussauen sind vielfach Baumschäden aufgetreten. Zu welcher Stelle würdest Du Baumfachleute als erstes führen?

WALDMANN-SELSAM: Zum Radfernweg an der Fulda zwischen Kassel und Fuldatal. Der Radweg verläuft stellenweise direkt am Fluss. Neben dem Radweg stehen viele Buchen mit deutlichen Kronenschäden. Einige mussten bereits gefällt werden. Auch Eichen, Linden und Ahornbäume zeigen Kronenschäden. Von einer nördlich, auf einer Anhöhe stehenden Sendeanlage (Entfernung ca. 1 km) trifft Mobilfunkstrahlung auf die Bäume und auf den bewaldeten Hang. Im Oktober 2024 betrug der Messwert 1.260 µW/m². Das Eintragen der Senderstandorte mit den Hauptstrahlrichtungen der Sektorantennen in topographische Karten ist wichtig, um die Verteilung der Schäden verstehen zu können. Anschließend würde ich die Fachleute zur Lindenreihe am Kanaluferweg in Lübeck, zum Alsterufer in Hamburg, zur Hache am Kreismuseum in Syke, zum Rokokogarten Veitshöchheim, zum Campingplatz Burg am Staffelsee, zu den Buchen am Eibsee, zur Anlegestelle Herrenchiemsee und zum Seepark in Freiburg führen. Die Bäume an diesen Orten leiden mit Sicherheit nicht unter Trockenstress, zeigen aber Schäden und stehen unter Hochfrequenzexposition.

 

Bilder: Die Abstrahlung der Sektorantennen erfolgt gebündelt in Haupt- und Nebenstrahlen

Bilder: Cornelia Waldmann-Selsam

Bilder von links nach rechts:
- 29.09.23, Lübeck, Kanaluferweg, Linde, Messungen durch BUND entlang Weg: 39.000 bis 140.000 µW/m² (2024), die Blätter links absorbieren und streuen die Strahlung und schützen somit die rechte Seite
- 09.09.24, Hamburg, Ballindamm an der Binnenalster, Lindenreihe, 20.700 µW/m², Unterschiede in der Reihe durch gebündelte Abstrahlung
- 11.10.24, Kassel, Karlsaue, klimaresilienter Feldahorn, 3.200 µW/m² (Sender Rathaus)

Wichtig für das Verständnis: Die Abstrahlung der Sektorantennen erfolgt gebündelt in Haupt- und Nebenstrahlen. Unter dem Hauptstrahl und zwischen den Nebenstrahlen gibt es Bereiche geringer Hochfrequenzbelastung. In der Regel deckt eine Sektorantenne einen Sektor von 120° ab. Gebündelte Abstrahlung, Reflexion, Beugung, Streuung, Interferenzen sowie Dämpfung durch Gebäude und Bäume führen zu einer inhomogenen Hochfrequenz-Feldverteilung.

KOMPAKT: Wie kann man Baumschäden durch Trockenstress und Hitze von Schäden durch Hochfrequenzexposition unterscheiden?

WALDMANN-SELSAM: Die gebündelte Abstrahlung von Mobilfunksektorantennen führt zu einseitig beginnenden Kronenschäden, Biegungen, Wachstum in die Breite, Unterschieden innerhalb von Baumreihen und zu expositionsabhängiger Verteilung von Waldschäden. Und besonders wichtig: die Mobilfunkstrahlung schädigt auch Bäume an Gewässern. Trockenstress und Hitze betreffen in der Regel den gesamten Baum. Der Baum bildet weniger und kleinere Blätter aus. Er lässt die Blätter vorzeitig fallen. Benachbarte Bäume zeigen je nach Baumart ähnliche Veränderungen. Unter den Nadelbäumen verträgt die Fichte große Trockenheit und Hitze besonders schlecht. Bäume an Gewässern können nicht wegen Trockenstress Schäden entwickeln. Die Hochfrequenz-Immissionen von Digitalem Rundfunk, Digitalem Fernsehen und BOS-Digitalfunk verbreiten sich weiträumig. Hier ist die Unterscheidung zwischen Trockenstress und Hochfrequenzstress schwieriger.

KOMPAKT: Hast du auch Gebiete mit ausreichenden Niederschlägen besucht?

WALDMANN-SELSAM: Ja, unter anderem den Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Zwischen 2010 und 2022 war ich insgesamt 28 mal dort, um durch Hochfrequenzexposition geschädigte Menschen zu besuchen und um Bäume zu dokumentieren. Im Oktober 2010 habe ich dort gemeinsam mit Mitgliedern einer Bürgerinitiative in dem Gebiet zwischen Garmisch-Partenkirchen, Bad Kohlgrub und Murnau Baumschäden gesehen – an insgesamt 40 Mobilfunksendeanlagen. Der Unterschied zwischen Abschnitten von exponierten, geschädigten Ufergehölzen und Abschnitten von nicht exponierten, vitalen Gehölzen entlang der Loisach war besonders eindrücklich. Auffällige Schäden im Bergwald waren beunruhigend. Im Januar 2011 erhielten Landrat, Mitglieder des Kreistages und die betroffenen Bürgermeister eine Dokumentation über die Schäden mit der Bitte, sich für wissenschaftliche Untersuchungen des Verdachtes einzusetzen. Für den Landkreis ist die Fragestellung „Haben Hochfrequenz-Immissionen Auswirkungen auf den Bergwald?“ von existenzieller Bedeutung. Eine Zeitungsmeldung des Münchner Merkur vom 08.03.24, dass an fünf Stellen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen Steinschlagnetze an Bundesstraßen durch Bäume beschädigt wurden, zeigt, wie gefährlich die Entwicklung ist.

 

Bilder: Einseitig beginnende Kronenschäden auf der Seite, die einer Sendeanlage zugewandt ist

Bilder: Cornelia Waldmann-Selsam

Bilder von links nach rechts:
- 05.09.23, Syke-Heiligenfelde, Katsurabaum, 7.500 µW/m²        
- 03.10.24, Scheibenberg, Ahorn, 95.000 µW/m²

KOMPAKT: Auch Waldfachleute scheinen in den letzten Jahren zunehmend überrascht und äußerst besorgt darüber zu sein, dass nicht nur die Nadelbäume sondern auch Buche und Eiche innerhalb kurzer Zeit Schäden entwickelten.

WALDMANN-SELSAM: Mehrere Wissenschaftler teilten in ihren Vorträgen mit, dass sie mit einem derart schnellen Absterben von Buchen nicht gerechnet hätten und dass sie sich die großen regionalen Unterschiede nicht erklären könnten. Sie verstünden nicht, warum auch im Voralpenland, wo die Niederschläge nicht zurückgegangen waren, Buchenschäden aufgetreten seien. Nach der Ursache müsse gesucht werden.

KOMPAKT: Im Mai 2023 hast Du an der Wissenschaftlichen Buchentagung „Die Zukunft der Buche im Klimawandel“, veranstaltet von acht forstlichen Versuchsanstalten und dem Thünen Institut, in Würzburg teilgenommen. Konntest Du mit Forstwissenschaftlern sprechen?

WALDMANN-SELSAM: Da ich auf der Tagung ein Poster „Hochfrequente elektromagnetische Felder – ein abiotischer Stressfaktor für Buchen?“ ausstellen durfte, war es leicht, mit anwesenden Wissenschaftlern persönlich ins Gespräch zu kommen. Ich berichtete ihnen, dass wir anlässlich von Hausbesuchen bei erkrankten Anwohnern von Mobilfunksendeanlagen auf gleichzeitig auftretende Schäden an Bäumen gestoßen waren. Ich zeigte ihnen, dass wir bereits ab 2009 Buchenschäden im Einflussbereich von Hochfrequenzsendern im Steigerwald, im Nordschwarzwald und in der Rhön beobachtet und dokumentiert hatten. Manche Gesprächspartner waren über das Gehörte erschüttert und sahen die Notwendigkeit von wissenschaftlichen Untersuchungen zur Überprüfung des Verdachtes. Prof. Dr. C. Ammer, Waldbau und Waldökologie der gemäßigten Zonen, Uni Göttingen, stellte Forschung in Aussicht.

KOMPAKT: Im Januar 2024 veröffentlichte Prof. Dr. N. Kühn vom Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der TU Berlin die Studie „Parkschadensbericht - Zustandserfassung der Schäden an Gehölzen in historischen Parks in Deutschland infolge des Klimawandels“. Kartierungen von 62 Parkanlagen wurden ausgewertet. Was war das Ergebnis?

WALDMANN-SELSAM: 59 Prozent aller Bäume in diesen historischen Parkanlagen zeigten 2022 Beeinträchtigungen. Es gab jedoch große Unterschiede zwischen den Parks. Und es gab Schäden auch in Parks ohne Wassermangel. Studienleiter Kühn folgerte: „Auch hier zeigt sich wieder, dass man den Klimawandel ernst nehmen muss, sich aber davor hüten sollte, generalisierend überall die gleichen Probleme zu erwarten“. In 8 der kartierten Parks habe ich bereits zwischen 2008 und 2014 Schäden dokumentiert. Die Parks lagen im Hochfrequenzfeld von Mobilfunksendeanlagen.

 

Bilder: Gesund im Funkschatten - krank im Hauptstrahlbereich

Bilder: Cornelia Waldmann-Selsam

Bilder von links nach rechts:
Kontrast: nicht exponierter und exponierter Ahorn im gleichen Wohnviertel:
- 05.08.24  Kassel-Forstfeld, Ochshäuser Str., 30 µW/m²
- 05.08.24, Kassel-Forstfeld, Heinrich-Steul-Str., 3.600 µW/m²     
Auch klimaresiliente Baumarten, die zur Pflanzung empfohlen werden, zeigen Schäden:
- 24.05.22, Solingen, Klinikum, Amberbaum, 23.100 µW/m² 

KOMPAKT: Gibt es Kontakt zu Umweltverbänden?

WALDMANN-SELSAM: Kreisgruppen des BUND aus Lübeck und aus Diepholz haben mich bereits zu Vorträgen und Rundgängen an Sendeanlagen eingeladen, worüber ich mich sehr gefreut habe. In Lübeck gibt es jetzt Baumpaten, die den Zustand ausgewählter, hochfrequenzbelasteter Bäume im weiteren Verlauf dokumentieren. Mitglieder des NABU haben mir die 5G-Teststrecke im Erzgebirge gezeigt.

KOMPAKT: Aus aktuellem Anlass hast du ein umfassendes Schreiben zum Telekommunikationsnetzausbau-Beschleunigungsgesetz TKNaBeG an Bundesumweltministerin Lemke gesendet. Gibt es hierauf bereits Antwort?

WALDMANN-SELSAM: Noch nicht. Da in den letzten Monaten aus verschiedenen Regionen die alarmierende Zunahme von Eichenschäden berichtet wurde, enthielt das Schreiben an die Ministerin Beispiele von aktuellen und von früheren Eichenschäden, die auf einen Zusammenhang mit Hochfrequenzbelastung hinweisen.

KOMPAKT: In Laborexperimenten haben etliche Forschergruppen seit 20 Jahren Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf Pflanzen nachgewiesen. Deine Beobachtungsstudien an Bäumen scheinen eindeutig zu sein – Wie könnte man die Ergebnisse wissenschaftlich absichern?

WALDMANN-SELSAM: Zum einen durch vergleichende Untersuchungen von gleichaltrigen, exponierten und nicht exponierten Bäumen in einem Gebiet mit ähnlichen Standortbedingungen. Das Wohngebiet Kassel-Forstfeld mit über zweihundert 40-jährigen Laubbäumen ist hierfür geeignet. Ein Teil der Bäume steht im Funkschatten von Mehrfamilienhäusern – ein Teil im Hochfrequenzfeld einer Mobilfunksendeanlage.

Zum anderen durch Untersuchungen geschädigter Buchen, bei denen kein Trockenstress vorliegt, z.B. Buchen an der Fulda oder Buchen im Kurpark von Garmisch-Partenkirchen. Die üblichen Parameter zur Bestimmung der Vitalität werden gemessen. Eine wissenschaftliche Absicherung könnte auch erfolgen durch eine Kartierung der Bäume im Umkreis einer Sendeanlage, die neu in Betrieb gegangen ist (z.B. westlich von Uffing, Landkreis Garmisch-Partenkirchen) oder durch die Erfassung von Bodenleben, Bodenzusammensetzung, PH sowie Enzymaktivitäten im Wurzelraum von umgestürzten Eichen/Buchen (Steigerwald, Rhön, Vordere Pfalz) im Vergleich mit Eichen/Buchen an funkarmen Standorten. Denn Bäume leiten einen Teil der hochfrequenten EMF über den Stamm in den Boden.

KOMPAKT: Was hast du als nächstes vor, was wünschst du dir?

WALDMANN-SELSAM: Als nächste Schritte werde ich aktuelle Fotos von vitalen, nicht exponierten Buchen und von geschädigten, exponierten, aber gut wasserversorgten Buchen an Forstwissenschaftler senden – verbunden mit der Bitte, hochfrequente elektromagnetische Felder als abiotischen Einflussfaktor mit in Betracht zu ziehen und zu untersuchen. Die Leitung der Nationalparks Bayerischer Wald und Schwarzwald werde ich bitten, den Zustand der Bäume an zwei Mobilfunksendeanlagen, die erst vor wenigen Jahren in Betrieb gingen, im weiteren Verlauf zu untersuchen. Auch den Kontakt zu Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern werde ich suchen. Mögen die objektiv sichtbaren Baumschäden dazu beitragen, dass bei Menschen auftretende Symptome nicht länger angezweifelt werden.

KOMPAKT: Ich danke dir für die detaillierten Schilderungen und dein unermüdliches Engagement. Wir wünschen dir alle viel Erfolg und die Anerkennung deiner Arbeit!

Das Interview führte Michaela Thiele.

* Studie zu Bäumen und elektromagnetischen Feldern:
Waldmann-Selsam C, Balmori-de la Puente A, Breunig H, Balmori A (2016): Radiofrequency radiation injures trees around mobile phone base stations, Sci Total Environ 2016; 572: 554-569, doi:10.1016/j.scitotenv.2016.08.045, https://www.emfdata.org/de/studien/detail?id=135

 

Bilder: Konsequenz der Strahlenbelastung: Bäume werden gefällt

Bilder: Cornelia Waldmann-Selsam

Bilder von links nach rechts:
- 18.07.22, Düsseldorf, LKA, Zerreiche, ca. 6.000 µW/m²

Tausende von Bäumen mussten in den letzten drei Jahren gefällt werden:
- 03.08.22, Kassel, Goethestr., Linden, 96.500 µW/m²
- 26.08.24, Linde im Hauptstrahl gefällt. Messwert: 90.000 µW/m²
  
     

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